OGH 1Ob125/05x

OGH1Ob125/05x18.10.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Hedwig Sch*****, vertreten durch Dr. Siegfried Dillersberger, Dr. Helmut Atzl und Mag. Christian Dillersberger, Rechtsanwälte in Kufstein, gegen die Beklagte und Gegnerin der gefährdeten Partei Emma D*****, Deutschland, vertreten durch Dr. Max Urbanek, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen Herausgabe und Feststellung (Streitwert EUR 39.679,37 sA), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Februar 2005, GZ 13 R3/05i-68, mit dem das Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 8. Oktober2004, GZ 4 C 19/97p-56, abgeändert wurde, sowie über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 28. Februar 2005, GZ 13 R4/05m-68, mit dem der Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom 3. November 2004, GZ 4 Cg 19/97p-61, abgeändert wurde, zu Recht erkannt und beschlossen:

 

Spruch:

1. Der außerordentlichen Revision der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

2. Dem außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

3. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 3.531,24 (darin EUR 588,54 USt) bestimmten Kosten des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Notariatsakt vom 11. 4. 1954 verkaufte der Vater der Streitteile seiner Ehefrau (in der Folge: Mutter der Streitteile) die Liegenschaft EZ1 Grundbuch R*****, das sogenannte „T***** Gut“ um ATS125.000. Im Kaufvertrag wurde ein Veräußerungs- und Belastungsverbot zugunsten der Streitteile und ihrer Geschwister sowie die Verpflichtung der Mutter vereinbart, die Liegenschaft einem Kind ihrer Wahl unter Lebenden zu übergeben oder im Erbweg zu hinterlassen. Das zugunsten der vier Kinder der Vertragsschließenden einverleibte Veräußerungs- und Belastungsverbot sollte mit Übernahme der Liegenschaft durch eines der Kinder erlöschen (Punkt6. des Notariatsakts).

Das T***** Gut wurde in der Folge um weitere im Alleineigentum der Mutter stehende Liegenschaften erweitert. Für den Vater der Streitteile bildeten alle diese Grundbuchskörper stets eine Einheit.

Am 14. 9. 1987 verstarb der Vater der Streitteile unter Hinterlassung eines Testaments vom 8. 5. 1983, in dem er die Mutter der Streitteile „mit der Auflage“ zur Alleinerbin einsetzte, das ererbte Vermögen bei ihrem Ableben an die gemeinsamen Kinder oder Enkelkinder nach freiem Ermessen weiterzugeben oder, falls dies zweckmäßig sein sollte, zu Lebzeiten zu übergeben. In diesem Testament befinden sich überdies Anordnungen des Erblassers für den Fall der vorzeitigen Übergabe des Erbgutes und der Hinweis, dass die „gemeinsamen Kinder“ -mit Ausnahme einer in einem Orden tätigen Tochter - ihren Pflichtteil bereits erhalten hätten. In einem „ergänzenden Testament“, in dem ausdrücklich auf das Testament vom 8. 5.1983 hingewiesen wurde, verfügte der Vater der Streitteile unter anderem Folgendes:

1.Meine 40%-Anteile an der D***** Papierfabrik in D*****-T***** erhalten je zur Hälfte meine Töchter Hedwig und Emma.

2.Das E-Werk P***** erhält meine Tochter Emma. Soweit vorgesehen, bekommt Emma auch die 40%-Anteile von D***** von der Mutter.

4. .... Hedwig soll von der Mutter den schönen Bauernhof T***** erhalten und das E-Werk St***** mit ATS 500.000 Reinertrag.

Der Punkt 3. dieses Schriftstücks enthält Anordnungen im Zusammenhang mit dem Sohn des Erblassers, unter anderem dessen Verpflichtung zur Zahlung von monatlich ATS10.000 an die Klägerin, bis diese von der Mutter den „Bauernhof T*****“ erhalte.

