OGH 12Os80/05i

OGH12Os80/05i17.11.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. November 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber, Dr. Philipp, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Besenböck als Schriftführer in der Strafsache gegen Harald P***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des versuchten gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Harald P***** und Gerhard S***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 28. April 2005, GZ 073 Hv 10/05m-93, in nichtöffentlicher Sitzung nach Anhörung der Generalprokuratur zu Recht erkannt:

 

Spruch:

I. In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Gerhard S***** wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch dieses Angeklagten wegen des Verbrechens des versuchten schweren Betruges zu Punkt I./2. des Urteilsspruchs sowie im Ausspruch gewerbsmäßiger Verübung der ihm angelasteten schweren Betrügereien, damit in der Unterstellung seiner Tat unter § 148 zweiter Fall StGB und demgemäß auch in dem ihn betreffenden Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

II. Die Nichtigkeitsbeschwerden des Angeklagten Harald P***** sowie jene des Angeklagten Gerhard S***** im verbleibenden Umfang werden zurückgewiesen.

III. Der Angeklagte Gerhard S***** wird mit seiner Berufung auf die zu I. getroffene Entscheidung verwiesen.

IV. Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten Harald P***** werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

V. Den beiden Angeklagten fallen auch die Kosten des (bisherigen) Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Harald P***** und Gerhard S***** des Verbrechens des versuchten gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Darnach haben sie

„in Wien im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern und in der Absicht sich durch die wiederkehrende Begehung der schweren Betrügereien eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen, unter Verwendung falscher Urkunden, nämlich total gefälschter Schecks, Angestellte der V***** Wien AG durch Einreichung von Verrechnungsschecks, gezogen auf deutsche Banken zum Inkasso, zu Handlungen, nämlich zur Überweisung der jeweiligen Beträge zum Inkasso auf das zu diesem Zweck eröffnete Girokonto lautend auf Harald P*****, Nr.***** zu verleiten versucht, wobei die V***** Wien AG bzw die jeweiligen deutschen Bankinstitute bzw die auf den Schecks als Aussteller aufscheinenden Unternehmen an ihrem Vermögen in einem insgesamt (richtig:) 50.000 EUR (Wertgrenze laut BGBl I Nr 136/2004 - vgl US 18) übersteigenden Ausmaß geschädigt werden sollten, und zwar

1. am 29. März 2004 einen Verrechnungsscheck über 465.370,86 EUR ausgestellt von der R***** Umwelt AG, gezogen auf die C***** AG Essen;

2. am 1. April 2004 einen Verrechnungsscheck über 386.472,24 EUR ausgestellt von der M*****-Gesellschaft Deutschland mbH gezogen auf die K***** Harburg/Buxtehude".

Der Angeklagte Harald P***** bekämpft den ihn betreffenden Schuldspruch mit einer auf § 281 Abs 1 Z 4, 9 lit a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Angeklagte Gerhard S***** seinen Schuldspruch aus den Nichtigkeitsgründen der Z 4, 5, 5 a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO.

Nur die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S***** ist zum Teil berechtigt.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Harald P*****:

Rechtliche Beurteilung

Der Verfahrensrüge zuwider wurde den Anträgen (Z 4) auf „Einvernahme des Zeugen Rudolf Sl***** vor dem erkennenden Gericht, weiters die Ausforschung und Ladung der Maria F***** (phonetisch) - im Urteil „Volger", im Rechtsmittel „Vogler" - vor das erkennende Gericht (jeweils) zur Frage, ob gefälschte Schecks im Nichtbewusstsein an den Erstangeklagten übergeben worden sind" (S 287/III), als sinnfälliges Begehren nach einer bloßen Erkundungsbeweisführung (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330 f) zu Recht nicht entsprochen.

Das ergänzende (unter anderem eine in SSt 61/131 veröffentlichte Entscheidung zur hier nicht aktuellen Frage einer Zulässigkeit der Vorführung eines - im Inland wohnhaften - Zeugen im Falle der Ersatzzustellung der Ladung [vgl nämlich US 15; bzw ON 85] sowie die Vorschrift des Art 54 SDÜ relevierende) Vorbringen zu diesen Beweisanträgen und dem nachfolgend abgehandelten Beweisantrag ist unbeachtlich, weil allein der im Zeitpunkt der kritisierten Entscheidung vorliegende Antrag den Gegenstand des Nichtigkeitsgrundes bildet (Ratz aaO Rz 325; Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 40 f).

