OGH 5Ob134/05z

OGH5Ob134/05z18.10.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann, Dr. Hurch, Dr. Kalivoda und Dr. Höllwerth als weitere Richter in der Pflegschaftssache des am ***** geborenen Mj. Benjamin E*****, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt, Bereich Jugend und Familie, 9010 Klagenfurt, Völkermarkter Ring 19, über den ordentlichen Revisionsrekurs des Vaters Gustav E*****, vertreten durch Dr. Dieter Sima, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt vom 9. Februar 2005, GZ 4 R 32/05f-51, mit welchem der Beschluss des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 29. September 2004, GZ 1 P 200/00p-47, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen die bereits in Rechtskraft erwachsene Erhöhung des Unterhaltsbeitrags auf monatlich 143 Euro ab 1. 10. 2004 richtet, zurückgewiesen.

Im übrigen Umfang wird dem Revisionsrekurs Folge gegeben.

Der Beschluss des Rekursgerichts wird dahin abgeändert, dass er wie folgt zu lauten hat:

„Der Beschluss des Erstgerichts wird im Umfang der Abweisung des Unterhaltserhöhungsbegehrens um weitere monatlich 147 Euro auf insgesamt 290 Euro ab 1. 10. 2004 zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgehoben."

Text

Begründung

Gustav E*****, war zuletzt verpflichtet, für seinen Sohn Benjamin E*****, einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 105,38 Euro zu zahlen. Seit 1. 10. 2004 ist der Vater nur mehr für diesen Sohn unterhaltspflichtig. Der Vater bezieht im monatlichen Durchschnitt einschließlich Sonderzahlungen eine Nettopension von 992,09 Euro.

Das Kind begehrte die Erhöhung der vom Vater zu leistenden monatlichen Unterhaltsbeiträge ab 1. 10. 2004 von 105,38 Euro auf 290 Euro.

Das Erstgericht erhöhte den Unterhaltsbeitrag ab 1. 10. 2004 auf 143 Euro und wies das Mehrbegehren auf Unterhaltserhöhung um weitere 147 Euro auf insgesamt 290 Euro ab. Das Erstgericht nahm in tatsächlicher Hinsicht an, es würden den Vater krankheitsbedingte Aufwendungen von im Monat durchschnittlich 275 Euro treffen. Rechtlich ging das Erstgericht von einer Unterhaltsbemessungsgrundlage von 717,09 Euro (= 992,09 Euro Pension abzüglich 275 Euro krankheitsbedingte Ausgaben) sowie einer Unterhaltsquote von 20 % aus, ermittelt demnach einen Unterhaltsbeitrag von 143 Euro und erachtete das Mehrbegehren des Kindes für überhöht. Die Stattgebung des Erhöhungsbegehrens auf 143 Euro erwuchs unbekämpft in Rechtskraft.

Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel des Kindes dahin Folge, dass es den vom Vater ab 1. 10. 2004 zu leistenden monatlichen Unterhaltsbeitrag auf 250 Euro erhöhte und dem Erstgericht im Umfang des restlichen Erhöhungsbegehrens um weitere 40 Euro die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auftrug. In tatsächlicher Hinsicht erachtete das Rekursgericht insbesondere die Höhe der vom Erstgericht mit durchschnittlich 275 Euro monatlich angenommenen krankheitsbedingten Aufwendungen des Vaters und dessen allfällige Möglichkeit, eine monatliche Mietbeihilfe von 120 Euro zu erlangen, für klärungsbedürftig. Rechtlich erwog das Rekurgericht, angesichts der nur beschränkten Leistungsfähigkeit des Vaters dürfe diesem von seinem Einkommen nur belassen werden, was zur Erhaltung „seiner Körperkräfte und seiner geistigen Persönlichkeit" unbedingt notwendig sei. Nach diesen strengen Kriterien könne der Vater, selbst wenn man (vorerst nur) von 717,09 Euro als Unterhaltsbemessungsgrundlage ausginge, jedenfalls einen monatlich Unterhaltsbeitrag von 250 Euro leisten und mit dem Restbetrag von 427 Euro (richtig: 467,09 Euro) das Auslangen finden; für die Beurteilung des Mehrbegehrens auf Unterhaltserhöhung um weitere 40 Euro seien die genannten Tatfragen näher klärungsbedürftig. Das Rekursgericht sprach - auf Grund eines nachträglichen Antrags nach § 14a AußStrG aF - aus, der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 5 Ob 48/04a die Belastungsgrenze für den Unterhaltsschuldner mit - gegenüber der bisherigen höchstgerichtlichen Judikatur und entgegen dem vom Rekursgericht vertretenen Standpunkt - deutlich höheren 600 Euro angenommen habe.

Gegen die 140 Euro übersteigende Erhöhung seiner Unterhaltsbeitragspflicht richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Antragsabweisung; hilfsweise stellt der Vater auch einen Aufhebungsantrag.

