OGH 7Ob171/05f

OGH7Ob171/05f9.11.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****bau GmbH, ***** vertreten durch Dr. Julia Hagen und Mag. Martin Künz, Rechtsanwälte in Dornbirn, gegen die beklagte Partei W***** Versicherungs AG, ***** vertreten durch Simma Rechtsanwälte Partnerschaft in Dornbirn, wegen restlicher EUR 10.587,48 sA, über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse EUR 7.985,36) gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 1. April 2005, GZ 4 R 47/05a-69, womit das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 15. November 2004, GZ 7 Cg 135/00y-64, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 624,06 (darin enthalten EUR 104,01 an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Das Berufungsgericht erklärte in Abänderung seines Ausspruches die ordentliche Revision für zulässig, weil es nicht ohne weiteres auf oberstgerichtliche Entscheidungen zu einem vergleichbaren Sachverhalt und Verfahrensablauf habe zurückgreifen können und hier die Frage eines allfälligen Mangels des Berufungsverfahrens zu prüfen sei. Einleitend ist zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 8. Juli 2002, 7 Ob 63/02v, im ersten Rechtsgang zu verweisen. Der Entscheidung lag die von der Beklagten damals nicht bekämpfte Feststellung zugrunde, dass die von der Klägerin hergestellte Baugrube für durchschnittliche Regenmengen ausreichend und richtig angelegt worden war und es nur aufgrund von außergewöhnlich starken Niederschlägen zu Hangrutschungen kam, die die Baugrube zum Teil wieder zuschüttete und Bauarbeiten der Klägerin zunichte machte. Der Oberste Gerichtshof kam im Rahmen dieser Entscheidung zu dem Ergebnis, dass die Beklagte grundsätzlich nach dem zugrunde liegenden Bauwesenversicherungsvertrag jene Schäden zu decken hat, die durch die überdurchschnittlichen Niederschläge an den bereits erbrachten Bauleistungen entstanden sind. Zu prüfen blieb nur - wie ausdrücklich hervorgehoben wurde - ob die bereits feststehenden Obliegenheitsverletzungen (Unterlassen der Erstattung einer schriftlichen bzw den Versicherungsfall konkret wiedergebenden Schadensmeldung und der Herstellung von Lichtbildern von den durch die Hangrutschung entstandenen Schäden) von der Klägerin mit Täuschungs- bzw Verschleierungsvorsatz (dolus coloratus) begangen worden seien, wobei verneinendenfalls im Rahmen des Kausalitätsgegenbeweises festzustellen sei, welches Schadensbild dennoch jetzt noch bewiesen werden könne.

Die Revisionswerberin macht nun geltend, sie wäre im ersten Rechtsgang nicht in der Lage gewesen, zu erkennen, ob die Baugrube ordnungsgemäß abgesichert gewesen sei oder nicht. Erst im Zuge des Beweisverfahrens im Rahmen des Kausalitätsgegenbeweises sei ihr dies möglich gewesen, sodass sie jetzt berechtigt sei, die von ihr im ersten Rechtsgang unbekämpfte Feststellung über die Ordnungsgemäßheit der Bauleistung im zweiten bzw dritten Rechtsgang zu bekämpfen.

Rechtliche Beurteilung

Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass in einer aufhebenden Entscheidung wie hier mit Beendigung des ersten Rechtsganges abschließend erledigte Streitpunkte nicht mehr aufgerollt werden dürfen, es sei denn, es handelt sich um Tatsachen, die erst nach Schluss der Verhandlung im ersten Rechtsgang neu entstanden sind. Das Verfahren im zweiten Rechtsgang ist stets auf den von der Aufhebung ausdrücklich betroffenen Teil zu beschränken (1 Ob 274/99x, 7 Ob 6/04i [ausdrücklich zum dolus coloratus], 3 Ob 178/04d, 9 Ob 7/05b ua; RIS-Justiz RS0042031). Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, dass die Beklagte im zweiten und dritten Rechtsgang nach Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen nicht mehr eine von ihr unbekämpft gelassene Feststellung bekämpfen kann, hält sich also im Rahmen der dargelegten Judikatur. Der Beklagten wäre es jederzeit freigestanden, im ersten Rechtsgang die Feststellung, dass die Bauleistungen von der Klägerin ordnungsgemäß erbracht wurden, in Zweifel zu ziehen und eine Überprüfung dieser Feststellung zu veranlassen. Dies hat sie jedoch nicht getan. Die Tatsache, in welchem Zustand die Bauleistungen waren, ist nicht erst nach Schluss der Verhandlung, im Rahmen des Verfahrens zum Kausalitätsgegenbeweis entstanden. Es ist der Beklagten daher verwehrt, Feststellungen, die der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in seinem Aufhebungsbeschluss 7 Ob 63/02v zugrunde gelegt wurden, im weiteren Rechtsgang durch neues Vorbringen und Beweismittel zu bekämpfen. Weiters macht die Revisionswerberin geltend, dass das Berufungsgericht von seiner Entscheidung im zweiten Rechtsgang abgewichen sei. Dies habe dazu geführt, dass die Beklagte von einem relevanten Beweisanbot zum „alten Versicherungsfall" ausgeschlossen worden sei, weshalb das Erstgericht zu der Meinung gelangen habe können, dass kein Täuschungsvorsatz vorliege.