Im Übrigen ging das Schöffengericht aktenkonform davon aus, dass nach dem in Rede stehenden, im Ausland wohnhaften Zeugen, der weder der (jeweils ausgewiesenen) Ladung zum Untersuchungsrichter noch zur Hauptverhandlung folgte, in der Slowakei gefahndet wird (S 253, 295/III); da somit nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht damit zu rechnen war, dass er einer abermaligen Zeugenladung folgen und nach Österreich einreisen würde, wäre bei Antragstellung daher ferner die Anführung jener besonderen Umstände geboten gewesen, kraft deren im besonderen Fall (aller Erfahrung zuwider) sein Erscheinen vor dem inländischen Gericht nunmehr zu bewerkstelligen sein werde. Da die Zeugin V*****, nach der in der Slowakei gleichfalls gefahndet wird (S 295/III), erst ausgeforscht werden sollte, handelt es sich bei ihr um ein aussichtsloses Beweismittel, dessen Ablehnung keine Nichtigkeit begründet (Mayerhofer aaO § 281 Z 4 E 107a). Gleichermaßen auf bloße Erkundungsbeweisführung zielte der Antrag auf Ladung des Dr. Walter F***** zum Beweis dafür, dass der Angeklagte „nachdem er von dieser Fälschung erfahren hat", bei diesem „rechtlichen Beistand eingeholt hat" und ihm geraten wurde, „Anzeige zu erstatten, vorher aber noch mit Rudolf Sl***** Rücksprache zu halten, was er auch getan hat". Dem Begehren ist nämlich nicht zu entnehmen, aus welchem Grund die relevierten Beweisthemen eine Entlastung des Angeklagten bewirken sollten. Abgesehen davon sind die Tatrichter ohnedies davon ausgegangen, dass der Anwalt zur Anzeige geraten hat (US 11).

Nach § 15 Abs 3 StGB sind der Versuch und die Beteiligung daran nicht strafbar, wenn die Vollendung der Tat mangels persönlicher Eigenschaften oder Verhältnisse, die das Gesetz beim Handelnden voraussetzt, oder nach der Art der Handlung oder des Gegenstands, an dem die Tat begangen wurde, unter keinen Umständen möglich war (absolut untauglicher Versuch).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) wendet unter Hinweis auf „Art 28 SchG" (offensichtlich gemeint: Art 38 SchG) „und die Entscheidung des OGH zu 8Ob123/02z" die absolute Untauglichkeit des Betrugsversuchs ein, unterlässt es - prozessordnungswidrig - aber darzulegen, aus welchem Grund infolge der relevierten „genauen Prüfungspflicht" der Bank im Hinblick auf die in der Beschwerde zu Recht betonte generalisierende, von den Besonderheiten des Einzelfalls losgelöste Betrachtung der Eintritt des tatplanmäßig intendierten Schadens geradezu denkunmöglich sein sollte, dh unter keinen wie immer gearteten Umständen erwartet werden kann.

Gleiches gilt für die Einlösung gefälschter Verrechnungsschecks über ein eigens zu diesem Zweck eingerichtetes Bankkonto (die selbst die Beschwerde im Fall „die bezogene Bank .... besonders grobes Verschulden walten lässt, welches aber eher die Ausnahme ist", als möglich einräumt), das relevierte Verbot der Barauszahlung eines Verrechnungsschecks nach Art 38 SchG - das im Übrigen gar nicht bewirkt, dass ein Verrechnungsscheck unter keinen Umständen bar ausbezahlt werden darf (8 Ob 123/02z) - sowie bankinterne Prüfvorgänge.

Ob fallbezogen die „V***** Wien AG oder die C***** Essen AG" nach dem Tatplan geschädigt werden sollte, ist dem weiteren Beschwerdeeinwand zuwider nicht entscheidungsrelevant.

Welche „Feststellungen zur Gewerbsmäßigkeit" die Subsumtionsrüge (Z 10) schließlich vermisst bzw worin die unzureichende Begründung der diesbezüglichen Urteilsannahmen (US 2, 18) gelegen sein soll (Z 5), führt sie nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit (§ 285a Z 2 StPO) aus. Vielmehr verfehlt sie das zur prozessordnungsgemäßen Darstellung des materiellen Nichtigkeitsgrundes erforderliche strikte Festhalten am gesamten Urteilssachverhalt sowie den Nachweis, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Tatsachensubstrats einem Rechtsirrtum unterlegen oder ihm ein Feststellungsfehler unterlaufen wäre.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Gerhard S*****:

Zum Urteilspunkt I./2. wendet die Rüge zutreffend ein, dass das Erstgericht für seine Feststellung zur objektiven Tatbeteiligung des Angeklagten Gerhard S*****, wonach sich nämlich der Angeklagte Harald P***** vor Vorlage des gefälschten Schecks über 386.472,24 EUR am 1. April 2004 bei der V***** Wien AG an den Angeklagten Gerhard S***** gewandt, der seinerseits den Kontakt zu einem Mitarbeiter des bezeichneten Bankinstituts hergestellt haben soll (US 9), der Bestimmung des § 270 Abs 1 Z 5 StPO zuwider überhaupt keine Gründe angeführt hat (vgl die das Gegenteil bekundende Aussage des Zeugen Martin Z***** [insb S267/III], der allerdings nicht deutlich zu entnehmen ist, ob der Angeklagte S***** allenfalls die Überweisung auch der zweiten Schecksumme urgierte), weshalb dem Urteil Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO anhaftet. Da sich auch die Annahme der Gewerbsmäßigkeit wesentlich auf eine Tatbegehung laut Schuldspruchpunkt I./2. gründet (US 18), ist der Qualifikation nach § 148 zweiter Satz StGB gleichermaßen die Basis entzogen.

