OGH 11Os85/05t

OGH11Os85/05t15.11.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. November 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Eck als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Tanja S***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB sowie anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Wiener Neustadt vom 2. Juni 2005, GZ 38 Hv 126/04z-148, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Tanja S***** wurde mit Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Wiener Neustadt vom 29. Juni 2004 (ON 119) aufgrund des Wahrspruchs der Geschworenen der Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB (A I) und der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (A II) sowie des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG (B) schuldig erkannt.

Mit Erkenntnis vom 19. Oktober 2004, AZ 11 Os 108/04 (ON 133), hob der Oberste Gerichtshof dieses Urteil in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten - unter Aufrechterhaltung der Schuldsprüche A II sowie B und des Wahrspruchs der Geschworenen zur Hauptfrage nach dem Verbrechen des Mordes sowie zu den darauf bezogenen Zusatzfragen nach dem Rechtfertigungsgrund der Notwehr und dem Schuldausschließungsgrund der Zurechnungsunfähigkeit - im Schuldspruch A I sowie demzufolge auch im Strafausspruch auf und verwies die Strafsache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurück. In der Begründung führte er aus, dass die Geschworenen die Zusatzfrage nach den Voraussetzungen des § 8 StGB nicht beantwortet hatten. Er setzte fest, dass im zweiten Rechtsgang - ausgehend von der unberührt gebliebenen Bejahung der Hauptfrage nach dem Verbrechen des Mordes - eine (zusammengefasste) Zusatzfrage nach den Strafausschließungsgründen (iwS) des Notwehrexzesses aus asthenischem Affekt (§ 3 Abs 2 StGB) und der irrtümlichen Annahme einer Notwehrsituation (§ 8 erster Satz StGB) zu stellen ist, und verlangte für den Fall deren Bejahung ferner Eventualfragen nach dem Vergehen der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen infolge fahrlässiger Notwehrüberschreitung, fahrlässig irrtümlicher Annahme einer Notwehrsituation und fahrlässiger Putativnotwehrüberschreitung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Urteil wurde Tanja S***** (im zweiten Rechtsgang erneut) des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und - überflüssigerweise sowie rechtlich verfehlt, jedoch der Aufhebung durch ein Vorgehen nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO nach ständiger Judikatur nicht bedürftig (RZ 1980/14, 87; zuletzt 11 Os 70/03) - in Wiederholung des bereits im ersten Rechtsgang in (Teil-)Rechtskraft erwachsenen Schuldspruchs wegen des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB sowie des Vergehens nach § 50 Abs 2 Z 2 WaffG schuldig erkannt.

Danach hat sie - soweit hier von Relevanz - Christian S***** durch einen Schuss aus einer Schrotflinte in den Nackenbereich vorsätzlich getötet.

Diesem Schuldspruch lag die im Wahrspruch der Geschworenen vorgenommene Verneinung der zusammengefassten Zusatzfrage nach den Strafausschließungsgründen des § 3 Abs 2 und des § 8 erster Satz StGB zugrunde.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen dieses Urteil aus Z 6 und 8 des § 345 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten kommt keine Berechtigung zu. Die Fragenrüge (Z 6) verfehlt die prozessordnungskonforme Darstellung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes, indem sie den Einwand unzureichender Konkretisierung der Zusatzfrage an die Geschworenen nicht aus dem Gesetz ableitet.

Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass - wie schon aus dem Wortlaut des § 313 StPO folgt - echte Zusatzfragen auf das Vorliegen der gesetzlichen Kriterien des jeweiligen Strafausschließungsgrundes schlechthin, nicht jedoch auf ein diesbezügliches Tatsachensubstrat zu richten sind (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 619; Schindler, WK-StPO § 313 Rz 23; 12 Os 148/04).

Der in der Instruktionsrüge (Z 8) erhobene Einwand mangelnder Erläuterung des Fahrlässigkeitsbegriffes bezieht sich auf die infolge Bejahung der Zusatzfrage (fortlaufende Zahl 1 des Fragenschemas) gar nicht aktuellen Eventualfragen (fortlaufende Zahlen 2 bis 4) und hätte solcherart zur gesetzmäßigen Ausführung darlegen müssen, inwiefern sich die behauptete Unrichtigkeit der Rechtsbelehrung auf die Beantwortung der (echten) Zusatzfrage ausgewirkt haben soll (vgl 14 Os 156/98, 13 Os 38/01).

Das Vorbringen, die Rechtsbelehrung zur Putativnotwehr erschöpfe sich weitgehend in der Wiedergabe der verba legalia, entspricht ebenfalls nicht dem Gesetz, weil es den vermissten Belehrungsinhalt nicht deutlich und bestimmt bezeichnet (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 65; 13 Os 82/02).

Korrespondierendes gilt für den Beschwerdeeinwand, der Schwurgerichtshof hätte in der im zweiten Rechtsgang (ergänzend) verfassten Rechtsbelehrung (S 425 f/V) nicht auf jene des ersten Rechtsgangs (S 171 bis 227/V) verweisen dürfen, sondern eine auf die im zweiten Rechtsgang gestellten Fragen an die Geschworenen „zugeschnittene" Rechtsbelehrung erteilen müssen. Für die in diesem Zusammenhang geäußerte Behauptung, die Geschworenen seien „möglicherweise" nicht in der Lage gewesen, die - im Übrigen (auch) in dieser Hinsicht mängelfreie (S 203 bis 207, 215 bis 219/V) - Rechtsbelehrung auf die zu beantwortenden Fragen „umzusetzen", lässt die Rüge jede Begründung vermissen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß §§ 285d Abs 1, 344 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Berufungen kommt somit dem Gerichtshof zweiter Instanz zu (§§ 285i, 344 StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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