OGH 13Os72/05w

OGH13Os72/05w12.10.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Oktober 2005 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll und Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Besenböck als Schriftführer in der Strafsache gegen Güney K***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142, 143 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Güney K***** und Ersin T***** gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 1. März 2005, GZ 424 Hv 1/05i-92, sowie über die Beschwerde des Angeklagten Ersin T***** gegen den zugleich gefassten Beschluss nach § 494a Abs 1 Z 4 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Ersin T***** wird teilweise Folge gegeben, das Urteil, welches im Übrigen unberührt bleibt, im Umfang der Wahrsprüche zu den Hauptfragen 13.M., 16.P.,

18. R. und 19.S. hinsichtlich der Annahme der Verwendung einer Waffe und in der rechtlichen Unterstellung des von den Schuldsprüchen B. 1., 2., 3. und 4 jeweils erfassten Sachverhaltes unter § 143 zweiter Fall StGB, demgemäß auch der Ersin T***** betreffende Strafausspruch sowie der Widerrufsbeschluss nach § 494a Abs 1 Z 4 StPO aufgehoben und die Sache insoweit an das Geschworenengericht beim Landesgericht für Strafsachen Wien zu neuer Verhandlung und Entscheidung verwiesen. Mit seiner Berufung und Beschwerde wird der Angeklagte Ersin T***** auf das kassatorische Erkenntnis verwiesen.

Im Übrigen werden die Nichtigkeitsbeschwerden zurückgewiesen. Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten Güney K***** werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet. Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden, auch rechtskräftige Teilfreisprüche enthaltenden Urteil wurde Güney K***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (A.) und Ersin T***** des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter und dritter Fall und 15 StGB (richtig: des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB [B. 1.] des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter und dritter Fall StGB [B. 2.] sowie der Verbrechen des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB [B. 3. und 4.]) schuldig erkannt.

Danach haben in Wien jeweils gemeinsam mit Unbekannten im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter mit Gewalt gegen eine Person bzw durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer Waffe fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz abgenötigt oder weggenommen bzw dies versucht, um sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

A. Güney K*****

am 2. September 2004 dadurch, dass Güney K***** Daniel Klaus F***** einen Stoß versetzte und ihn gegen eine Wand drängte, der unbekannte Täter ein Messer gegen Daniel Klaus F***** richtete und er sowie der unbekannte Mittäter die Herausgabe eines Handys Marke Samsung im Wert von 150 Euro forderten;

B. Ersin T*****

1. am 16. März 2004 dadurch, dass Ersin T***** eine Pistole gegen Alexander H***** richtete und er sowie der unbekannte Mittäter die Herausgabe von Geld und Wertgegenständen, nämlich eines Handys Marke Nokia 3650 im Wert von 500 Euro forderten;

2. am 24. August 2004 dadurch, dass Ersin T***** eine Pistole gegen Thomas S***** richtete, er sowie der unbekannte Mittäter die Herausgabe von Geld und Wertgegenständen, nämlich eines Handys der Marke Siemens im Wert von 100 Euro, eines MP 3 Players im Wert von 500 Euro und einer Geldbörse mit 65 Euro forderten und auf ihn einschlugen, wobei die Tat eine Rissquetschwunde im Scheitel sowie eine Prellung der linken Mundregion mit einer Rissquetschwunde der linken Unterlippe und einen Verlust des zweiten linken unteren Schneidezahnes, somit eine an sich schwere Verletzung zur Folge hatte;

3. am 12. März 2004 dadurch, dass ein unbekannter Mittäter Aufpasserdienste leistete, während Ersin T***** gegenüber Dinko J***** auf seine im Hosenbund steckende Pistole zeigte und ihm gegenüber äußerte, er könne ihm ins Knie schießen, weiters dass er ihn in den Esterhazypark zerrte, die Herausgabe von Geld und Wertgegenständen forderte und dessen Geldbörse sowie Hosentasche durchsuchte, wobei es beim Versuch blieb;

4. am 16. März 2004 dadurch, dass Ersin T***** eine Pistole gegen Kameli V***** richtete, er sowie der unbekannte Mittäter die Herausgabe von Geld und Wertgegenständen forderten und die Handtasche sowie die Geldbörse durchsuchten, wobei es beim Versuch blieb. Der vom Angeklagten K***** gestützt auf § 345 Abs 1 Z 8 und 10a StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine, der vom Angeklagten T***** gestützt auf § 345 Abs 1 Z 6, 8, 9 und 10a StPO ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerde hingegen teilweise Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten K*****:

Die Instruktionsrüge (Z 8) bekämpft das Fehlen einer Rechtsbelehrung zum Umfang der strafrechtlichen Haftung im Fall eines Exzesses des Mittäters im Bezug auf die Verwendung einer Waffe nach § 143 zweiter Fall StGB. Der Beschwerdeführer legt aber nicht dar, aufgrund welcher Verfahrensergebnisse eine solche Unterweisung der Laienrichter im konkreten Einzelfall (vgl Ratz, WK-StPO § 345 Rz 57) geboten gewesen wäre, zumal sich der Angeklagte zur Gänze leugnend verantwortete (S 149 ff/II) und auch die Angaben der Zeugen F***** (S 233 ff/II) und M***** (S 245 ff/II) keine Anhaltspunkte für einen exzessus mandati boten.

In der Tatsachenrüge (Z 10a) zieht der Rechtsmittelwerber aus der vom Tatopfer geschilderten Androhung von „Watschen" lediglich spekulative, die entsprechenden belastenden Angaben der Zeugen F***** und M***** über den Einsatz eines Messers bei gleichzeitiger Drohung mit Tätlichkeiten und der Forderung auf Herausgabe des Handys außer Acht lassende Schlussfolgerungen über eine vom Beschwerdeführer nicht gewollte Verwendung einer Waffe durch dessen Tatkomplizen. Solcherart vermag er keine erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten T*****:

Gestützt auf § 345 Abs 1 Z 9 StPO bringt der Nichtigkeitswerber in sich widersprüchliche Wahrsprüche vor, weil bei der Hauptfrage 8.H. eine Tatbeteiligung des Mitangeklagten K***** an dem am 12. März 2004 zum Nachteil des Dinko J***** verübten Raubes verneint wurde (US 7 f), während dessen die ihn betreffende und bei diesem Raub von einem Zusammenwirken mit K***** ausgehende Hauptfrage 18.R. bejaht wurde (US 13 f). Er übergeht dabei, dass die Geschworenen die Hauptfrage

18. R. mit der Einschränkung iSd § 330 Abs 2 StPO bejahten, dass T***** diese Tat nicht mit K*****, sondern mit einem unbekannten Mittäter verübte.

In der Tatsachenrüge (Z 10a) hebt der Rechtsmittelwerber im Detail abweichende Angaben der Belastungszeugen H*****, V*****, S***** und J***** zur Wiedererkennung des Beschwerdeführers in deren Aussagen vor der Polizei, der Untersuchungsrichterin und in der Hauptverhandlung hervor, die aber allesamt im abgeführten Beweisverfahren eingehend erörtert wurden (vgl S 207 ff, 217 ff, 167 ff und 223 ff/II).

Dass die ansonsten im Wesentlich gleich bleibenden Täterbeschreibungen des Zeugen H***** in Bezug auf die Augenfarbe divergierten und der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung akzentfreies Deutsch sprach, der Zeuge H***** bei der Tat hingegen eine ausländische Sprachfärbung wahrnahm, dass die Mutter des Angeklagten die Art des von T***** getragenen Bartes anders beschrieb, dass die Zeugin V***** die Bauchbehaarung des Nichtigkeitswerbers nicht erkennen konnte, der Zeuge H***** hingegen bei den ihn betreffenden Raubüberfall dazu in der Lage war, ohne allerdings dessen Tätowierung im Bauchbereich zu bemerken, oder dass T***** am 16. März 2004 (Schuldspruch B. 1. und 4.) nach der Bestätigung eines Arztes als arbeitsunfähig gemeldet war und seine Mutter in (von ihr weder zeitlich noch von der Schwere her bestimmbaren) Krankheitsfällen einen Arzt herbeigerufen habe, um derartige Bestätigungen zu erlangen, vermögen ebensowenig erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen hervorzurufen, wie der Umstand, dass der Beschwerdeführer am 12. März 2004 (Schuldspruch B. 3.) bis 14.10 Uhr in der Triesterstraße in Wien an einer Schulung teilnahm, fand doch der an diesem Tag verübte Raubüberfall im 6. Wiener Gemeindebezirk erst nach 15.00 Uhr statt (S 89, 335/I, 225/II). Das Zustandekommen der unterschiedlichen Darstellungen des Zeugen S***** darüber, wer von den beiden Tätern bei dem gegen ihn gerichteten Überfall die Waffe führte, wurde vom Tatopfer bereits vor der Untersuchungsrichterin aufgeklärt (S 35/II) und in der Hauptverhandlung neuerlich offen gelegt (S 175/II). Gleiches gilt für die marginal divergierenden Angaben zur von diesem Zeugen vermuteten ausländischen Herkunft der Täter (vgl S 171, 183/II). Der unsubstantiiert auf eine „aktenkundige" Größe des Angeklagten T***** von mehr als 175 cm Bezug nehmenden Beschwerde zuwider stimmt die vom Zeugen S***** geschilderte Größe des Täters (S 439/I, 171/II) mit der im Einlieferungsbericht der Justizanstalt genannten des Beschwerdeführers überein (S 253/I).

