OGH 8Ob104/05k

OGH8Ob104/05k16.11.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach Walter M*****, vertreten durch die Besorgerin und Verwalterin des Nachlasses Cornelia W*****, diese vertreten durch Dr. Estermann & Partner KEG, Rechtsanwälte in Mattighofen, wider die beklagten Parteien 1. Josef M*****, 2. Maria M*****, beide vertreten durch Denkmayr Schwarzmayr Riess Rechtsanwaltspartnerschaft in Altheim, wegen 17.494,17 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Ried als Berufungsgericht vom 8. Juni 2005, GZ 6 R 56/05k-30, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Mattighofen vom 10. Jänner 2005, GZ 2 C 2367/03p-26, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den Beklagten die mit jeweils 550,54 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten jeweils 91,76 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der 1924 geborene Walter Moser (in der Folge: Übergeber) übergab seinem Sohn, dem Erstbeklagten und seiner Schwiegertochter, der Zweitbeklagten, mit notariellem Übergabsvertrag vom 10. 12. 1979 sein aus mehreren Grundstücken bestehendes Bauerngut.

Punkt 4. des Übergabsvertrages regelt die dem Übergeber zustehenden Ausgedingsleistungen. Darunter fällt (lit a) das ausschließliche Wohnungsrecht an der Ausgedingswohnung, die Verpflegung (lit c) und die Beistellung der notwendigen ärztlichen Hilfe, soweit diese Auslagen nicht durch eine Krankenversicherung gedeckt sind (lit e).

lit d lautet wörtlich wie folgt:

„Die Übernehmer haben dem Übergeber nach dessen Bedarf und Anweisungen, insbesondere im Krankheits- und Gebrechlichkeitsfall alle notwendigen Arbeiten, Handreichungen sowie Dienstleistungen, Fuhrwerke und Botengänge zu verrichten. So sind in diesem Rahmen insbesondere die Ausgedingswohnung aufzuräumen, zu reinigen und zu heizen, die Kleidung des Übergebers, soweit dies beim Haus gemacht werden kann, zu reinigen und auszubessern und den Übergeber selbst im Rahmen der häuslichen Möglichkeiten sorgfältig zu pflegen und zu betreuen."

Der letzte Absatz von Punkt 4. des Übergabsvertrages bestimmt:

„Der Übergeber ist berechtigt, jederzeit und ohne Angabe von Gründen vom Hause wegzuziehen. In diesem Fall werden die bedungenen Naturalien bzw die Verköstigung pauschal in Geld abgelöst.....

Ein Zinsgeld oder eine Ablöse für die persönlichen Dienstleistungen wird ausdrücklich ausgeschlossen, wohl aber ist der Übergeber berechtigt, jederzeit wiederum zum Hause zurückzukehren, weshalb die Auszugswohnung für ihn stets freizubleiben hat. ....."

Der Übergeber wohnte bis 2000 bei den Beklagten. Ab 2000 bis 2003 lebte er bei seiner Lebensgefährtin. Nach einer im Frühjahr 2003 durchgeführten Gallenoperation konnte der Übergeber zunächst nicht nach Hause entlassen werden, weil sich seine Lebensgefährtin selbst im Krankenhaus befand. Der behandelnde Arzt des Übergebers empfahl dessen dauernde Unterbringung im Pflegeheim. Der Übergeber benötigte Hilfe bei der Körperpflege und beim An- und Ausziehen, zuletzt auch beim Essen. Er war hochgradig inkontinent und litt an einer Windeldermatitis. Überdies wurde ein fortgeschrittener hirnorganischer Abbauprozess, der dem klinischen Bild einer senilen Demenz entsprach, festgestellt.

Der Übergeber war ab 11. 3. 2003 bis zu seinem Tod am 21. 4. 2004 in Pflegeheimen untergebracht.

Einer der Brüder des Erstbeklagten, der zu diesem Zeitpunkt einstweiliger Sachwalter des Übergebers war, forderte den Erstbeklagten am 8. 4. 2003 auf, den Übergeber wieder bei sich aufzunehmen und ihn entsprechend dem Übergabsvertrag zu pflegen.

Die Beklagten waren jedoch selbst nicht imstande, die häusliche Pflege des Übergebers zu übernehmen: Der Erstbeklagte ist Epileptiker, die Zweitbeklagte leidet seit 1999 an einer Krebserkrankung. Beide Beklagten waren selbst pflegebedürftig.

Der Übergeber selbst verfügte über ausreichende finanzielle Mittel (drei Pensionen, Ausgedingsleistung), um die Kosten des Pflegeheims zu begleichen. Seine Konten, Wertpapierdepots und Sparbücher wiesen zum 11. 5. 2004 einen Stand von 54.400 EUR auf. Daneben verfügte er noch über einen Bausparvertrag.

