OGH 1Ob213/05p

OGH1Ob213/05p22.11.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Hajek & Boss & Wagner Rechtsanwälte OEG in Eisenstadt, wider die beklagte Partei T***** GesmbH, *****, vertreten durch Dr. Ulrich O. Daghofer, Rechtsanwalt in Graz, wegen 508.709,83 EUR sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 20. Juni 2005, GZ 4 R 86/05d-41, womit das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Handelsgericht vom 28. Dezember 2004, GZ 4 Cg 161/03f-35, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Mit ihrem Vorwurf, das Berufungsgericht sei nicht gesetzmäßig besetzt gewesen, übersieht die Revisionswerberin offenbar, dass über den in der Berufung behaupteten Nichtigkeitsgrund gemäß § 471 Z 5 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu erkennen war. In diesem Fall ist der Berufungssenat gemäß § 7 Abs 2, § 8 JN stets mit drei Berufsrichtern besetzt (vgl nur Pimmer in Fasching/Konecny² IV/1 § 471 ZPO Rz 2).

2. Dass eine im Berufungsverfahren behauptete, vom Berufungsgericht jedoch verneinte Nichtigkeit der erstgerichtlichen Entscheidung in der Revision nicht neuerlich geltend gemacht werden kann, erkennt die Revisionswerberin selbst.

Darüber hinaus liegt weder eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens iSd § 503 Z 2 ZPO vor, noch gar eine Nichtigkeit der Berufungsentscheidung iSd § 477 Abs 1 Z 9 ZPO. Die Revisionsbehauptung, das Berufungsgericht führe nirgends aus, was es als unstrittiges Parteienvorbringen ansehe, ist aktenwidrig. Das Berufungsgericht hat vielmehr unmissverständlich erklärt, dass der „eingangs" (gemeint: im ersten Abschnitt der Entscheidungsgründe) dargelegte Sachverhalt iSd § 267 Abs 1 ZPO als unbestritten zu beurteilen sei. Damit setzt sich die Revisionswerberin inhaltlich nicht auseinander. Die Vorgangsweise des Berufungsgerichts, den unstrittigen Inhalt von im Verfahren erster Instanz verlesenen Urkunden als unstrittiges Sachverhaltselement zu verwerten und der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen, stellt keinen Verfahrensmangel und schon gar keinen Nichtigkeitsgrund gemäß § 477 Abs 1 Z 9 ZPO dar. Die Bedachtnahme auf unstrittige Tatsachen setzt auch keinesfalls eine Beweiswiederholung im Berufungsverfahren voraus.

3. Aus den in verschiedenen Formulierungen wiederholten Revisionsausführungen, die klagende Partei sei zum Abschluss des „Optionsvertrags" nicht „berechtigt" gewesen, es sei der Förderungsbehörde „nicht erlaubt", selbst oder durch Tochterunternehmen in Konkurrenz zu privaten Wirtschaftsunternehmen zu treten, eine Tochtergesellschaft der Förderungsbehörde „dürfe" einen derartigen Vertrag nicht abschließen bzw die Vereinbarung sei „rechtlich nicht möglich und daher nichtig" gewesen, ist nicht leicht nachzuvollziehen, ob die Revisionswerberin dabei von einer insoweit beschränkten Rechtsfähigkeit der klagenden Partei oder einer Nichtigkeit wegen Gesetzwidrigkeit iSd § 879 Abs 1 ABGB ausgehen will.

Eine nähere Befassung mit diesem Problem kann allerdings schon deshalb unterbleiben, weil das angesprochene „Konkurrenzverbot" nur allenfalls die „Förderungsbehörde" selbst treffen könnte. Die Revisionswerberin führt jedoch selbst aus, die klagende Partei sei lediglich eine „Enkelgesellschaft" (mit geringfügiger Beteiligung anderer Gesellschafter) jener Aktiengesellschaft, die für die Durchführung von Wirtschaftsförderungsmaßnahmen in Burgenland zuständig sei. Inwieweit die klagende Partei selbst bei ihrer geschäftlichen Tätigkeit besonderen Schranken unterliegen sollte, ist somit nicht ersichtlich. Sollte sich die genannte Aktiengesellschaft unzulässigerweise einer Tochter- bzw Enkelgesellschaft zur Durchführung ihr verbotener Aktivitäten bedienen, könnten nachteilige Folgen allenfalls sie selbst treffen. Weshalb die von der klagenden Partei getroffenen Vereinbarungen aber unwirksam sein sollten, ist hingegen nicht zu erkennen. Selbst eine allfällige Benachteiligung der beklagten Partei durch die zur Abwicklung der Förderungsansuchen berufene Aktiengesellschaft würde nicht zu einer Nichtigkeit bzw Sittenwidrigkeit der von der - insoweit angeblich bevorzugten - klagenden Partei abgeschlossenen Geschäfte führen.