Das Erstgericht stellte im zweiten Rechtsgang zur Frage des Täuschungsvorsatzes fest, „dass die Klägerin es bei Begehung der Obliegenheitsverletzungen nicht als naheliegend angesehen habe und dies auch nicht hinzunehmen gewillt gewesen sei, dass die Beklagte nicht mehr in der Lage sein werde, den tatsächlich eingetretenen Schaden zu erfassen". Sie habe vielmehr die unverzügliche schriftliche Schadensmeldung und das Herstellen der Lichtbilder deshalb unterlassen, „weil sie dies aufgrund einer vergleichbaren Schadensabwicklung im Jahr 1997 nicht für nötig gehalten habe". In der rechtlichen Beurteilung verwies das Erstgericht darauf, dass die verspätete schriftliche Schadensmeldung im Jahr 1997 akzeptiert worden sei, sodass der klagenden Partei keine auffallende Sorglosigkeit zur Last liege. Es handle sich um eine einfache Fehlleistung. Das Nichtherstellen der Lichtbilder sei jedoch als grobe Sorgfaltswidrigkeit zu qualifizieren.

In ihrer Berufung verwies die Beklagte darauf, dass eine Vergleichbarkeit der Sachverhalte nicht gegeben sei. Sie machte Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend. Der Erstrichter hätte gemäß § 182a ZPO mit der Beklagten das Sach- und Rechtsvorbringen erörtern müssen. Die Beklagte hätte dann auf Beilage ./O und die Aussage ihres Geschäftsführers verweisen können, dass es sich im Jahr 1997 um einen kleineren Schadensfall gehandelt habe, sodass keine Vergleichbarkeit der Fälle vorliege. Weiters wurde auch die Beweiswürdigung bekämpft, dass die Sachverhalte vergleichbar wären.

Das Berufungsgericht sprach im zweiten Rechtsgang aus, dass die Abwicklung bei einem früheren Schadensfall nicht zu einer Entbindung der Klägerin von Obliegenheiten führe und dass bereits vom objektiven Vorliegen zweier Obliegenheitsverletzungen nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zu 7 Ob 63/02v bindend auszugehen sei. Das Vorbringen der Klägerin, das darauf abziele, dass auf die Einhaltung der Obliegenheiten verzichtet worden sei, sei hier nicht relevant. Die bekämpften Feststellungen des Erstgerichtes in diesem Zusammenhang wurden als nicht entscheidungswesentlich nicht geprüft (Berufungsurteil 4 R 102/04p Seite 7 zum Verfahrensmangel und Seite 9 zur Beweisrüge).

Aus den Ausführungen des Berufungsgerichtes ergibt sich sohin, dass es den behaupteten Verfahrensmangel und die Beweisrüge nur im Zusammenhang mit dem von der Klägerin nach dem Aufhebungsbeschluss des Obersten Gerichtshofes 7 Ob 63/02v erstatteten Vorbringen, die Beklagte habe auf die Einhaltung der Obliegenheiten verzichtet, prüfte.

Die Feststellungen des Erstgerichtes zum Themenkreis Täuschungsvorsatz der Versicherungsnehmerin wurden nun im dritten Rechtsgang dahingehend präzisiert, dass die Klägerin durch die Obliegenheitsverletzungen nicht die Beweislage zum Nachteil der Beklagten verschlechtern oder diese in die Irre führen habe wollen. Sie habe lediglich aufgrund der früheren Schadensabwicklung die Ansicht vertreten, dass die Einhaltung der Obliegenheiten nicht notwendig seien.

Im dritten Rechtsgang bekämpft die Beklagte zwar die Feststellungen, dass nämlich die Klägerin nicht in Täuschungs- bzw Verschleierungsvorsatz gehandelt habe, verwies jedoch nur auf die Entscheidung des Berufungsgerichtes im zweiten Rechtsgang, ohne zu erkennen, dass nunmehr nicht neuerlich über einen Verzicht der Beklagten auf die Einhaltung der Obliegenheiten abgesprochen wurde, sondern es um die Feststellung geht, dass die Mitarbeiter der Klägerin aufgrund der früheren Schadensabwicklung subjektiv der Auffassung gewesen seien, dass sie diese Obliegenheiten nicht einhalten müssten. Damit steht aber auch ausdrücklich fest, dass die Klägerin nicht in Verschleierungs- oder Täuschungsabsicht gehandelt hat. Diese Feststellung hätte die Beklagte mit einer ordnungsgemäßen Beweisrüge bekämpfen müssen und nicht auf Ausführungen des Berufungsgerichtes zu einer anderen Rechtsfrage verweisen dürfen. Die Beweisrüge muss, damit sie nach ständiger Rechtsprechung gesetzmäßig ausgeführt ist, nicht nur angeben, welche konkrete Feststellung bekämpft wird, sondern auch infolge welcher unrichtigen Beweiswürdigung sie getroffen wurde und welche Feststellung stattdessen aufgrund welcher Beweisergebnisse und Erwägungen begehrt werde (RIS-Justiz RS0041835; Kodek in Rechberger² § 471 ZPO, Rz 8). Da die Beweisrüge der Beklagten den Erfordernissen nicht entsprochen hat, war sie nicht gesetzmäßig ausgeführt, sodass sich die Entscheidung des Berufungsgerichtes im Rahmen der Rechtsprechung hält.

Es stand der Beklagten während des gesamten dritten Rechtsganges frei, zur Frage des Vorliegens eines Täuschungs- bzw Verschleicherungsvorsatzes Beweisanbot zu erstatten und ihr nicht genehme Feststellungen entsprechend gesetzmäßig zu bekämpfen, zumal ja diese Frage Gegenstand des Aufhebungsbeschlusses des Obersten Gerichtshofes war.

Da sich die Entscheidung des Berufungsgerichtes im Rahmen der Rechtsprechung hält, liegen keine erheblichen Rechtsfragen vor. Die Revision war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

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