Im Verlassenschaftsverfahren gab die Mutter der Streitteile zunächst eine bedingte, in der Folge eine unbedingte Erbserklärung ab. Im Testamentserfüllungsausweis vom 29. 6. 1990 hielt sie unter anderem fest, dass die Beklagte hinsichtlich des E-Werks P***** die Legatannahmeerklärung abgegeben habe, die Erfüllung des Vermächtnisses aber noch nicht möglich sei, weshalb sich die Beklagte die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen vorbehalten habe. Die Anordnung hinsichtlich des Bauernhofs T***** sei im Verlassenschaftsverfahren nicht zu berücksichtigen, weil das diesbezügliche Vermögen ausschließlich in ihrem Alleineigentum stehe.

Mit Beschluss vom 9. 8. 1993 wurde die Verlassenschaft der Erbin zur Gänze eingeantwortet.

Bereits kurz nach dem Tod des Vaters der Streitteile wurden von einer außenstehenden Person Eigentumsrechte an der Liegenschaft in P***** (E-Werk) geltend gemacht und diese in der Folge einverleibt. Die von den Streitteilen und deren Bruder im August 1988 eingebrachte Löschungsklage wurde mit Urteil vom 23. 11. 1993 abgewiesen. Dagegen erhobene Rechtsmittel blieben erfolglos.

Bereits am 27.12. 1991 schlossen die Beklagte und ihre Mutter einen Übergabe-und Schenkungsvertrag auf den Todesfall über das „T***** Gut“, mit Ausnahme der Liegenschaft EZ 145 GB St*****. Als Übergabspreis wurden ATS 1,5 Mio sowie ein Wohn- und Holzbezugsrecht der Mutter und die Verpflichtung der Beklagten, für die Strom-und Wasserversorgung und die sonstigen Betriebs-und Erhaltungskosten aufzukommen, vereinbart. In diesem Vertrag wurde ausdrücklich auf die „Vorgeschichte“, insbesondere auf das Vorliegen der (für die Beklagte negativen) erstinstanzlichen Entscheidung im Rechtsstreit um das Elektrizitätswerk P***** hingewiesen und festgelegt, dass der Vertrag auch der Abgeltung aller Pflichtteilsansprüche der Beklagten diene. Ferner wurde dargelegt, dass es dem Willen der Vertragsparteien entspreche, dass der Übergabsvertrag auch dann „voll und unverändert Wirksamkeit besitzt, falls das Vermächtnis“ (gemeint: E-Werk P*****) an die Beklagte „noch rechtswirksam werden sollte“. Weiters wurde Punkt 6. des Notariatsakts vom 11. 4. 1954 wiedergegeben.

Bei den nach dem Tod des Vaters der Streitteile von der Mutter und deren Kindern geführten Gesprächen über die Aufteilung des Vermögens wurde der Inhalt des Testaments sowie des Nachtrags hiezu von keinem der Beteiligten in Frage gestellt. Ca. im November 1987 trat die Mutter mit dem Vorschlag an die Streitteile heran, dass die Beklagte das Gut T***** sowie das Kraftwerk St*****, die Klägerin im Gegenzug die Pappenfabrik D***** zur Gänze erhalten sollte. Diese Vermögensaufteilung scheiterte.

Der von der Klägerin am 15. 6. 1993 beim Landesgericht Innsbruck gegen ihre Mutter eingebrachten Klage auf Herausgabe der das T***** Gut bildenden Liegenschaften wurde - nach dem Tod der Mutter - gegen deren Verlassenschaft stattgegeben (4 Ob 194/98b). Der Erblasser habe der Klägerin wirksam ein Legat bestimmt, das bereits mit dem Erbanfall aus der Rechtszuständigkeit der Erbin (= der Mutter) ausgeschieden sei. Diese habe bis zu dem nach ihrem eigenen Ermessen zu bestimmenden Tag der Übergabe an die Legatarin nur noch nach Art einer fideikommissarischen Substitution besessen. Der auf diesen Exekutionstitel gestützte, gegen die Beklagte als noch nicht eingeantwortete Alleinerbin nach ihrer Mutter gerichtete Exekutionsantrag auf bücherliche Vormerkung ihres Eigentumsrechts wurde rechtskräftig abgewiesen.