Dem Minderjährigen wurde freigestellt, sich binnen 14 Tagen durch einen direkt beim Obersten Gerichtshof einzubringenden Schriftsatz zum Revisionsrekurs des Vaters zu äußern.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Vaters ist unzulässig, soweit er sich gegen die bereits in Rechtskraft erwachsene Erhöhung seiner Unterhaltspflicht auf monatlich 143 Euro richtet und eine Unterhaltserhöhung auf lediglich 140 Euro anstrebt. Im Übrigen ist der Revisionsrekurs zulässig, weil das Rekursgericht die Belastungsgrenze für den unhaltspflichtigen Vater zu niedrig angesetzt hat; das Rechtsmittel ist insoweit berechtigt, als dem Erstgericht im Umfang des 143 Euro übersteigenden Teils des Unterhaltserhöhungsbegehrens die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen ist.

Die „Revisionsrekursbeantwortung" des Minderjährigen ist verspätet.

1. Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Judikatur zu Fragen der Bemessung gesetzlicher Unterhaltsansprüche stets daran festgehalten, dass der dem Verpflichteten nach § 291b Abs 2 EO zu belassende unpfändbare Freibetrag eine Orientierungshilfe für die Bestimmung der Belastungsgrenze beim Unterhaltsschuldner bildet, diese Grenze jedoch nach Maßgabe des § 292b Z 1 EO unterschritten werden kann, wenn laufende gesetzliche Unterhaltsforderungen durch die Exekution nicht zur Gänze hereingebracht werden können (vgl RIS-Justiz RS0047455). Das dem Unterhaltsschuldner unbedingt zu belassende Existenzminimum kann daher unter dem nach § 291b Abs 2 EO zu errechnenden Betrag (dem entsprechenden Ansatz der jeweils aktuellen ExMinV) liegen. Am Grundsatz, dass sich der Unterhaltsschuldner strenge Einschränkungen bei der Befriedigung seiner eigenen Bedürfnisse gefallen lassen muss, um den (die) Unterhaltsberechtigte(n) an den zur Verfügung stehenden Ressourcen teilhaben zu lassen, ist ebenfalls festzuhalten. Bei der Unterhaltsbemessung ist also, wenn laufende gesetzliche Unterhaltsforderungen mangels vorhandener Mittel nicht in einer den Lebensbedarf deckenden Höhe gewährt werden können, in sinngemäßer Anwendung des § 292b Z 1 EO zu ermitteln, welche Einschränkungen der Unterhaltspflichtige hinnehmen muss, um seinen Alimentationsverpflichtungen nach Kräften nachzukommen (5 Ob 48/04a).

2. Da die vom Gesetzgeber angestrebte Verteilung der vorhandenen Mittel die jeweiligen Lebensumstände der Beteiligten berücksichtigen muss, scheidet eine genaue Berechnung des dem Unterhaltsschuldner zu belassenden Betrags in der Regel aus. Es ist vielmehr eine dem konkreten Einzelfall gerecht werdende Lösung zu suchen (vgl RIS-Justiz RS0013458; RS0047419). Eine absolute Belastungsgrenze, die zu Lasten des Unterhaltsschuldners nicht überschritten werden darf, gibt es nur insofern, als diesem jener Betrag verbleiben muss, der zur Erhaltung seiner Körperkräfte und seiner geistigen Persönlichkeit unbedingt notwendig ist (vgl RIS-Justiz RS0008667).

3. Der erkennende Senat hat in seiner Entscheidung 5 Ob 48/04a bei einem für insgesamt fünf Kinder sorgepflichtigen Vater eine Belastungsgrenze von 600 Euro angenommen; bei einer derzeit hier unstrittigen Unterhaltsbemessungsgrundlage von 717,09 Euro und der vom Erstgericht vorgenommenen, in Rechtskraft erwachsenen Erhöhung des Unterhaltsbeitrags auf 143 Euro verbleiben dem Vater monatlich 574,09 Euro. Dieser Betrag steht zu der in 5 Ob 48/04a angenommenen Belastungsgrenze von 600 Euro in einem vertretbaren Verhältnis und überschreitet den dabei zu wahrenden Ermessensspielraum nicht. Eine weitergehende Belastung des Vaters kommt dagegen nur dann in Betracht, wenn das fortgesetzte Verfahren eine höhere Unterhaltsbemessungsgrundlage ergeben sollte. Wenn dabei das Rekursgericht zur für den Vater maßgeblichen Unterhaltsbemessungsgrundlage das Verfahren für ergänzungsbedürftig erachtete, so ist dem vom Obersten Gerichtshof als Rechts-, aber nicht Tatsacheninstanz nicht entgegenzutreten (RIS-Justiz RS0006379 [T1]); daraus folgt die Aufhebung des erstinstanzlichen Beschlusses im Umfang der Abweisung des Unterhaltserhöhungsantrags zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung.

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