OGH 4Ob188/05h

OGH4Ob188/05h8.11.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei e***** GmbH, *****, vertreten durch Frieders, Tassul & Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. W***** GmbH, *****, 2. F***** GmbH, *****, beide vertreten durch Ploil Krepp & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung, Beseitigung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 50.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 1. August 2005, GZ 5 R 87/05h-14, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2und § 521a Abs 2 ZPO abgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1) Das Sicherungsbegehren zählt einzelne verbotene Behauptungen und Ankündigungen beispielsweise auf und verknüpft sie zum Teil mit „und" (das bedeutet, dass ein Verstoß nur vorliegt, wenn sämtliche Behauptungen erhoben werden), zum Teil mit „und/oder" (dies bewirkt, dass gegen die einstweilige Verfügung schon dann verstoßen wird, wenn auch nur eine der angeführten Behauptungen erhoben wird, vgl 4 Ob 32/05y). Entgegen der in der Zulassungsbeschwerde vertretenen Auffassung wird die Unterlassungspflicht in beiden Varianten so deutlich umschrieben, dass ihre Verletzung im Exekutionsverfahren eindeutig festgestellt werden kann (vgl RIS-Justiz RS0000878). Der Exekutionstitel ist damit auch in seinem konkrete Einzelverbote aufzählenden Teil ausreichend bestimmt.

2) Die Beklagten machen geltend, dass der angefochtene Beschluss von der Rechtsprechung abweiche, wonach Richter die Wirkung einer Werbung nur dann selbst beurteilen dürfen, wenn sie den angesprochenen Verkehrskreisen angehören. Sie zitiert die Entscheidung 4 Ob 45/97i = ÖBl 1998, 238 - Zocord R. In diesem Fall ging es nicht um das inhaltliche Verständnis der in der Werbung verwendeten Analysen und Studien, so dass das fachliche Verständnis der von der Werbung angesprochenen Ärzte nicht maßgebend war. Es wurde daher dort ausgesprochen, dass die Frage, ob Fachkreise durch eine Werbebehauptung in Irrtum geführt werden können, eine Rechtsfrage ist, wenn es nicht auf das fachliche Verständnis der Angesprochenen, sondern auf die psychologische Wirkung der Werbebotschaft ankommt. Die Auffassung des Rekursgerichts, auch im Anlassfall sei das fachliche Verständnis der angesprochenen Tierärzte nicht gefordert, hält sich im Rahmen dieser Rechtsprechung. Ist aber für die Beurteilung der Wirkung einer Werbeaussage kein fachliches Verständnis notwendig, sondern genügen die Erfahrungen des täglichen Lebens, dann handelt es sich dabei um eine Rechtsfrage (4 Ob 45/97i = ÖBl 1998, 238 - Zocord R; 4 Ob 241/02y; RIS-Justiz RS0075798 [2]). Der Mitteilungsgehalt einer komplexen Angabe ist anhand ihres Gesamteindrucks zu erschließen. Gesamteindruck einer Ankündigung und ihr Gesamtinhalt sind jedoch nicht immer identisch. Stellt der Werbende Teile seiner Ankündigung blickfangartig heraus, so richten sich Gesamteindruck und Irreführungseignung nach diesen Teilen (Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht³ 523; Fitz/Gamerith, Wettbewerbsrecht³ 12; 4 Ob 201/01i; vgl RIS-Justiz RS0078542).

Das Rekursgericht stützt sich bei seiner Entscheidung auf die Gestaltung des Werbevergleichs zwischen zwei Impfstoffen. Seine Auffassung, die Werbung stelle einzelne Aussagen blickfangartig heraus und lasse - unabhängig vom Inhalt der im Übrigen nur ihrem Titel nach zitierten fachlichen Studie - den Eindruck entstehen, der Impfstoff der Beklagten sei geeignet, das Sterben von Schweinen in Verbindung mit dem Circo-Virus (PCV 2) zu verhindern, dieser Eindruck sei irreführend, weil nach dem Bescheinigungsergebnis kein Impfstoff gegen das genannte Virus zur Verfügung stehe, überschreitet den ihm in dieser Frage offen stehenden Ermessensspielraum nicht.

3) Der Vorwurf der Zulassungsbeschwerde, das Rekursgericht habe das Ergebnis der in der Werbung zitierten Studie - obwohl es unstrittig sei - nicht berücksichtigt und damit die Bescheinigungslast verkannt, ist unbegründet. Das von der Klägerin zugestandene Ergebnis der Studie (Klage S. 14), bei der nicht der Impfstoff der Klägerin verwendet worden ist, beschränkt sich nämlich auf den Umstand, dass sowohl Impfungen mit einem Carbopol-adjuvantierten Impfstoff (wie das Produkt der Beklagten) als auch Impfungen mit einem Öl-in-Wasser-adjuvantierten Impfstoff (wie das Produkt der Klägerin) einen Rückgang weißer Blutkörperchen in den Lymphknoten auslösen, der noch nach 21 Tagen bei beiden Impfstoffen gleich stark ist; erst nach 35 Tagen erhöht sich dieses Defizit bei Verwendung eines bestimmten Öl-in-Wasser-adjuvantierten Impfstoffs (der jedoch nicht jener der Klägerin ist). Diesem Studienergebnis kann nun aber die ganz allgemeine Aussage, mögliche negative Effekte hielten nach einer Impfung mit jedem Öl-in-Wasser-adjuvantierten Produkt - also auch jenem der Klägerin - länger an als nach der Impfung mit dem Impfstoff der Beklagten, nicht entnommen werden. Dass jener Impfstoff, der Gegenstand der zitierten Studie war, unterschiedslos dieselbe Zusammensetzung aufweise wie das Produkt der Klägerin, haben die Beklagten weder behauptet, noch ist dies bescheinigt. Damit ist ihnen aber der von ihnen zu führende Entlastungsbeweis nicht gelungen, der durch ihre Werbung hervorgerufene Eindruck - sämtliche Impfstoffe nach Art jenes der Beklagten seien weniger belastend für den Organismus als Impfstoffe nach Art jenes der Klägerin - entspreche der Wirklichkeit.

4) Soweit die Rechtsmittelwerber davon ausgehen, die beanstandete Werbung werde insgesamt (nur) dahin verstanden, ihr Impfstoff bedeute „eine geringere Belastung für das Immunsystem eines PCV 2-infizierten Schweins", sind sie auf den vom Rekursgericht gewonnenen anderen Eindruck der Ankündigung zu verweisen, der sich - wie zuvor zu 2) ausgeführt - im Rahmen einer vertretbaren Rechtsansicht hält. Die Revisionsrekursbeantwortung wurde erstattet, noch bevor der Beklagten eine Mitteilung des Obersten Gerichtshofs, dass dem Revisionsrekursgegner die Beantwortung des Revisionsrekurses freigestellt werde, zuging; sie war damit nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig (§ 521a Abs 2 ZPO iVm § 508a Abs 2 ZPO).

Stichworte