OGH 12Os8/99

OGH12Os8/9911.3.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. März 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. E. Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Gutschi als Schriftführer, in der Strafsache gegen Karl Heinz F***** und Elisabeth S***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB, teils als Beteiligte nach § 12 dritter Fall StGB, sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten Karl Heinz F***** gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Klagenfurt vom 27. Oktober 1998, GZ 12 Vr 847/98-91, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Staatsanwalt Mag. Knibbe, der beiden Angeklagten und der Verteidiger Dr. Starha und Dr. Gradischnig zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten Karl Heinz F***** auch die ihn betreffenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Auf Grund des Wahrspruchs der Geschworenen wurde Karl Heinz F***** (A) des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB, (B) des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB sowie (C) des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG schuldig erkannt und Elisabeth S***** vom Anklagevorwurf, zur Ausführung des von Karl Heinz F***** (zu B) begangenen schweren Raubes beigetragen zu haben, gemäß § 336 StPO freigesprochen.

Nach dem Inhalt des Wahrspruchs hat Karl Heinz F*****

A/ in Villach Judith F***** zumindest mit einer Verletzung ihrer Person oder ihres Freundes Sieghardt D***** gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er (1) Anfang Februar 1998 ihr gegenüber wiederholt äußerte, wenn er sie nicht haben könne, solle auch kein anderer sie besitzen, er werde "Siegi" solange zusammenschlagen lassen, bis er von ihr weggehe, und "Siegi" werde wie ein Kellner vom "La Cocotte" mit einer Eisenstange zusammengeschlagen werden, sowie (2) am 17. Februar 1998 ihr telefonisch mitteilte, sie werde wünschen, ihn nie kennengelernt zu haben, sie könne sich anschnallen, sie werde von ihm so eine in die Fresse bekommen, daß sie sich anscheiße;

B/ am 1. Mai 1998 in Thörl-Maglern dadurch, daß er dem in der ÖAMTC-Wechselstube-Einreise beschäftigten Angestellten Robert S***** Pfefferspray ins Gesicht sprühte und ihn mit den Worten: "Den Tresor auf !" zur Herausgabe des Bargeldes aufforderte, diesem mit Gewalt gegen seine Person unter Verwendung einer Waffe 2,350.000 S und 90 Mio italienische Lire mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz abgenötigt;

C/ vom 30. April bis 2. Mai 1998 in Feistritz a.d.Drau und an anderen Orten unbefugt eine Pistole Marke Astra Cup 6,35, somit eine genehmigungspflichtige Schußwaffe besessen und am 1. Mai 1998 geführt, indem er sie bei der zu Punkt B beschriebenen Tat in seinem Rucksack verwahrte.

Gegen die Annahme des Qualifikationstatbestandes nach § 143 zweiter Fall StGB richtet sich die aus den Gründen der Z 6, 8 und 12 des § 345 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Karl Heinz F*****, gegen den Freispruch der Angeklagten Elisabeth S*****, gestützt auf § 345 Abs 1 Z 9 StPO, jene der Staatsanwaltschaft.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten

Karl Heinz F*****:

Rechtliche Beurteilung

Es versagen zunächst die rechtlichen Einwände (Z 12) gegen die Raubqualifikation (§ 143 zweiter Fall StGB):

