OGH 8ObA59/05t

OGH8ObA59/05t16.11.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Ernst Galutschek und Thomas Albrecht als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds, 1040 Wien, Operngasse 21, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Erich Roppatsch, Rechtsanwalt, Spittal an der Drau, Tirolerstraße 8/I, als Masseverwalter im Konkurs der B***** GmbH, vertreten durch Dr. Peter S. Borowan, Dr. Silvia Anderwald, Rechtsanwälte in Spittal an der Drau, wegen 18.341 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 1. Juni 2005, GZ 7 Ra 32/05p-11, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 23. November 2004, GZ 34 Cga 79/04z-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 834,15 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Über die B***** GmbH wurde mit Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt vom 24. 4. 2003 das Konkursverfahren eröffnet. Der Beklagte wurde zum Masseverwalter bestellt. Mit Beschluss vom 15. 5. 2003 genehmigte das Konkursgericht die Unternehmensschließung.

Nach dem Schließungsbeschluss setzte sich der Beklagte mit allen Dienstnehmern der Gemeinschuldnerin in Verbindung. Im Zuge einer Besprechung am 22. 5. 2003 klärte er die Dienstnehmer über die Unternehmensschließung auf. Er wies sie darauf hin, dass er innerhalb der im Gesetz vorgesehenen Frist von einem Monat die Möglichkeit habe, die Dienstverhältnisse durch Kündigung aufzulösen und dass die Dienstnehmer ihrerseits das Dienstverhältnis durch berechtigten vorzeitigen Austritt lösen könnten. Zwei Dienstnehmerinnen erklärten bei dieser Besprechung, dass sie die Möglichkeit hätten, ab 15. 6. 2003 ein anderes Dienstverhältnis einzugehen. Auf den Wunsch dieser Dienstnehmerinnen wurde daher eine Lösung dahin gefunden, dass diese beiden Dienstverhältnisse einvernehmlich zum 14. 6. 2003 beendet wurden. Die vom Beklagten und von den Dienstnehmerinnen am 22. 5. 2003 unterfertigte schriftliche Vereinbarung enthält folgenden Wortlaut:

„....(Dienstnehmer)... nimmt zur Kenntnis, dass mit Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt vom ...............die Schließung des Unternehmens, über dessen Vermögen das Konkursverfahren eröffnet wurde, konkursgerichtlich genehmigt worden ist. Der Dienstnehmer wird darüber aufgeklärt, dass der Masseverwalter nunmehr berechtigt ist, das Dienstverhältnis aufzulösen und gleichzeitig der Dienstnehmer, der den Lohn nicht zur Gänze ausbezahlt erhalten hat, berechtigt ist, aus dem Dienstverhältnis vorzeitig auszutreten. Der Dienstnehmer erklärt nunmehr, einvernehmlich mit dem Masseverwalter...... als Vertreter der Gemeinschuldnerin das bestehende Dienstverhältnis einvernehmlich zum 14. 6. 2003 aufzulösen. Ansprüche, die aus der Beendigung des Dienstverhältnisses entstehen (zB Abfertigungsansprüche) werden vom Dienstnehmer im Konkursverfahren ebenso zur Anmeldung gebracht, wie die bis zum Tag der Konkurseröffnung entstandenen Lohnansprüche....."

Die beiden Dienstnehmerinnen machten im Konkursverfahren jeweils vier Monatsentgelte an Abfertigung als Masseforderung (9.370 EUR netto; 8.971 EUR netto) geltend.

Mit Bescheid vom 28. 8. 2003 wurde den Dienstnehmerinnen Insolvenz-Ausfallgeld als Masseforderung in der begehrten Höhe von 18.341 EUR netto zuerkannt und ausbezahlt.

Der klagende Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds begehrt vom beklagten Masseverwalter die Bezahlung dieses Betrages. Die Ansprüche der Dienstnehmerinnen seien gemäß § 11 Abs 1 IESG ex lege übergegangen. Die Masseforderungen seien nach dem IESG gesichert gewesen. Eine bloße Ausfallshaftung des Klägers liege nicht vor, weil das Konkursgericht weder einen Beschluss auf unbefristete Fortführung des Unternehmens gefasst habe noch ein Ausgleichsverfahren anhängig oder ein Zwangsausgleich in Aussicht gestellt gewesen sei. Die einvernehmliche Beendigung des Dienstverhältnisses im Insolvenzverfahren stelle keine begünstigte Lösung im Sinne des § 25 KO dar.