Zutreffend zeigt allerdings der Rechtsmittelwerber in der Instruktionsrüge (Z 8) eine unrichtige, weil unvollständige Rechtsbelehrung auf. Angesichts der in der Hauptverhandlung vorgekommenen Beweisergebnisse, insbesondere der Aussagen des Zeugen S*****, wonach er mit einer „Soft-Gun" bedroht worden sei (S 169/II sowie S 179/II iVm S 439/I) und jener des Zeugen J*****, wonach er nicht angeben könne, ob die verwendete Waffe echt war oder lediglich eine Attrappe (S 233/II; vgl auch S 339/I), wäre es fallbezogen gebotenen gewesen (vgl abermals Ratz, WK-StPO § 345 Rz 57), den Geschworenen in der Rechtsbelehrung darzulegen, dass Spielzeugpistolen, Attrappen aber auch sogenannte „Soft-Guns" (die sich idR zum Verschießen von Plastikkugeln in einer Stärke von ca 5 mm eignen und je nach Abzugstärke ab einem Alter von 14 bzw 18 Jahren erworben werden können) dem funktionalen Waffenbegriff des § 143 StGB nicht zu unterstellen sind (vgl 13 Os 45/01, EvBl 2001/180, 772; 13 Os 32/05p). Die solcherart unvollständige Instruktion der Geschworenen ist daher mit Bezug auf den Empfängerhorizont eines maßgerechten Laienrichters unrichtig und zwingt zur Aufhebung des Wahrspruchs zu den Hauptfragen 13.M., 16.P., 18.R. und 19.S im Umfang der damit festgestellten Verwendung einer Waffe sowie der in den Schuldsprüchen B. 1., 2., 3. und 4. jeweils erfolgten rechtlichen Unterstellung des Tatgeschehens unter § 143 zweiter Fall StGB. Da in Bezug auf diesen Mangel die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, war der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten T***** bereits bei nichtöffentlicher Beratung teilweise Folge zu geben (§§ 285e, 344 StPO).

Mit seiner eine unrichtige Fragestellung zu den Hauptfragen 13.M.,

16. P., 18.R. und 19.S. behauptenden und uneigentliche Zusatzfragen iSd § 316 StPO zur Verwendung einer Waffe reklamierenden Rüge (Z 6) war der Beschwerdeführer auf diese Erledigung zu verweisen. Im zweiten Rechtsgang wird der Schwurgerichtshof mit Rücksicht auf die aufrecht gebliebenen Teile der Wahrsprüche 13.M., 16.P., 18.R. und 19.S. jeweils eine uneigentliche Zusatzfrage nach § 316 StPO zur Verwendung einer Waffe zu stellen und im Fall des Vorkommens entsprechender Beweisergebnisse eine den funktionalen Waffenbegriff in Bezug auf Waffenattrapen und „Softguns" im oben beschriebenen Sinn verneinende Rechtsbelehrung zu erteilen haben.

Im Übrigen waren jedoch die Nichtigkeitsbeschwerden beider Angeklagten bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d, 344 StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten K***** folgt (§§ 285i, 344 StPO).

Mit seiner Fragenrüge, Berufung und Beschwerde war der Angeklagte T***** auf das kassatorische Erkenntnis zu verweisen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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