Die Klägerin begehrte, die Beklagte schuldig zu erkennen, in die Rückabwicklung des zwischen dieser und ihrer Mutter abgeschlossenen Übergabe- und Schenkungsvertrags auf den Todesfall, soweit dieser die Liegenschaften EZ 1 und 145 Grundbuch R***** und EZ 243 Grundbuch K***** betreffe, einzuwilligen und diese Zug um Zug gegen Rückzahlung des von der Beklagten bezahlten Kaufpreises von EUR 109.009,25 herauszugeben sowie in die Einverleibung des Eigentumsrechts zugunsten der Klägerin einzuwilligen; weiters begehrte sie festzustellen, dass die Beklagte für alle aus dem die Liegenschaften betreffenden Vertragsabschluss entstehenden Schadenersatzansprüche hafte, in eventu sei festzustellen, dass der der Klägerin aus den Urteilen im Verfahren 41 Cg 190/93x des Landesgerichts Innsbruck zustehende Anspruch auf Herausgabe der Liegenschaften und Einwilligung in die Einverleibung des Eigentumsrechts nunmehr gegen die Beklagte vollstreckbar sei. Im Verlassenschaftsverfahren nach dem Vater der Streitteile sei allen Beteiligten klar gewesen, dass der Erblasser diese Liegenschaften der Klägerin letztwillig zugewendet habe. Die Beklagte habe sich wissentlich über das Recht der Klägerin hinweggesetzt und in Kenntnis des Inhalts des Testaments ihre Mutter zum Vertragsabschluss und zur Übergabe veranlasst. Sie hafte daher der Klägerin wegen Verletzung ihres Forderungsrechts. Überdies sei eine wider eine fideikommissarische Substitution getroffene Verfügung nichtig.

Die Beklagte wendete ein, dass für sie kein Forderungsrecht der Klägerin erkennbar gewesen sei und drei Rechtsberater ihr plausibel erläutert hätten, dass das ergänzende Testament ihres Vaters nur unverbindliche Wünsche beinhalte. Da ihre Mutter seit 1954 grundbücherliche Eigentümerin der Liegenschaften gewesen und ihr der Inhalt der Vereinbarung zwischen ihren Eltern aus 1954 bekannt gewesen sei, sei sie davon ausgegangen, ihre Mutter sei über die Liegenschaften verfügungsberechtigt. Sie habe keinerlei Einfluss auf die Mutter genommen. Überdies habe sie 1,5 Mio ATS bezahlt und auf das T***** Gut hohe Investitionen getätigt; der Klagsanspruch sei verjährt.

Das Erstgericht gab dem Hauptbegehren statt, wobei es außer dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt gerafft von folgenden Feststellungen ausging:

Innerhalb der Familie, vor allem seitens der Mutter der Streitteile, wurde (1988) ein Anspruch der Klägerin auf das Gut T***** aufgrund des Nachtrags zum Testament nicht ernsthaft in Zweifel gezogen. Nach Scheitern der von der Mutter der Streitteile vorgeschlagenen „Vermögensaufteilung“ wandten sich die Beklagte und deren Mutter mit dem Ansinnen an die Klägerin, auf das Gut T***** zu verzichten. Die Klägerin beharrte jedoch auf diesem Gut. In Bezug auf die Liegenschaften in P***** gab es innerhalb der Familie Diskussionen, wie die Beklagte im Fall des Prozessverlustes familiär entschädigt werden sollte. Auch in diesem Zusammenhang wurde nicht in Zweifel gezogen, dass die Klägerin ein Recht auf „Gut T*****“ habe. Im Lauf des Jahres 1989 kam es zu Auseinandersetzungen zwischen der Mutter und dem Bruder der Streitteile hinsichtlich eines im Nachtrag zum Testament eingeräumten Fruchtgenussrechts. Im Zuge eines Treffens in der Kanzlei eines Notars (1990), bei dem die Streitteile, deren Mutter, deren Bruder und ein weiterer Jurist anwesend waren, wurde unter anderem über „Gut T*****“ im Hinblick darauf gesprochen, dass dies im Eigentum der Mutter und nicht des Erblassers stehe. Dass die anwesenden Juristen in diesem Zusammenhang die Auffassung vertreten hätten, die Klägerin habe unter Bedachtnahme auf den Kaufvertrag aus dem Jahr 1954 und den Nachtrag zum Testament keinen Anspruch auf „Gut T*****“ als Vermächtnisnehmerin, kann nicht festgestellt werden. Jedenfalls wurde ein solcher Anspruch nicht kategorisch verneint. Nach diesem Treffen formulierte der Notar für die Mutter den Passus im Testamentserfüllungsausweis, dass die Anordnung betreffend Gut T***** nicht zu berücksichtigen sei, „weil das Gut ausschließlich in ihrem Alleineigentum stehe“. Ob und inwieweit die Beklagte auf ihre Mutter Druck ausübte, ihr „Gut T*****“ trotz des Nachtrags zum Testament des Vaters zu übergeben, kann nicht festgestellt werden. Weder die Mutter noch die Beklagte konnten gesichert davon ausgehen, dass die Klägerin aufgrund der Verfügungen im Nachtrag zum Testament keinen Anspruch auf Gut T***** hatte und die Mutter ohne Bedenken zur Übergabe des Gutes an die Beklagte berechtigt gewesen sei. Vielmehr hatten beide Bedenken gegen eine solche Berechtigung und hielten es ernsthaft für möglich, dass durch den Übergabsvertrag in einen Anspruch der Klägerin auf Gut T***** eingegriffen werde. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Notar als Vertragserrichter und ein befreundeter Rechtsanwalt die Beklagte und deren Mutter dahingehend belehrt hätten, dass die Mutter trotz des Nachtrags zum Testament berechtigt sei, „Gut T*****“ an die Beklagte zu übergeben. Ebensowenig kann festgestellt werden, inwieweit allfällige finanzielle Engpässe der Mutter für die Übergabe ausschlaggebend waren. Aufgrund der Bedenken über die Berechtigung der Übergabe wurden vorerst trotz immer wieder stattgefundener Gespräche und Schriftwechsel weder die Klägerin, noch sonst Familienangehörige über den Übergabsvertrag informiert. Selbst bei einer zwecks vergleichsweiser Gesamtregelung abgehaltenen Tagsatzung im Verlassenschaftsverfahren informierten weder die Mutter noch die Beklagte die anderen Familienangehörigen, obwohl auch „Gut T*****“ Gegenstand der Vergleichsgespräche war. Die Klägerin erfuhr vom Übergabevertrag erst durch ein bei ihrem Vertreter am 28. 4. 1993 eingelangtes Schreiben.

Rechtlich folgerte das Erstgericht, die Beklagte habe vorsätzlich in die Forderungsrechte der Klägerin eingegriffen. Da sie Bedenken gegen die Berechtigung ihrer Mutter zur Übergabe des Guts T***** gehabt und es zumindest ernsthaft für möglich gehalten habe, in einen Anspruch der Klägerin einzugreifen, liege bedingter Vorsatz vor. Weitere, derzeit nicht bezifferbare Schadenersatzansprüche könnten nicht ausgeschlossen werden, weshalb das rechtliche Interesse an der begehrten Feststellung vorliege.