Gerade weil der Regelungszweck dieser Qualifikationsnorm eben nicht, wie die Beschwerde vermeint, allein auf den Schutz des Raubopfers vor gravierenden Körperverletzungen beschränkt ist, sondern auch darin besteht, der durch den Einsatz einer Waffe gesteigerten Bedrohung des Eigentums wirksam zu begegnen, wird die vom Angeklagten reklamierte restriktive Begriffsauslegung der hier tatbildlichen Waffen auf jene, die entweder tödliche Wirkung haben oder deren Einsatz zumindest zu schweren Verletzungen führen, zu Recht von Lehre und Rechtsprechung insoweit übereinstimmend abgelehnt, als Waffen im Sinne des § 1 WaffG, wozu - von der Beschwerde auch gar nicht bestritten - eine Pfefferspraydose ihrem Herstellungszweck und ihrer Wirkungsweise nach eindeutig zählt (§ 1 Z 1 WaffG), auf jeden Fall den Waffenbegriff des § 143 StGB erfüllen (Leukauf/Steininger Komm3 RN 8; Kienapfel BT II3 RN 18, 19 und 21, je zu § 143). Soweit der Angeklagte seinen Standpunkt zudem durch die Behauptung zu untermauern sucht, der (psychiatrische) Sachverständige hätte einer Pfefferspraydose hinsichtlich Verletzungen geringere Wirkung zuerkannt als einem (nicht vom § 143 StGB umfaßten) Ölspray, verkehrt er die gutachterliche Aussage in ihr Gegenteil (467/II), weshalb das sohin aktenwidrige Vorbringen auf sich zu beruhen hat.

Mit dem weiteren Einwand, die Fragestellung (Z 6) und auch die Rechtsbelehrung (Z 8) hätte den Geschworenen die Beurteilung verwehrt, ob die Qualifikation eines "Pfeffersprays" als Waffe vom Vorsatz des Angeklagten umfaßt gewesen sei, ist die Beschwerde schon vom Ansatz her verfehlt, weil die subjektive Tatbestandsebene keine exakte juristische Erfassung der einzelnen Tatbildmerkmale oder gar eine richtige rechtliche Beurteilung des Täterverhaltens erfordert. Es genügt vielmehr, daß der Täter den gesamten Unrechtssachverhalt in laienhafter Bewertung so einschätzt, daß diese Beurteilung mit jener des Gesetzgebers im wesentlichen übereinstimmt (Leukauf/Steininger Komm3 § 7 RN 5-7; § 9 RN 8).

Gerade das hat der Angeklagte mit seiner Verantwortung, es sei ihm bei Verübung des Raubes unter Einsatz eines "Pfeffersprays" klargewesen, daß man dadurch einen anderen wehrlos und kampfunfähig machen und ihm durch Sprühen in die Augen damit auch Schmerzen zufügen kann (433/II), klar zum Ausdruck gebracht.

Davon abgesehen wurden die Laienrichter ohnehin davon unterrichtet (521, 523/II), daß ihnen auch die - im Fall der Mitangeklagten Elisabeth S***** zudem tatsächlich genützte - Möglichkeit der einschränkenden Bejahung der Schuldfrage (§ 330 Abs 2 zweiter Satz StPO) offensteht, sodaß die Stellung einer auch die Qualifikation des bewaffneten Raubes umfassenden Hauptfrage unbedenklich ist.

Der Beschwerde zuwider (Z 8) hat das Erstgericht ferner in der Rechtsbelehrung ausdrücklich und auch für einen Laien verständlich auf den Umstand hingewiesen, daß sich der zumindest bedingte Vorsatz des Täters auf den Einsatz aller im Gesetz bezeichneten Begehungsmittel und somit auch auf die Verwendung der Waffe beziehen muß (515 f/II). Die behauptete "offensichtliche Unvollständigkeit" der Rechtsbelehrung liegt daher gleichfalls nicht vor.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

Mit dem Einwand (Z 9), die Begründung der Geschworenen für die Bejahung der Zusatzfrage nach Zurechnungsunfähigkeit der Angeklagten S***** (fortl.Zl. 6) in der von ihnen verfaßten Niederschrift (497/II) sei "objektiv nicht geeignet, ein logisch stimmiges und verläßliches Bild von der Meinung der Geschworenen zu vermitteln", gelangt der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung, weil nichtigkeitsbegründende Mängel des Wahrspruchs ausschließlich aus diesem selbst, nicht jedoch aus der von den Laienrichtern gemäß § 331 Abs 3 StPO zu verfassenden Niederschrift, welche keine Urteilsbegründung darstellt, abgeleitet werden können (Mayerhofer StPO4 § 345 Z 9 E 7).

Beide Nichtigkeitsbeschwerden waren daher zu verwerfen.