Der Beklagte wendet ein, die Begünstigung des § 25 KO sei auch im Fall einer einverständlichen Beendigung der Dienstverhältnisse gegeben. Die Kündigungsfrist sei zugunsten der Masse einvernehmlich mit den Dienstnehmern verkürzt worden. Der Beklagte habe eine möglichst masseschonende Beendigung herbeiführen wollen und auch zum Ausdruck gebracht, das Dienstverhältnis gemäß § 25 KO auflösen zu wollen. Die Klägerin sei nicht legitimiert. Ein Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld hätte nur bestanden, wenn der Masseverwalter die Erklärung abgegeben hätte, dass die Masse zur Zahlung nicht oder nicht vollständig in der Lage sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Dem Beklagten sei zu unterstellen, dass er die für die Konkursmasse günstigste Beendigung habe herbeiführen wollen. Zwar sei eine einvernehmliche Auflösung im § 25 KO nicht genannt. Allerdings bestehe keine Verpflichtung des Beklagten, eine wesentlich längere Kündigungsfrist mit wesentlich höheren Ansprüchen gegenüber der Masse und auch der Klägerin in Kauf nehmen zu müssen. Jedenfalls seien die Ansprüche der Dienstnehmerinnen mangels schriftlicher Erklärung des Masseverwalters, zur Zahlung nicht in der Lage zu sein, nicht gesichert gewesen.

Das Berufungsgericht gab der dagegen vom Kläger erhobenen Berufung Folge und änderte das Ersturteil im Sinne einer gänzlichen Klagestattgebung ab. Es sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes dazu, ob eine einvernehmliche Auflösung von Arbeitsverhältnissen im Konkurs einen Anwendungsfall des § 25 Abs 1 KO bilden könne, nicht vorliege.

Rechtlich erachtete das Berufungsgericht den Einwand der mangelnden Aktivlegitimation als unberechtigt: Die angemeldeten Ansprüche der beiden Dienstnehmerinnen seien diesen arbeitsrechtlich zugestanden. Nur darauf stelle die Legalzessionsnorm des § 11 Abs 1 IESG ab. Im Umfang der Bejahung der Sicherung durch den Kläger, die durch den rechtskräftigen Bescheid zum Ausdruck gebracht worden sei, bestehe Bindungswirkung.

Beendigungsansprüche stellten immer dann Masseforderungen dar, wenn der Masseverwalter ein vor Konkurseröffnung eingegangenes Beschäftigungsverhältnis nicht nach § 25 KO, sondern nach allgemeinem Arbeitsrecht auflöse. Darunter falle auch die Mitwirkung an einer einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses. Bei einer solchen handle es sich einerseits um keine Lösung gemäß § 25 KO, andererseits wirke der Masseverwalter durch sein Verhalten an der Beendigung mit.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Beklagten erhobene Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, jedoch nicht berechtigt.

In der Frage der Aktivlegitimation des Klägers teilt der erkennende Senat die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes (§ 510 Abs 3 ZPO). Gemäß § 11 Abs 1 IESG gehen die diesem Bundesgesetz unterliegenden Ansprüche spätestens mit Zahlung des mit Bescheid zuerkannten Insolvenz-Ausfallgeldes auf den Kläger über. Mit dem Übergang ist unbeschadet § 47 Abs 2 KO keine Änderung des Rechtsgrundes, des Ranges oder der Bevorrechtung der Forderung verbunden (§ 11 Abs 1 vorletzter Satz IESG). Nur wenn dem Arbeitnehmer Leistungen gewährt werden, die ihm arbeitsrechtlich gegen den Arbeitgeber nicht zustehen, kommt es zu keiner Legalzession (Holzer/Reissner/Schwarz, Die Rechte des Arbeitnehmers bei Insolvenz, 339). Dieser Fall liegt hier nicht vor. Beurteilt der Fonds arbeitsrechtlich zustehende Ansprüche als gesichert, geht der Anspruch jedenfalls spätestens mit Zahlung des mit Bescheid zuerkannten Insolvenz-Ausfallgeldes auf den Fonds über. Ein Rechtsschutzinteresse des Arbeitgebers, der die vom Fonds zuerkannten Ansprüche arbeitsrechtlich dem Arbeitnehmer jedenfalls schuldet, die Frage der Sicherung dieser geschuldeten Ansprüche nach IESG, die mit rechtskräftigem Bescheid zuerkannt wurden, aufzurollen, ist nicht ersichtlich.