Das Berufungsgericht änderte über Berufung der Beklagten das Ersturteil im Sinne einer gänzlichen Klagsabweisung ab, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 20.000 EUR übersteige, und ließ die ordentliche Revision nicht zu. Dass die vertragliche Verfügung der Mutter vom 27. 12. 1991 absolut unwirksam und das Herausgabebegehren der Klägerin daher berechtigt sei, habe das Berufungsgericht bereits in seiner Entscheidung vom 14. 5. 2003 verneint. In dieser Entscheidung sei auch schon dargelegt, dass sich der gegen die Verlassenschaft nach der Mutter erwirkte Exekutionstitel auf Herausgabe der Liegenschaften nicht auch auf die Beklagte erstrecke. Zu prüfen sei aber, ob der Klägerin Schadenersatz wegen der Verletzung ihres Forderungsrechts gebühre. Der absolute Schutz eines Forderungsrechtes sei jedenfalls dann gerechtfertigt, wenn die fehlende generelle Offenkundigkeit durch die tatsächliche Kenntnis im Einzelfall ersetzt werde. Eine Haftung der Beklagten käme nur dann in Betracht, wenn ihr das Forderungsrecht der Klägerin bekannt, ihr also bewusst gewesen sei, dass diese gegenüber ihrer Mutter einen Anspruch auf Übergabe der Liegenschaften habe. Hingegen könne ihr die fahrlässige Unkenntnis nicht vorgeworfen werden. Bei typischer Erkennbarkeit sei die Obligation in ihrem ganzen Bestand gegenüber jeder Form schuldhafter Eingriffe geschützt, weshalb in diesem Fall auch die schuldhafte Ausnützung von Vertragsbrüchen ersatzpflichtig mache. Der Oberste Gerichtshof gehe davon aus, dass bei „Verstärken“ eines Forderungsrechts durch den Besitz diesem bloß in seiner Funktion als Instrument der typischen Erkennbarkeit von Forderungsrechten - also in seiner Offenlegungsfunktion - Bedeutung zukomme. In der Entscheidung 7 Ob 225/03v habe der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass zwar die in Kauf genommene Möglichkeit der Verletzung eines fremden Forderungsrechts - also der bedingte Vorsatz - noch nicht mit der der Offenkundigkeit gleichzuhaltenden positiven Kenntnis um den Bestand des Gläubigerrechts gleichgesetzt werden könne; wenn sich aber ein Forderungsrecht aufgrund anderer Tatsachen durch seine deutliche „sozialtypische“ Erkennbarkeit für den Gegner in gleicher Weise wie durch den Besitz „verstärke“, sei dessen Verletzung nach denselben Grundsätzen zu beurteilen wie jene eines besitzverstärkten Forderungsrechts. Vorliegend habe es die Beklagte bei Vertragsabschluss lediglich für möglich gehalten, in Rechte der Klägerin einzugreifen, sodass sie keine tatsächliche (positive) Kenntnis vom Forderungsrecht der Klägerin gehabt habe. Auch habe sie ihre Mutter nicht zum Vertragsabschluss verleitet. Die Beklagte habe lediglich den Inhalt des Testaments und das „Beharren“ der Klägerin auf „Gut T*****“ gekannt. Dadurch sei das Forderungsrecht der Klägerin aber noch nicht „verstärkt“ worden. Anhaltspunkte für weitere „verstärkende“ Tatsachen lägen nicht vor. Ein Schadenersatzanspruch der Klägerin wegen Verletzung ihres Forderungsrechts sei daher zu verneinen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist zulässig, im Ergebnis aber nicht berechtigt.

Soweit die Revisionswerberin ins Treffen führt, dass „eine fideikommissarische Substitution“ der Art, deren Vorliegen der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung zu 4 Ob 194/98b festgestellt habe, ebenso ein nicht an die Schranken des § 364c ABGB gebundenes Veräußerungs- und Belastungsverbot in sich schließe wie eine zwischen Vorerben und Nacherben auf Grund der letztwilligen Anordnung des Erblassers bestehende fideikommissarische Substitution und dass damit der Vertrag zwischen der Mutter und der Beklagten und damit auch die dingliche Verfügung absolut unwirksam seien, ist ihr Folgendes zu entgegnen:

Das Berufungsgericht hat bereits im ersten Rechtsgang (13 R 54/03m = ON 47) völlig zutreffend ausgeführt, dass Voraussetzung für ein nicht an die Schranken des § 364c ABGB gebundenes Veräußerungs- und Belastungsverbot die Berufung zum Nacherben also die Einräumung des gegen jedermann durchsetzbaren und somit absoluten, mit dem Tod des Erblassers entstehenden Erbrechts sei.

