OGH 13Os45/01

OGH13Os45/0125.4.2001

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. April 2001 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Mann als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Elvis und Milan J***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster Satz (zweiter Fall) StGB über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes wider das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht in Jugendstrafsachen vom 4. Mai 2000, GZ 25 Vr 2376/99-81, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Bierlein und des Verteidigers für Milan J*****, Dr. Waldhof, jedoch in Abwesenheit der Verurteilten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 4. Mai 2000, GZ 25 Vr 2. 376/99 - 81, mit welchem Elvis und Milan J***** der (tatmehrheitlich begangenen) Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster Satz (zweiter Fall) StGB, teils als Versuch nach § 15 StGB, schuldig erkannt wurden, verletzt im Ausspruch, dass die Taten unter Verwendung einer Waffe begangen wurden und demnach die Raubqualifikation nach § 143 erster Satz (zweiter Fall) StGB begründet wurde, das Gesetz in dieser Bestimmung.

Es werden dieses Urteil im bezeichneten Ausspruch sowie im Ausspruch über die Strafe - demnach auch das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 5. Oktober 2000, AZ 8 Bs 191/00, über die von Milan J***** ergriffene Berufung -

aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt:

Zur Strafneubemessung für die im Urteil des Landesgerichtes Linz genannten Taten, wodurch (richtig:)

1) Elvis J***** (zu I/1 und 3) und Milan J***** (zu I/4 als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall StGB) das Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB,

2) Elvis und Milan J***** (zu I/2) das Verbrechen des versuchten Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB begangen haben,

wird die Sache an das Landesgericht Linz zurückverwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht in Jugendstrafsachen vom 4. Mai 2000, GZ 25 Vr 2 .376/99-81, wurden die Jugendlichen Elvis J***** (zu I/1 und 3) und Milan J***** (zu I/4 als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall StGB) - unter der nicht gerügten, gesetzesfremd (§ 270 Abs 2 Z 4 [§ 260 Abs 1 Z 2] StPO) zusammenfassenden Bezeichnung als ,Verbrechen des teils versuchten, teils vollendeten schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall und 15 StGB" - jeweils des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster Satz (zweiter Fall) StGB sowie (zu I/2) des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 erster Satz (zweiter Fall) StGB schuldig erkannt.

Die rechtliche Annahme schweren Raubes nach § 143 erster Satz (zweiter Fall) StGB wurde auf die Verwendung eines als ,Softgun-Pistole" bezeichneten Gegenstandes bei Begehung der den Schuldsprüchen zugrunde liegenden Taten gegründet.

Gestützt auf das Gutachten eines Sachverständigen für das Schießwesen, stellte das Schöffengericht, die sog ,Softgun-Pistole" betreffend, fest, es habe sich dabei um ein dem Original einer Pistole der Marke Glock (Mod. 17) täuschend ähnelndes Produkt gehandelt, das zum Abschuss von Plastikkugeln des Kalibers 6 mm mit einer Bewegungsenergie von zumindest 0, 2 bis 0, 3 Joule mittels Federdrucks bis zu einer Distanz von ca 4 m geeignet war (US 6 f). Mit Blick darauf, dass die Energie abgeschossener Projektile den in der Verordnung des Bundesministeriums für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz, BGBl II 1997/185, festgesetzten Grenzwert von 0, 08 Joule für ,schusswaffenähnliche" Produkte bei weitem übersteige, vertrat es in rechtlicher Hinsicht die Auffassung, dass eine solche ,Softgun-Pistole" als Waffe iS des § 143 erster Satz (zweiter Fall) StGB anzusehen sei (US 13).

Über die Angeklagten wurden nach § 43a Abs 3 StGB teilbedingt nachgesehene Freiheitsstrafen verhängt. Einer von Milan J***** erhobenen Berufung gab das Oberlandesgericht Linz teilweise Folge und sah einen im Verhältnis zum erstgerichtlichen Strafausspruch größeren Teil der über diesen verhängten Freiheitsstrafe bedingt nach. In seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde führt der Generalprokurator aus:

Das angeführte Urteil des Landesgerichtes Linz als Jugendschöffengericht vom 4. Mai 2000, GZ 25 Vr 2376/99-81, ist - soweit das Vorliegen der Qualifikation des § 143 erster Satz zweiter Fall StGB angenommen wurde - mit maßgeblichen (beiden Angeklagten zum Nachteil gereichenden) Feststellungsmängeln (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) behaftet:

Ob die verfahrensgegenständliche "Softgun-Pistole" nach ihrer Form, Wirkungsweise und Anwendbarkeit als den Waffen nach § 1 WaffG gleichwertig - und damit als "waffengleiches Mittel" (iS des herrschenden funktionalen Waffenbegriffes - swN Eder-Rieder im WK2 RN 18 f; Kienapfel BT II3 RN 20, je zu § 143) - anzusehen ist, kann auf Grund der unvollständig gebliebenen erstrichterlichen Konstatierungen nämlich nicht eindeutig beantwortet werden. Die außerhalb des Spielwarenbegriffs in Betracht kommende Einstufung dieses Gegenstandes als "schusswaffenähnliches Produkt", dessen Abgabe an Personen unter 18 Jahren verboten ist (§ 2 Abs 2 der - nach dem (gemeint:) Produktsicherheitsgesetz 1994, BGBl 1995/63, erlassenen - angeführten Verordnung des Bundesministeriums für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz, BGBl II 1997/185), bietet zwar ein (gewisses) Indiz für das Vorliegen des spezifischen Waffencharakters, lässt aber mangels näherer Sachverhaltsgrundlagen über Art und Umfang der mit dem bestimmungsgemäßen Gebrauch (Abschuss von Plastikkugeln geringen Gewichtes mit geringer Bewegungsenergie) tatsächlich verbundenen Gefährlichkeit (und damit über die erforderliche erhöhte Effizienz der qualifizierten Drohung - (das ins Treffen geführte waffentechnische Gutachten bestätigt lediglich die Qualität der "Softgun-Pistole" als "schusswaffenähnliches Produkt" iS der erwähnten Verbraucherschutzverordnung - S 425/I) weder für sich allein noch in Verbindung mit dem einer echten Schusswaffe täuschend ähnlichen äußeren Erscheinungsbild (das für den Waffenbegriff nicht wesentlich ist - swN Kienapfel aaO RN 27; Mayerhofer-Rieder StGB5 E 10, je zu § 143) verlässliche rechtliche Deduktionen auf die Waffeneigenschaft iS des § 143 StGB zu. Da etwa der Einsatz einer Ölspraydose (anders eines § 1 Z 1 WaffG unterfallenden Pfeffersprays - 12 Os 8/99) als Drohwerkzeug nach herrschender Judikatur (ungeachtet des damit verbundenen Gefährdungspotentials) nicht als Verwendung eines waffengleichen Mittels angesehen wird (ÖJZ-LSK 1978/47), und die essentielle Eignung von Federdruckinstrumenten der gegenständlichen Art, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen durch unmittelbare Einwirkung herabzusetzen, keineswegs auf der Hand liegt (vgl hiezu auch Ellinger-Wieser WaffG 1996 S 38 aE sowie die Verordnung der Oberösterreichischen Landesregierung vom 23. Juni 1997, LGBl 1997/81, über die Jugendgefährdung von "Federdruckwaffenspielzeug (Soft-Guns)" wegen der Schusswaffenähnlichkeit, S 431 f/I, und den Inhalt des Erlasses des BMI vom 11. April 2000, Zl 13.000/811-II/13/00, betreffend das Vorgehen von Exekutivorganen bei Interventionen wegen des Besitzes solcher Gegenstände [insbes Soft-Air-Guns] in Schulen), kann die Richtigkeit der vom Erstgericht vorgenommenen rechtlichen Subsumtion auf Grund des (unvollständig) festgestellten Tatsachensubstrates nicht abschließend überprüft werden.