Bei der Strafbemessung wertete das Geschworenengericht die Begehung mehrerer strafbarer Handlungen (zu A) derselben und (zu A-C) verschiedener Art, die einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten und die Verführung der Elisabeth S***** zur Beteiligung am Raub als erschwerend, das Geständnis, die überwiegende Schadensgutmachung durch Sicherstellung der Raubbeute und die Begehung des Raubes unter der Einwirkung enthemmender Medikamente demgegenüber als mildernd.

Davon ausgehend verhängte es über Karl Heinz F***** unter weiterer Berücksichtigung der reiflichen Überlegung und sorgfältigen Planung des Raubes (B) sowie des hohen Wertes der dadurch erlangten Beute (§ 32 Abs 3 StGB) nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB unter Bedachtnahme auf § 28 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren.

Dieses Strafausmaß bekämpfen - mit entgegengesetzten Zielen - sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft mit Berufung, ohne damit allerdings Umstände aufzuzeigen, die eine Korrektur des erstgerichtlichen Sanktionsausspruchs gerechtfertigt erscheinen ließen.

Soweit der Angeklagte seiner - exakt dem Schuldspruch laut Punkt C des Urteilssatzes entsprechenden - Vorstrafe wegen § 36 WaffG lapidar die Qualität einer einschlägigen Verurteilung abspricht, ohne jede Konkretisierung weiters behauptet, der Milderungsgrund des § 34 Z 10 StGB sei nur oberflächlich geprüft worden, und ebenso gänzlich offen läßt, aus welchem (nicht einmal nach seiner Verantwortung erkennbaren) Grund die sorgfältige Planung des Raubes und die Verführung der Elisabeth S***** zur Beteiligung an dessen Ausführung vom Erstgericht zu Unrecht als erschwerend gewertet worden sein soll, erfordert die Berufung als unsubstantiiert keine meritorische Erwiderung.

Gleiches gilt für das aktenwidrige Vorbringen, der psychiatrische Sachverständige hätte den in einer dissozialen Persönlichkeitsstörung gelegenen Charakterdefekt des Berufungswerbers in der Hauptverhandlung "ausdrücklich medizinisch als krankhaft bewertet" (463/II) und - insoweit im krassen Gegensatz zur Expertenmeinung (289/I) - den Angeklagten nicht als gefährlich sondern besserungsfähig eingestuft.

Daß Karl Heinz F***** die beim Raub zum Zwecke der Beseitigung der Abwehrfähigkeit des Tatopfers eingesetzte Pfefferspraydose nicht als Waffe im technischen Sinn betrachtete, hat angesichts seines umfassenden Wissensstandes über deren - dem Waffenbegriff des § 1 Z 1 WaffG exakt entsprechende - Wirkungsweise keine schuldmindernde Bedeutung.

Dem Einwand, der Berufungswerber habe "keinerlei Gewalt oder Brutalität gegenüber dem Kassier an den Tag gelegt" und dieser hätte sich "tatsächlich nie in Angstzuständen befunden", muß angesichts der aktenkundigen (auch eine Augenverletzung des Tatopfers inkludierenden) Modalitäten des abgeurteilten nächtlichen Raubüberfalles als krassem Verharmlosungsversuch von vornherein ein Stellenwert zugeordnet werden, der deutlich außerhalb der Bandbreite vertretbarer Sachargumentation liegt.

Die durch die Mitwirkung des Angeklagten ermöglichte weitgehende Sicherstellung der Raubbeute von rund 3 Mio S, welche die schadensorientierte Akzentuierung des Tatgewichtes wohl zu mindern, nicht aber zu beseitigen vermag, fand im erstgerichtlichen Strafausspruch ohnehin hinreichende Berücksichtigung.

Insgesamt entspricht das vom Geschworenengericht gefundene Strafausmaß - auch der Berufung der Staatsanwaltschaft zuwider - durchaus dem hohen Unrechts- und Schuldgehalt der abgeurteilten Straftaten und es trägt nach Lage des Falles auch den spezial- und generalpräventiven Erfordernissen gebührend Rechnung.

Beiden Berufungen war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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