Mit ihren weitwendigen Ausführungen, dass der vorliegende Fall nicht mit einem Nachlegat iSd § 652 ABGB vergleichbar sei, da der Klägerin in Bezug auf das Legat jene Stellung zugekommen sei, die bei Vor- und Nacherbschaft der Nacherbin zukomme, verkennt sie, dass die Klägerin auch nach der zuvor zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshof gegenüber ihrer Mutter nur einen schuldrechtlichen Herausgabeanspruch auf die den Gegenstand des Legats bildende Liegenschaft und keineswegs ein absolutes, gegen jedermann wirkendes (Erb-)Recht hatte. § 652 ABGB gilt nämlich sinngemäß auch dann, wenn nach der Anordnung des Erblassers aus dem einem Erben zugekommenen Nachlass beim Tod dieses Erben bzw bei Eintritt einer Bedingung bestimmte Sachen an begünstigte Personen auszufolgen sind. Der Erbe hat diesbezüglich die Rechtsstellung, die einem Vorlegatar zukommt (Welser in Rummel ABGB3 § 652 Rz 4 mwH). Von einer absoluten Unwirksamkeit des gegenständlich zu beurteilenden Vertrags bzw der darauf gestützten dinglichen Verfügung kann daher nicht die Rede sein.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre, dass auch eine bloß schuldrechtliche Beziehung zwischen zwei Personen gegen Eingriffe Dritter zu schützen ist. Dritte dürfen das Recht des Gläubigers auf obligationsmäßige Willensrichtung des Schuldners nicht beeinträchtigen (Koziol, Die Beeinträchtigung fremder Forderungsrechte, 160 ff; SZ 68/22; 1 Ob 186/97b; 8 Ob 194/01i = SZ 2002/25; 7 Ob 225/03v = JBl 2005, 36 uva). Der Dritte beeinträchtigt das Forderungsrecht nicht nur, wenn er auf den schuldnerischen Leistungswillen in Richtung Vertragsbruch einwirkt, sondern auch, wenn er in Kenntnis des fremden Forderungsrechts die schlichte Leistungsbewirkung vereitelt. Das Recht auf Leistungsbewirkung entfaltet absolute Wirkung. Es ist daher jedermann zumutbar, fremde Verträge zu respektieren, wenn er sie kennt, ohne unzumutbaren Nachforschungspflichten nachkommen zu müssen. Es genügt die bewusste Durchsetzung des eigenen Rechtsstandpunkts unter bewusster Übergehung der dagegen sprechenden triftigen Argumente (7 Ob 80/99m; 3 Ob 61/01v; SZ 2002/25; 7 Ob 225/03v). Niemand soll sich mit dem Schaden eines anderen bereichern. Wer eine Leistung zu erlangen sucht, von der er weiß, dass sie vertraglich einem anderen zusteht, der weiß auch, dass der Entfall der Leistung dem anderen schadet, der Zufall der Leistung ihn jedoch selbst „bereichert“. Daran nichts Unrechtes zu finden, hieße, dem Recht des Stärkeren und Schnelleren den Vorzug gegenüber demjenigen zu geben, der bei seiner Betätigung im Geschäftsverkehr auf Rechte Dritter soweit darauf achtet, als er darauf achten kann, ohne unzumutbaren Nachforschungspflichten nachkommen zu müssen (SZ 2002/25; 7 Ob 225/03v). Weiß der Eingreifer um den Bestand des Gläubigerrechts, kann ihm durchaus zugemutet werden, dieses zu respektieren; positive Kenntnis im Einzelfall ist der Offenkundigkeit daher gleichzuhalten (7 Ob 225/03v mwN).