Aber auch inhaltlich ist die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes zutreffend:

Inwieweit gemäß § 11 Abs 1 IESG übergegangene Forderungen Masseforderungen sind, richtet sich nach der Einordnung der Arbeitnehmerforderung nach den maßgeblichen Bestimmungen der AO bzw KO.

Gemäß § 46 Abs 1 Z 3 KO sind Masseforderungen unter anderem die Forderungen der Arbeitnehmer auf laufendes Entgelt für die Zeit nach Konkurseröffnung. Gemäß § 46 Abs 1 Z 3a KO gehören zu den Masseforderungen auch die Beendigungsansprüche, wenn das Beschäftigungsverhältnis vor Konkurseröffnung eingegangen worden ist und danach, jedoch nicht nach § 25 KO durch den Masseverwalter gelöst wurde oder wenn die Beendigung auf eine Rechtshandlung oder ein sonstiges Verhalten des Masseverwalters - insbesondere die Nichtzahlung des Entgelts - zurückzuführen ist und die Lösung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer erfolgt. Korrespondierend bezeichnet § 51 Abs 2 Z 2 KO als Konkursforderungen auch Ansprüche aus der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses a) nach § 25 oder c) wenn das Beschäftigungsverhältnis nach Konkurseröffnung nicht nach § 25 vom Arbeitnehmer (arbeitnehmerähnliche Person) gelöst wird und dies nicht auf eine Rechtshandlung oder ein sonstiges Verhalten des Masseverwalters zurückzuführen ist.

Ist der Gemeinschuldner Arbeitgeber und ist das Arbeitsverhältnis bereits angetreten worden, so kann es innerhalb eines Monats nach öffentlicher Bekanntmachung des Beschlusses, mit dem die Schließung des Unternehmens oder eines Unternehmensbereiches angeordnet, bewilligt oder festgestellt wird oder innerhalb eines Monats nach der Berichtstagsatzung, es sei denn, es wurde dort die Fortführung des Unternehmens auf einstweilen unbestimmte Zeit beschlossen, vom Arbeitnehmer durch vorzeitigen Austritt, wobei die Konkurseröffnung als wichtiger Grund gilt, und vom Masseverwalter unter Einhaltung der gesetzlichen, kollektivvertraglichen oder der zulässigerweise vereinbarten kürzeren Kündigungsfrist unter Bedachtnahme auf die gesetzlichen Kündigungsbeschränkungen gelöst werden.

