OGH 12Os84/05b

OGH12Os84/05b6.10.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. Oktober 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber, Dr. Philipp, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wagner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Andreas G***** wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 11. Mai 2005, GZ 22 Hv 46/05x-58, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB (I) sowie der Vergehen der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB (II) und des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB schuldig erkannt, weil er am 29. Dezember 2004 in Telfs

(I) Patricia E***** durch mehrere wuchtige, mit einem Fleischklopfer und (nachdem dieser gebrochen war) mit dessen Stiel geführte Schläge gegen Kopf und Gesicht absichtlich eine an sich schwere, mit einer 24 Tage übersteigenden Gesundheitsschädigung verbundene Verletzungen, nämlich einen unverschobenen Nasenbeinbruch, eine Augapfelprellung links mit einer Einblutung in das Oberlid, mehrfache Gesichtsprellungen mit Einblutungen und Schwellungen sowie eine Platzwunde oberhalb der linken Augenbraue zufügte,

(II) die Genannte gegen ihren Willen im WC einschloss und am Oberarm festhielt sowie

(III) sich aus dem Festhaltegriff des Gendarmeriebeamten Andreas M***** heftig losriss, um sich der Festnahme durch diesen Beamten zu entziehen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 4, 5, 9 lit b und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wies das Erstgericht den Antrag auf zeugenschaftliche Einvernahme der Jasmin U***** zum Beweis dafür, „dass sich die Zeugin Patricia E***** mit einem Schnitt das Leben nehmen wollte und der Angeklagte sie lediglich retten wollte" (S 183/II) ohne Verletzung von Verteidigungsrechten ab (S 185/II), weil die unter Beweis zu stellenden Umstände weder schuld- noch subsumtionsrelevant waren.

In diesem Zusammenhang sei festgehalten, dass sich Jasmin U***** selbst nach der Einlassung des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Verletzungsentstehung nicht (mehr) am Tatort aufhielt (S 125 ff/II), sodass es zur prozessordnungskonformen Begründung des Beweisantrags jedenfalls Darlegungen darüber bedurft hätte, aus welchem Grund die Genannte entscheidungswesentliche Wahrnehmungen gemacht haben soll (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330).

Das den Beweisantrag ergänzende Beschwerdevorbringen hat auf sich zu beruhen, weil allein der Antrag den Gegenstand der Entscheidung des erkennenden Gerichts bildet und demnach auch der Oberste Gerichtshof dessen Berechtigung stets auf den Antragszeitpunkt bezogen überprüft (SSt 41/71, zuletzt 12 Os 60/05).

Entgegen der Mängelrüge (Z 5) widerspricht - wie die Generalprokuratur zutreffend ausführt - der im Bericht der Kiminalabteilung Innsbruck vom 11. Jänner 2005 festgehaltene Umstand nicht festgestellter Anhaftungen von Gewebe oder Haaren an den Schlagflächen des Tatwerkzeugs (S 261/I) dem gerichtsmedizinischen Gutachten (ON 16) nicht, weil dieses einerseits die Benutzung der Seitenflächen jenes Werkzeugs nicht ausschließt (S 181/II iVm S 291/I) und andererseits das - von der Beschwerde bloß spekulativ als zwingend behauptete - Erfordernis des Vorhandenseins derartiger Spuren nicht als notwendige Prämisse voraussetzt.

Welche dem festgestellten Tathergang widersprechenden Zeugenaussagen das Erstgericht mit Stillschweigen übergangen haben soll, lässt die Rüge nicht erkennen.

Die Bestimmung des § 39 Abs 1 StGB stellt nach ständiger Judikatur (s Flora in WK2 § 39 Rz 1) eine fakultativ anzuwendende Strafbemessungsregel dar und bewirkt solcherart weder eine Deliktsqualifikation noch eine Änderung des Strafsatzes, aus welchem Grund sich die diesbezüglichen Beschwerdeausführungen nicht auf entscheidende Tatsachen beziehen.

Die Behauptung, das Erstgericht gründe die Feststellungen zur subjektiven Tatseite ausschließlich auf den Erregungszustand des Beschwerdeführers, übergeht die (hiemit verschränkte) begründende Bezugnahme auf das äußere Tatgeschehen, nämlich das mehrfache massive Schlagen mit einem Fleischklopfer gegen das Gesicht des Opfers (US 10), und bringt solcherart den herangezogenen Nichtigkeitsgrund nicht prozessordnungskonform zur Darstellung.

Korrespondierendes gilt für die Rechtsrüge (Z 9 lit b), die für den Beschwerdeführer den Schuldausschließungsgrund des § 11 StGB reklamiert, hiebei aber die gegenteiligen Urteilsannahmen übergeht (US 7).

Die Subsumtionsrüge (Z 10), die - die Unterstellung der Tat unter den Tatbestand des § 83 Abs 1 StGB anstrebend - mangelnde Feststellungen zum Verletzungsgrad behauptet, unterlässt die gebotene Gesamtbetrachtung der Entscheidungsgründe, wonach Patricia E***** multiple Verletzungen im Gesichtsbereich erlitt (US 5) und die Verletzungsfolgen zumindest 4 Wochen nach der Tat noch sichtbar waren (US 9), womit im Zusammenhalt mit dem nach ständiger Judikatur zur Verdeutlichung der Entscheidungsgründe heranzuziehenden Urteilstenor (zuletzt 12 Os 42/04) das Vorliegen einer schweren Körperverletzung iSd § 84 Abs 1 StGB hinreichend zum Ausdruck kommt. Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass die (im Einklang mit dem gerichtsmedizinischen Sachverständigengutachten [S 181/II iVm S 289/I] stehende) Beurteilung der körperlichen Beeinträchtigung als in ihrer Gesamtheit (auch) an sich schwere Verletzung (§ 84 Abs 1 dritter Fall StGB) den von der Judikatur hiezu entwickelten Kriterien entspricht (zuletzt 13 Os 79/04).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Berufungen kommt somit dem Gerichtshof zweiter Instanz zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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