Die klagende Verlassenschaft nach dem Übergeber begehrt 17.494,17 EUR an Schadenersatz: Die Beklagten hätten die im Übergabsvertrag vereinbarten Pflegeleistungen trotz Aufforderung verweigert. Dadurch sei dem Übergeber an Pflegeheimkosten ein Schaden in Höhe des Klagsbetrages entstanden.

Die Beklagten wenden ein, eine Vertragsverletzung liege nicht vor. Sie seien selbst schwer krank und zur Pflegeleistung nicht in der Lage gewesen. Eine Abgeltung der Naturalpflege in Geld sei im Übergabsvertrag ausgeschlossen worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es erachtete rechtlich, dass eine Auslegung des Punktes 4 d des Übergabsvertrages ergebe, dass es sich bei den darin vereinbarten Leistungen um höchstpersönliche Dienstleistungen gehandelt habe. Das sei auch aus Punkt 4 e des Übergabsvertrages abzuleiten, weil die dort angeführten Fremdleistungen gerade nicht die Übernahme von Kosten einer Fremdpflege beinhalteten. Bei Abschluss des Übergabsvertrages sei der Fall einer schweren Erkrankung beider Übernehmer nicht bedacht worden. Die Nichterbringung der höchstpersönlichen Pflegeleistungen resultiere aus der schweren Erkrankung der Beklagten, die von ihnen nicht zu vertreten sei. Dem Vertrag müsse nach der Übung des redlichen Verkehrs gemäß § 914 ABGB die Absicht der Parteien unterstellt werden, dass für den Fall der Nichterbringung der höchstpersönlichen Pflegeleistung aufgrund eines Zufalls in der Person der Beklagten die Übernehmer von ihrer Pflegeverpflichtung befreit sein sollten.

Das Berufungsgericht gab der dagegen von der klagenden Partei erhobenen Berufung nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil keine Rechtsprechung dazu vorliege, ob die unverschuldete Unmöglichkeit der Übernahme der Pflege des Übergebers durch die Ausgedingsverpflichteten als „Unvergleichsfall" zu beurteilen sei.

Rechtlich billigte das Berufungsgericht die Rechtsauffassung des Erstgerichtes. Ein sogenannter „Unvergleichsfall" liege vor, wenn der Ausgedingsverpflichtete mit seiner Leistung schuldhaft in Verzug geraten sei oder wenn dem Ausgedingsberechtigten die Annahme der Ausgedingsleistungen - etwa wegen Misshandlungen, Beleidigungen - unzumutbar sei. Stets müsse ein Verschulden des Ausgedingsverpflichteten vorliegen. Das vom Gläubiger wahrgenommene Recht, sich die Naturalleistungen durch Geldleistungen ablösen zu lassen, führe zu einer Umwandlung des Naturalleistungsanspruchs in einen Schadenersatzanspruch. Mangels Verschuldens der Beklagten sei es zu einer Umwandlung des Naturalleistungsanspruches in einen Schadenersatzanspruch nicht gekommen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von der klagenden Partei erhobene Revision ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruches unzulässig.

Das Berufungsgericht hat zutreffend und in Übereinstimmung mit Lehre und Rechtsprechung erkannt, dass der Ausgedingsberechtigte die Ablöse der Naturalleistung in Geld nur verlangen kann, wenn ihm deren Inanspruchnahme wegen vom Übernehmer zu vertretender Umstände billigerweise nicht mehr zugemutet werden kann (RIS-Justiz RS0022521) oder wenn der Verpflichtete mit den Naturalleistungen schuldhaft in Verzug gerät (RIS-Justiz RS0022412). Immer aber hängt der Anspruch auf Geldablöse eines Naturalausgedinges im „Unvergleichsfall" vom Nachweis eines Verschuldens des Übernehmers ab (RIS-Justiz RS0022573; 5 Ob 29/02d; 6 Ob 328/02g).

Ob - was die Vorinstanzen im Hinblick auf die konkrete Vertragsgestaltung mit beachtlichen Argumenten verneinten - ein Recht des Übergebers bestanden hätte, von den Beklagten zu verlangen, dass diese für eine geeignete Vertretung bei der Pflege des Übergebers sorgen, was die Revisionswerberin unter Berufung auf die Entscheidung 3 Ob 22/99k, die allerdings im Exekutionsverfahren erging, bejaht, kann hier dahingestellt bleiben: Die klagende Partei brachte niemals vor, dass die Beklagten zur Betreuung des Klägers unter Zuhilfenahme einer geeigneten Pflegeperson aufgefordert wurden. Es erging lediglich eine Aufforderung zur persönlichen Übernahme der Pflege, der die Beklagten unverschuldet krankheitsbedingt nicht nachkommen konnten.

Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erweist sich die Revision somit als unzulässig.

Die Beklagten haben in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Sie haben daher Anspruch auf Ersatz der Kosten ihrer Beteiligung am Revisionsverfahren gemäß §§ 41, 46, 50 ZPO.

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