Die neuere Rechtsprechung folgt dem von Schilcher/Holzer (Der schadenersatzrechtliche Schutz des Traditionserwerbers bei Doppelveräußerung, in JBl 1974, 445 ff und 512 ff) in Fortentwicklung der Lehre Koziols (Die Beeinträchtigung fremder Forderungsrechte) aufgegriffenen Gedanken von der Funktion des Besitzes als Ausdrucksmittel der (sozial-)typischen Erkennbarkeit von Forderungsrechten und bejaht insoweit eine Schadenersatzpflicht bereits dann, wenn jemand das durch Besitz verstärkte Forderungsrecht kannte oder bei gehöriger Aufmerksamkeit kennen musste. Während in den anderen Fällen eines absoluten Schutzes von Forderungsrechten doloses Verhalten gefordert wird, genügt bei Verletzung eines besitzverstärkten Forderungsrechts zur Durchsetzung des schadenersatzrechtlichen Restitutionsanspruches bereits, dass der Erwerber die obligatorische Position kannte oder bei gehöriger Aufmerksamkeit kennen musste (9 Ob 244/97s; 1 Ob 221/99b; RIS-Justiz RS0113118).

Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung 7 Ob 225/03v dargelegt, dass der von der neueren Rechtsprechung übernommene Gedanke von der Funktion des Besitzes als Mittel zum Ausdruck der typischen Erkennbarkeit von Forderungsrechten umso mehr bei der Kenntnis der Zweitkäuferin von einer grundbücherlichen Vormerkung (bzw der Rechtfertigung derselben) des Eigentumsrechts des Ersterwerbers gelten müsse. Der Zweitkäufer greife daher auch dann in das Forderungsrecht des Ersterwerbers ein, wenn er den Kaufgegenstand in Kenntnis des ersten Kaufvertrageserwerbe und nicht darauf vertrauen dürfe, dass durch die wiederholte Veräußerung und Übereignung der Sache das Gläubigerrecht des Erstkäufers nicht beeinträchtigt werde.

Reischauer (in Rummel ABGB³ § 1332 Rz 20b) vermeint-ohne zur Rechtsprechung von „besitzverstärkten Forderungen“ näher Stellung zu nehmen, dass, wenn die „Indizwirkung des Besitzes (bzw der Innehabung) das Entscheidende sei, auch jede andere Indizwirkung genügen müsste, die gegründeten Verdacht schöpfen lässt“.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass grundsätzlich nur die wissentliche Beeinträchtigung eines bekannten Forderungsrechts einen Schadenersatzanspruch auslöst. Auf (vorwerfbare) Unkenntnis des Bestehens eines fremden Forderungsrechts kann ein Schadenersatzanspruch lediglich dann gestützt werden, wenn aufgrund besonderer Umstände das fremde Forderungsrecht für den Verletzer deutlich „sozial-typisch“ erkennbar war. Es ist daran festzuhalten, dass Nachforschungspflichten grundsätzlich zu verneinen sind und sich solche lediglich aufgrund besonderer Umstände (wie etwa eines „besitzverstärkten“ Forderungsrechts) rechtfertigen lassen (vgl SZ 73/132), weshalb an die „sozial-typische“ Erkennbarkeit strenge Anforderungen zu stellen sind.