4. Ob ein Irrtum einer Vertragspartei über den Inhalt der Vertragsurkunde von der anderen veranlasst wurde, ist grundsätzlich von den Umständen des jeweiligen Falls abhängig, sodass sich insoweit eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO regelmäßig nicht stellt. Den Ausführungen des Berufungsgerichts, es gäbe weder ein konkretes Vorbringen noch einen sonstigen Anhaltspunkt dafür, dass der klagenden Partei bzw dem Vertragsverfasser als ihrem Vertreter die allenfalls unrichtige Vorstellung des Geschäftsführers der beklagten Partei vom Inhalt der Urkunde erkennbar gewesen wäre, hält die Revisionswerberin entgegen, die hier maßgebliche Vertragsbestimmung sei überraschend, neu und unerwartet gewesen und von den Geschäftsführern nicht wahrgenommen worden. Dies ersetzt nicht ein ausreichend konkretes Vorbringen im Verfahren erster Instanz, das das Berufungsgericht vermisst hat.

Darüber hinaus hat das Berufungsgericht auch auf die Ende Dezember 2001/Anfang Jänner 2002 - somit rund ein Jahr nach Abschluss des ursprünglichen Vertrags - getroffene Erneuerungsvereinbarung hingewiesen. In dieser Vereinbarung wurde die der beklagten Partei eingeräumte Frist zur Errichtung eines Hotels auf der von ihr erworbenen Liegenschaft verlängert und zugleich der von ihr im Falle der Nichteinhaltung der Frist zu zahlende Betrag von S 5,8 Mio auf S 7 Mio erhöht. Dass sie auch noch zu diesem Zeitpunkt über den genauen Inhalt der Vereinbarung im Unklaren gewesen wäre, behauptet die beklagte Partei (naheliegenderweise) nicht. Ihr Einverständnis mit einer Erhöhung des allenfalls zu zahlenden Betrags im Gegenzug zu einer Verlängerung der ihr eingeräumten Frist kann zweifellos nur als Bestätigung der im Übrigen unveränderten „Optionsvereinbarung" einschließlich eines Verzichts auf eine allfällige Anfechtung wegen eines seinerzeitigen Irrtums über den Inhalt der Vereinbarung verstanden werden.

5. Soweit die Revisionswerberin darauf verweist, sie hätte im Jahr 2002 der soeben erwähnten Vertragsänderung niemals zugestimmt, wenn ihr die klagende Partei damals bekanntgegeben hätte, dass sie selbst beabsichtige, auf einem angrenzenden Grundstück ein Hotel zu bauen, mit dem die von vornherein angestrebte Maximalanzahl von Hotelbetten in der Umgebung ausgeschöpft werde, übersieht sie, dass sie im Verfahren erster Instanz zwar die ursprüngliche Vereinbarung wegen eines behaupteten Irrtums zum damaligen Zeitpunkt angefochten hat, nicht jedoch den rund ein Jahr später abgeschlossenen Abänderungsvertrag. Dem nunmehrigen Bestreben, auch diese Vereinbarung anzufechten, steht das Neuerungsverbot entgegen.

6. Auch wenn der Revisionswerberin zuzugestehen ist, dass die Bezeichnung der seinerzeitigen Vereinbarung als „Optionsvertrag" unzutreffend und missverständlich ist, können die gegen deren Inhalt formulierten Bedenken nicht geteilt werden. Dabei ist auch nicht entscheidend, ob man die fragliche Klausel als Vereinbarung einer Konventionalstrafe ansehen will, da auch in diesem Fall darauf abzustellen ist, welchem Zweck sie diente. Die beklagte Partei selbst hat bereits im Verfahren erster Instanz zutreffend darauf hingewiesen, dass es sich bei der vereinbarten „Konventionalstrafe" in der Sache um eine Preisnachzahlung für den Fall der verspäteten (vor allem: der unterlassenen) Eröffnung des Hotels gehandelt habe. Dieser Vertragszweck ergibt sich deutlich aus der Vorgeschichte, hatte sich doch der ursprüngliche Käufer der Liegenschaft der klagenden Partei gegenüber verpflichtet, für den Fall einer nicht bzw nicht zeitgerechten widmungsgemäßen Verwendung der nach dem Vertragstext zu einem besonders günstigen Preis erworbenen Liegenschaft eine Nachzahlung in Höhe der Differenz zum tatsächlichen Verkehrswert zu leisten, wobei auch ein Pfandrecht über mehr als S 5,5 Mio einzuräumen war. Damit sollte ersichtlich einer Spekulation des Käufers mit dem günstig erworbenen Grundstück vorgebeugt und dieser veranlasst werden, entweder das vorgesehene Hotel rasch zu bauen und zu eröffnen oder aber beliebig mit dem Grundstück zu verfahren, dafür aber einen angemessenen Preis zu entrichten. Eben diesen Vertragszweck wollte die klagende Partei nun ersichtlich auch gegenüber der beklagten Partei beibehalten, indem sie von einer formellen Rückabwicklung des ersten Kaufvertrags absah, ihre Zustimmung dazu erteilte, dass die Eigentumsübertragung direkt zwischen dem ersten Käufer und der beklagten Partei vorgenommen wird und sich zugleich zusagen ließ, dass auch die beklagte Partei als zweite Käuferin eine - nunmehr der Höhe nach fixierte - Nachzahlung auf den bisher der klagenden Partei zugekommenen Kaufpreis zu leisten habe, wenn der Geschäftszweck (rasche Errichtung und Inbetriebnahme eines Hotels) nicht erreicht wird.