Es entspricht der herrschenden Lehre, dass die Mitwirkung des Masseverwalters an einer einvernehmlichen Auflösung dazu führt, dass daraus resultierende Beendigungsansprüche der Arbeitnehmer Masseforderungen darstellen (Konecny, Beendigungsansprüche der Arbeitnehmer im Konkurs, ZIK 1997, 160 [163]; Liebeg, Die Rechtsstellung der Arbeitnehmer in Insolvenzverfahren nach dem IRÄG 1997, RdW 1997, 540 [542]; Nunner, Die Beendigung von Arbeitsverhältnissen im Konkurs nach dem IRÄG 1997, WBl 1997, 313 [322]; Weber, Beendigungsansprüche bei Konkurs des Arbeitgebers, ecolex 1998, 568 [569]; Dies., Arbeitsverhältnisse im Insolvenzverfahren, 124; Schnetzinger, Die Auflösung der Arbeitsverhältnisse im Konkurs nach dem IRÄG 1997, ZIK 1998, 7 [9]); Grießer, Die wesentlichen arbeitsrechtlichen Änderungen des IRÄG 1997, ZAS 1998, 1 [7]. Dabei ist es generell gleichgültig, zu welchem Zeitpunkt des Konkursverfahrens die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach allgemeinen Arbeitsrecht erfolgt: Auch wenn eine Beendigung gemäß § 25 KO möglich gewesen wäre, führt eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses außerhalb des § 25 KO dazu, dass entstehende Beendigungsansprüche als Masseforderungen zu qualifizieren sind (Konecny aaO mH auf Mohr, Das Insolvenzrechts-Änderungsgesetz 1997, 41 und auf ErläutRV 734 BlgNR 20. GP 38). Auch der Oberste Gerichtshof hat grundsätzlich für die Einordnung von Beendigungsansprüchen als Konkursforderung daran festgehalten, dass dies nur dann der Fall sein kann, wenn die Kündigung nach § 25 KO erfolgt (8 ObA 126/02s = ZIK 2003/183 mwN). Nur für den Fall, dass der Masseverwalter seine Kündigung zwar auf § 25 KO stützte, die dort genannten Voraussetzungen auch vorlagen, der Masseverwalter allerdings irrtümlich zeitwidrig kündigte, wurden die Beendigungsansprüche als Konkursforderungen qualifiziert, weil davon auszugehen sei, dass ein Masseverwalter, der seine Kündigung auf § 25 KO stützt, die Absicht habe, möglichst masseschonend zu kündigen und er den unrichtigen Termin nur irrtümlich genannt habe (8 ObS 291/00b = SZ 74/60; siehe auch 8 ObA 70/01d; kritisch dazu Liebeg, Fristwidrige Kündigungen durch den Masseverwalter?, ASoK 2002, 247; Peschorn, Zeitwidrig begünstigte Kündigungen nach § 25 KO, ZIK 2002/106). Mit diesen Fällen ist der vorliegende Fall aber nicht zu vergleichen: Hier wurde zwar vor einvernehmlicher Beendigung der Dienstverhältnisse über eine mögliche Lösung nach § 25 KO gesprochen. Die tatsächlich vereinbarte einvernehmliche Beendigung nimmt aber auf § 25 KO nicht einmal Bezug, sodass schon aus diesem Grund die vom Beklagten gewünschte Auslegung ausscheidet, die Dienstverhältnisse seien vom Masseverwalter nach § 25 KO, allerdings unter einvernehmlicher Verkürzung der Kündigungsfrist, gelöst worden (vgl dazu Grießer aaO).

Ob der Beklagte subjektiv die Absicht hatte, bei der einvernehmlichen Beendigung der Dienstverhältnisse „möglichst masseschonend" vorzugehen, ist nicht maßgeblich. Bei der einvernehmlichen Auflösung eines Dienstverhältnisses handelt es sich nach dem insoweit klaren Wortlaut des § 25 KO um keine Auflösung im Sinne dieser Gesetzesstelle. Die einvernehmliche Beendigung des Dienstverhältnisses ist daher unter § 46 Abs 1 Z 3 lit a KO zu subsumieren. Diese mit dem Wortlaut der gesetzlichen Regelungen im Einklang stehende Auslegung ist auch sachlich gerechtfertigt, weil die Konkursmasse vom ersten Tag an für Handlungen des Masseverwalters voll einzustehen hat, soferne der Gesetzgeber nicht ausnahmsweise das Entstehen von Konkursforderungen noch im Konkursverfahren anordnet (s. auch Konecny aaO). Einzig Engelhart (in Konecny/Schubert, Kommentar zu den Insolvenzgesetzen, § 46 KO Rz 262) unterstellt die Beendigung durch einvernehmliche Lösung bei Vorliegen aller anderen Voraussetzungen dem § 25 KO, beruft sich dabei aber unzutreffend auf Konecny und Weber, die beide - wie dargelegt - für die Qualifikation von Beendigungsansprüchen bei einvernehmlicher Lösung des Dienstverhältnisses als Masseforderungen eintreten.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

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