Solche besonderen Umstände liegen aber hier - selbst ausgehend von den teilweise bestrittenen erstgerichtlichen Feststellungen - nicht vor. Aus der Feststellung, dass die Beklagte nicht gesichert davon ausgehen konnte, dass die Klägerin .... keinen Anspruch auf die strittigen Liegenschaften hatte und sie es „ernsthaft für möglich hielt, dass durch den Übergabsvertrag in einen Anspruch der Klägerin eingegriffen werde“, kann nicht auf eine positive Kenntnis der Klägerin von einem allfälligen Forderungsrecht der Beklagten geschlossen werden. Insbesondere lässt die Formulierung im ergänzenden Testament „Hedwig soll von der Mutter den schönen Bauernhof .... erhalten ....“ auch die Deutung zu, dass es sich lediglich um einen (unverbindlichen) Wunsch des Vaters der Streitteile und nicht um eine rechtsverbindliche letztwillige Anordnung handelte. Auch im Testamentserfüllungsausweis hielt die Mutter der Streitteile fest, dass die Anordnung hinsichtlich des Bauernhofs im Verlassenschaftsverfahren nicht zu berücksichtigen sei, weil das diesbezügliche Vermögen ausschließlich in ihrem Alleineigentum stehe. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass die Beklagte zum Zeitpunkt des Übergabe- und Schenkungsvertrags (27. 12. 1991) positive Kenntnis von einem Forderungsrecht ihrer Schwester am strittigen Bauernhof hatte. Erst auf Grund der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 12. 8. 1998 (4 Ob 194/98b) nach einem jahrelangen Rechtsstreit musste die Klägerin vom tatsächlichen Bestehen des obligatorischen Anspruchs ihrer Schwester auf Herausgabe des Bauernhofs ausgehen. In der Zeit davor durfte sie auf Grund des ihr bekannten Sachverhalts, insbesondere des Umstands der Eigentumsübertragung im Jahre 1954, zu Recht annehmen, dass der Vater ein Legat nicht mehr wirksam habe einräumen können. Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang auch, dass die in der Entscheidung 4 Ob 194/98b vertretene Rechtsansicht, auf die sich die Klägerin stützt, nicht unproblematisch ist (siehe Kletecka in NZ 1999, 66) und gewiss eine schwierig zu lösende Rechtsfrage zu behandeln war, was im Übrigen auch die divergenten Entscheidungen des dortigen Erstgerichts beweisen. Ungeachtet der Frage, ob sich der erkennende Senat der in der zitierten Entscheidung des 4. Senates des Obersten Gerichtshofs getroffenen rechtlichen Lösung anschlösse, dass nämlich der Vater der Streitteile deren Mutter als seine Alleinerbin verpflichten konnte, die damals bereits in ihrem Vermögen befindliche Liegenschaft einem Dritten zu überlassen ist dem Klagebegehren ein Erfolg zu versagen, da die Beklagte zum Zeitpunkt des Übergabsvertrags weder positive Kenntnis vom fremden Forderungsrecht hatte noch ihr nach den vorliegenden Umständen die Unkenntnis vorwerfbar war.

Der außerordentlichen Revision ist daher nicht Folge zu geben.

Zum außerordentlichen Revisionsrekurs:

Das Rekursgericht wies in Abänderung der vom Erstgericht antragsgemäß erlassenen einstweiligen Verfügung den Antrag der klagenden und gefährdeten Partei, der Beklagten und Gegnerin der gefährdeten Partei zu verbieten, ihre Liegenschaften EZ 1 und EZ 145 Grundbuch R***** sowie EZ 243 Grundbuch K***** zu veräußern oder zu belasten, über Rekurs der Beklagten ab. Lasse sich der behauptete Anspruch, der durch die einstweilige Verfügung gesichert werden soll, aus dem bescheinigten oder gar bewiesenen Sachverhalt nicht ableiten, sei er nicht bescheinigt. Dass dies hier der Fall sei, sei bereits bei Behandlung der Berufung der Beklagten aufgezeigt worden. Diesbezüglich sei auf die Berufungsausführungen zu verweisen. Die Anordnung einer Sicherheitsleistung gemäß § 390 Abs 1 EO wegen nicht ausreichender Bescheinigung des Anspruchs komme nicht in Betracht.

Da durch die Revisionsentscheidung der zu sichernde Anspruch (rechtskräftig) abgewiesen wurde, muss der Revisionsrekurs das Schicksal der Revision teilen. Es ist ihm daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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