Hingegen zeigt der Beschwerdeführer eine darüber hinaus gehende Urteilsnichtigkeit in Ansehung des Schuldspruchpunktes I./1. nicht auf:

Soweit er sich in der Verfahrensrüge (Z 4) auf einen Antrag des Mitangeklagten („neuerliche Ladung des Zeugen S*****" - S 287/III) beruft, dem er sich selbst nicht angeschlossen hat, verfehlt er schon mangels formeller Antragslegitimation sein Ziel (Ratz aaO Rz 324). Ebensowenig wurden durch die kritisierte Abweisung der Anträge auf Einvernahme des „Zeugen H*****" zum Nachweis des „nur kurzen Kontaktes zwischen dem Erst- und Zweitangeklagten" und „dass zum Zeitpunkt der Provisionsvereinbarung die Höhe des Schecks dem Angeklagten nicht bekannt war" sowie auf „Anfrage an das Zentralmeldeamt", zum Beweis dafür, dass der Angeklagte „auch unter dem Namen „H*****" jederzeit ausfindig gemacht …. und seine Identität auch unter dem Namen H***** geklärt hätte werden können" (S 287/III), Verteidigungsrechte verletzt. Denn selbst antragskonforme Beweisergebnisse stehen der Annahme tatbestandsmäßigen Verhaltens logisch nicht entgegen.

Der Beschwerde (Z 5) zuwider vermag die Vielzahl der im Urteil angeführten Tatmodalitäten, etwa die außerordentliche Höhe der vereinbarten Provision, eine „Spezialvollmacht" für den Beschwerdeführer betreffend das eigens zur Erlangung der Schecksumme eingerichtete Konto, sein Agieren unter früherem, zur Tatzeit bereits geändertem Namen, weitere Maßnahmen zur Erschwerung der Ausforschung seines Aufenthaltes und ein von ihm organisierter fingierter Anruf zur Kontaktaufnahme mit einem Mitarbeiter der V***** Wien AG (US 12 f; 8), die Feststellungen zum Wissen (auch) des Angeklagten S***** „über die Unredlichkeit des Schecks" über 465.370,86 EUR (I./1.) zu tragen und stellen keine „Scheingründe" dar.

Soweit die Tatsachenrüge (Z 5a) pauschal auf das Vorbringen der Mängelrüge verweist und „aktenkundige Beweisergebnisse wie oben dargelegt" unsubstantiiert als mit dem Schuldspruch nicht in Einklang zu bringen bezeichnet, werden damit keine sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld im Fall I./1. zu Grunde liegenden Urteilsannahmen aufgezeigt.

Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) mit dem Hinweis auf die Prüfpflicht der Bank gemäß Art 21 SchG die absolute Untauglichkeit des Betrugsversuchs einwendet, genügt es auf die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten P***** zu verweisen. Mit dem gleichfalls gegen die Strafbarkeit des Versuchs laut Urteilspunkt I./1. gerichteten Hinweis darauf, dass die Unterschrift auf der Rückseite der verfahrensgegenständlichen Scheckfälschung später „nachgeholt" wurde (US 8), übergeht der Beschwerdeführer die festgestellten, bis dahin bereits gemeinsam tatplanmäßig gesetzten Täuschungsaktivitäten, die bereits als Ausführungshandlungen zum Betrug zu beurteilen sind.

Mit der Behauptung, die Tätigkeit des Angeklagten sei zur Tatbegehung „im Grund unnötig und nicht kausal" gewesen, entfernt sich die Rüge schließlich von den erstgerichtlichen Urteilsannahmen zum gemeinsamen Tatplan und zur gemeinsamen Ausführung der Tat laut Schuldspruchpunkt I./1. und verfehlt so abermals den notwendigen Vergleich des im Urteil festgestellten Sachverhalts mit dem darauf angewendeten Gesetz.

Es zeigt sich daher, dass in Ansehung des Angeklagten S***** betreffend den Schuldspruchpunkt I./2. und die Annahme gewerbsmäßiger Verübung schwerer Betrügereien die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst noch nicht einzutreten hat.

Im Übrigen waren die Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Daraus folgt die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten P*****. Der Angeklagte S***** war mit seiner Strafberufung auf die Kassation des ihn betreffenden Strafausspruchs zu verweisen.

Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.

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