Wenn die beklagte Partei im Verfahren erster Instanz zur Vereinbarung dieser „Preisnachzahlung" erklärt hat, mit dem Kaufvertrag alleine werde sowohl die „Angemessenheit der Preisgestaltung als auch das tatsächliche Preisgefüge" nicht zu beweisen sein, übersieht sie, dass nicht der Verkäufer die Angemessenheit eines vereinbarten Kaufpreises zu beweisen hat. Im beiderseitigen Handelsgeschäft ist auch die Anfechtung wegen Verkürzung über die Hälfte ausgeschlossen. Es wäre daher an der Beklagten gelegen gewesen, allenfalls konkrete Behauptungen über das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des Wuchers (§ 879 Abs 2 Z 4 ABGB) aufzustellen, was sie jedoch nicht getan hat. Sie hat daher auch eine für sie möglicherweise ungünstige Preisvereinbarung hinzunehmen. Von einem „abstrakten Schuldversprechen" kann nicht im Entferntesten die Rede sein. Ebensowenig liegt ein „Scheingeschäft" vor, über dessen Wesen die beklagte Partei offenbar ganz eigene Vorstellungen hat. Aus den Hinweis auf jene Beträge, die die beklagte Partei an den ersten Käufer zur Abgeltung der von ihm bereits für das Hotelprojekt erbrachten Vorleistungen gezahlt hat, ist kein Argument für eine Unangemessenheit der Klageforderung zu gewinnen, weil diese Beträge ja nicht der klagenden Partei zugekommen sind.

7. Die erstmals in der Revision aufgeworfene Frage, ob die klagende Partei die im Zusammenhang mit dem Abschluss der seinerzeitigen Vereinbarung erhaltene Zahlung von S 616.000 mangels ausreichenden Titels zurückzahlen müsse, stellt sich in diesem Verfahren nicht, weil eine derartige Rückforderung nicht begehrt wurde. Auf die im Verfahren erster Instanz erhobene Gegenforderung kommt sie in ihrer Revision nicht mehr zurück, sodass darauf nicht einzugehen ist.

8. Ganz unverständlich sind die Ausführungen der Revisionswerberin dazu, dass die klagende Partei „die Option angenommen" habe, „ohne die Abschlagszahlung bei Annahme zu verlangen". Nach dem Inhalt der maßgeblichen Urkunde, auf die sich die Revisionswerberin ersichtlich bezieht, hat die klagende Partei die „Option" in dem Sinne angenommen, dass sie mit der beklagten Partei eine Vereinbarung abgeschlossen hat, die ihr unter anderem auch eine Option zum (Rück-)Erwerb der Liegenschaft einräumt. Keinesfalls hat sie die Option in der Folge ausgeübt bzw in Anspruch genommen, sodass die Erörterungen der Revisionswerberin über die Rechtsfolgen einer Optionsausübung ins Leere gehen.

Ähnliches gilt für die Erörterungen zu der dem ursprünglichen Käufer von der klagenden Partei eingeräumten Rücktrittsrechten, mit denen die Revisionswerberin eine Sittenwidrigkeit der mit ihr getroffenen abweichenden Abreden dartun will. Entgegen ihrer Darstellung wurde dem ersten Käufer die Möglichkeit eines Rückverkaufs der Liegenschaft um den vereinbarten Kaufpreis nur für den Fall eingeräumt, dass das von der klagenden Partei zu errichtende und zu betreibende Thermalbad nicht bis zu einem bestimmten Zeitpunkt vollständig und nachhaltig in Betrieb genommen wird. Dass sich eine vergleichbare Klausel in der späteren Vereinbarung nicht mehr findet, beruht naheliegenderweise darauf, dass das Thermalbad bereits in Betrieb genommen worden war.

9. Soweit die Revisionswerberin schließlich eine fehlende Auseinandersetzung des Berufungsgerichts mit der Frage der Fälligkeit bzw des Beginns des Zinsenlaufs moniert, übersieht sie offenbar, dass sie den Erhalt des Forderungsschreibens vom 6. 6. 2003 zugestanden hat. Sie hat auch nicht behauptet, dass zum Zeitpunkt der Fälligstellung ein Einhalten des Zeitplans bzw des - allenfalls erstreckten - Zeitpunkts des Betriebsbeginns noch möglich gewesen wäre.

Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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