Spruch:
Der (zugunsten der Angeklagten Mike Omoruyi E***** und Amedi Alli Muhumuda A***** erhobenen) Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben; es wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der im Urteilsspruch beschriebenen Tat unter § 84 Abs 1 StGB, demgemäß auch in den Strafaussprüchen einschließlich der Vorhaftanrechnungen, aufgehoben, und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an den Einzelrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien verwiesen.
Der Angeklagte Mike Omoruyi E***** wird mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und seiner Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Mike Omoruyi E***** und Amedi Alli Muhumuda A***** - abweichend von der wegen Verbrechens des versuchten Raubes nach §§ 15 Abs 1, 142 Abs 1 StGB erhobenen Anklage (ON 8) - des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Danach haben Mike Omoruyi E***** und Amedi Alli Muhumuda A***** am 28. September 2003 in Wien im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) den Michael S***** dadurch, dass sie ihm Faustschläge und einen Fußtritt gegen das Gesicht versetzten, vorsätzlich am Körper in Form eines Nasenbeinbruches mit einer stark blutenden Wunde am Nasenrücken und starken Schwellungen im Bereich beider Augen (zu ergänzen: schwer) verletzt.
Rechtliche Beurteilung
Nur die Qualifikation des § 84 Abs 1 (dritter Fall) StGB bekämpfen die Staatsanwaltschaft zugunsten der Angeklagten Mike Omoruyi E***** und Amedi Alli Muhumuda A***** (vgl auch S 293) sowie der Angeklagte Mike Omoruyi E***** mit jeweils auf die Z 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden; jener der Staatsanwaltschaft kommt Berechtigung zu.
Nach den relevanten Urteilsfeststellungen versetzten Mike Omoruyi E***** und Amedi Alli Muhumuda A***** dem Michael S***** am 28. September 2003 in Wien im bewussten und gewollten Zusammenwirken insgesamt sieben bis acht Faustschläge sowie einen hoch angesetzten Fußtritt ins Gesicht. Dadurch erlitt der Genannte einen Nasenbeinbruch ohne Verschiebung der Bruchenden, eine stark blutende Schürfwunde am Nasenrücken, die im Wilhelminenspital mit einem 7 Tage zu belassenden Pflasterverband versorgt wurde, und starke Schwellungen im Bereich beider Augen (US 6, 7, 13). Der Polizeiamtsarzt bewertete im Attest vom 29. September 2003 die ohne Dislokation der Bruchenden gebliebene Nasenbeinfraktur, die Prellung über beiden Augen und die oberflächliche Schürfung an der linken Schläfe insgesamt als leichte Verletzungen (US 12, 13 iVm AS 65). Vor allem wegen der in diesem Gutachten unerwähnt gebliebenen stark blutenden Wunde am Nasenrücken gelangten die Tatrichter zur Ansicht, dass die Verletzungen insgesamt das dort dokumentierte Ausmaß beträchtlich überstiegen hätten, und in rechtlicher Hinsicht als bereits über der Schwelle zur "an sich schweren" Körperverletzung liegend zu qualifizieren seien (US 15, 16).
Im Ergebnis zutreffend moniert die Staatsanwaltschaft in der Subsumtionsrüge (Z 10) unzureichende Feststellungen zur verlässlichen Einstufung des Schweregrades der durch die Tat entstandenen Verletzungen.
Eine Verletzung oder Gesundheitsschädigung ist an sich schwer im Sinn des § 84 Abs 1 dritter Fall StGB, wenn durch sie dem Verletzten ein erheblicher körperlicher Nachteil zugefügt wird. Das Ausmaß der körperlichen Beeinträchtigung ist durch eine wertende Gesamtschau aller relevanten Umstände unter Berücksichtigung des jeweiligen Standes der Medizin zu ermitteln. Maßgebliche Kriterien hiefür sind insbesondere die Wichtigkeit des von der Verletzung betroffenen Organs oder Körperteils, die Intensität und das Ausmaß der Krankheitserscheinungen (Funktionsbeeinträchtigung, Schmerzen etc), die Ungewissheit und Dauer des Heilungsverlaufes, die Gefahr von Komplikationen, die Möglichkeit weiterer gesundheitlicher Folgen sowie der körperliche bzw gesundheitliche Zustand des Opfers vor der Tat. Mehrere (leichte) Verletzungen, die der Täter einer Person bei einer Tat zugefügt hat, können bei der gebotenen Gesamtbetrachtung in Summe zur Einstufung der Verletzungen als an sich schwer führen (Burgstaller/Fabrizy in WK2 Rz 17 ff; Kienapfel/Schroll BT I5 Rz 11 ff; Fabrizy StGB8 Rz 3 ff; Leukauf/Steininger Komm3 RN 7 ff; Mayerhofer StGB5 E 9 ff jeweils zu § 84 StGB).
Vorliegend hat das Schöffengericht die zuvor beschriebenen, einzeln (ersichtlich) als jeweils leicht eingestuften Verletzungen im Hinblick auf die im polizeiamtsärztlichen Verletzungsattest unberücksichtigt gebliebene, stark blutende und spitalsärztlich versorgte Wunde am Nasenrücken insgesamt als an sich schwer bewertet, ohne Feststellungen zu Art und Ausdehnung der Letztgenannten zu treffen (vgl Leukauf/Steininger aaO § 84 RN 9; Burgstaller/Fabrizy aaO § 84 Rz 24). Da ferner Konstatierungen zu den jeweiligen Heilungsverläufen sowie zur Intensität und Dauer der durch die Einzelverletzungen insgesamt bewirkten Krankheitserscheinungen (insbesondere Schwere und Dauer der verletzungsbedingten Schmerzen) fehlen, ist derzeit eine abschließende Beurteilung des Schweregrades der Tatfolgen nicht möglich.
Die aufgezeigten Feststellungsdefizite erfordern - in Übereinstimmung mit der Ansicht der Generalprokuratur - die Urteilsaufhebung bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO) im eingangs beschriebenen Umfang und insoweit die Verfahrensneudurchführung vor dem Einzelrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (Mayerhofer/Hollaender StPO5 § 288 E 49a).
Der Angeklagte Mike Omoruyi E***** war mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde, in welcher er mit isolierter Bezugnahme auf den als leichte Verletzung einzustufenden Nasenbeinbruch, jedoch prozessordnungswidrig unter Ausklammerung der übrigen Verletzungen eine Tatbeurteilung nach § 83 Abs 1 anstrebt, und mit seiner Berufung auf die teilkassatorische Entscheidung zu verweisen. Im zweiten Rechtsgang wird zur Abklärung des Verletzungsgrades die Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen zielführend sein.
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