Die aufgezeigten Mängel erfordern mithin die Kassation des Schuldspruchs in der hievon betroffenen Qualifikation und die partielle Verfahrenserneuerung im aufgezeigten Umfang.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

Ständige Rsp und herrschende Lehre verstehen unter einer ,Waffe" iS des § 143 erster Satz (zweiter Fall) StGB jedenfalls Waffen iS des § 1 Z 1 WaffG, mithin Gegenstände, die ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen durch unmittelbare Einwirkung zu beseitigen oder herabzusetzen. Während derartige Gegenstände ungeachtet dessen, ob sie im Zeitpunkt der Begehung des Raubes ihrer - dadurch nicht in Frage gestellten - Zweckbestimmung durch eine solche Eignung (= Zustand und Einsatzfähigkeit) gerecht werden (zB ungeladene oder funktionsuntüchtige Feuerwaffen), nicht nur Waffen iS des § 1 Z 1 WaffG, sondern auch des § 143 erster Satz (zweiter Fall) StGB darstellen, auch wenn ihre spezifische Ausrichtung in einer Einwirkung auf die Augen eines Menschen besteht (zB Gaspistolen; vgl auch das Bundesgesetz über das Verbot von blindmachenden Laserwaffen, BGBl I 1998/5), kommen andere als qualifikationsbegründend (§ 143 StGB) nur dann in Betracht, wenn sie nach ihrer konkreten Anwendbarkeit und Wirkungsweise unter dem Aspekt einer Beseitigung oder Herabsetzung der menschlichen Angriffs- oder Abwehrfähigkeit durch unmittelbare Einwirkung einer Waffe iS des § 1 Z 1 WaffG gleichkommen. Mangelt es einem Gegenstand sowohl an der Zweckbestimmung nach § 1 Z 1 WaffG (Waffe ieS), als auch an der bezeichneten Gleichwertigkeit, so ist ihre Form für den funktionalen Waffenbegriff des § 143 StGB ohne Belang. Wird eine Waffe (§ 143 StGB) - sei es als Attrappe einer § 1 Z 1 WaffG unterfallenden Waffe, sei es durch Erwecken des Anscheins, einen zur Herabsetzung der Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen durch unmittelbare Einwirkung sonst tauglichen Gegenstand zu verwenden - bloß vorgetäuscht, liegt schon begrifflich keine (§ 1 StGB) Waffe in diesem Sinne vor. Der Eindruck des Tatopfers von einem solchen Mittel ist ohne rechtliche Bedeutung (vgl Eder-Rieder WK2 § 143 Rz 18, die bei der Definition des funktionalen Waffenbegriffes treffend nur auf Anwendbarkeit und Wirkungsweise, nicht aber die Form abstellt; zum Ganzen auch Mayerhofer StGB5 § 143 E 5 ff, Kienapfel BT II3 Rz 15 ff).

Wendet man diese Kriterien auf die vorliegend in Rede stehende ,Soft-Gun" an, so zeigt sich, dass deren Tauglichkeit als Mittel zur Drohung allein in ihrer täuschenden Ähnlichkeit zu einer Faustfeuerwaffe (§ 3 WaffG) besteht, wogegen Geschwindigkeit und Masse der damit zu verschießenden Plastikkugeln die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen durch unmittelbare Einwirkung nur in einem (rechtlich) so unerheblichen Maße herabzusetzen geeignet sind, dass von der verlangten Gleichwertigkeit keine Rede sein kann (vgl auch Ellinger/Wieser WaffG 1996, 38). Weil nach der Aktenlage weitere Umstände, welche eine Bewertung des bei den vorliegenden (Raub-)Taten verwendeteten Gegenstandes als Waffe rechtfertigen könnten, nicht zu finden sind (zutreffend auch vom Generalprokurator nicht bezeichnet wurden) und daher in einem weiteren Rechtsgang auch nicht festgestellt werden könnten, konnte sich der Oberste Gerichtshof - ohne Auftrag zu einer diesbezüglichen Verfahrenserneuerung - darauf beschränken, den irrigen Ausspruch, wonach die Taten unter Verwendung einer Waffe begangen und somit die Raubqualifikation nach § 143 erster Satz (zweiter Fall) StGB begründet wurde, aus dem Urteil zu eleminieren.

Um dem Landesgericht Linz Gelegenheit zu geben, der im vergangenen Jahr beobachteten Entwicklung der (übrigens bei der öffentlichen Verhandlung vor dem Obersten Gerichtshof nicht anwesenden) beiden Jugendlichen durch erneute Jugenderhebungen (§ 43 JGG) angemessen Rechnung zu tragen, wurde von der prozessualen Möglichkeit, gleichzeitig die erforderlich gewordene Strafneubemessung vorzunehmen, nicht Gebrauch gemacht (vgl § 292 letzter Satz StPO).

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