OGH 9ObA134/05d

OGH9ObA134/05d30.9.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler und Dr. Herbert Stegmüller als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei J***** H*****, Angestellter, *****, vertreten durch Schuppich Sporn & Winischhofer, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Wolf Theiss Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen EUR 55.078,94 sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15. Juni 2005, GZ 7 Ra 76/05f-37, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Bei der Prüfung des Entlassungsgrunds der Vertrauensunwürdigkeit (§ 27 Z 1 AngG) kommt es vor allem darauf an, ob für den Arbeitgeber vom Standpunkt vernünftigen kaufmännischen Ermessens die gerechtfertigte Befürchtung bestand, dass seine Belange durch den Angestellten gefährdet seien (RIS-Justiz RS0029833 ua). Dabei ist an das Verhalten des Angestellten ein objektiver Maßstab anzulegen, der nach den Begleitumständen des Einzelfalls und nach den gewöhnlichen Anschauungen der beteiligten Verkehrskreise angewendet zu werden pflegt (RIS-Justiz RS0029733 ua). Entscheidend ist, ob das Verhalten des Angestellten als so schwerwiegend angesehen werden muss, dass das Vertrauen des Arbeitgebers derart heftig erschüttert wird, dass ihm eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann (RIS-Justiz RS0029323 ua). An Angestellte in leitender Stellung sind im Allgemeinen strengere Anforderungen zu stellen (RIS-Justiz RS0029652 ua). Ob ein Fehlverhalten des Angestellten schließlich derart schwerwiegend ist, dass dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung nicht mehr zugemutet werden kann, ist regelmäßig eine Frage des Einzelfalls, die - von Fällen krasser Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz abgesehen - die Zulässigkeit der Revision nicht rechtfertigen kann (8 ObA 90/03y; 8 ObA 28/05h ua).

Von einer unvertretbaren Fehlbeurteilung der zweiten Instanz kann aber hier nicht die Rede sein. Nach den bindenden Feststellungen der Vorinstanzen wurde der Kläger am 2. 12. 2002 als angestellter Geschäftsführer der Beklagten dienstfreigestellt und erhielt die Weisung, dass er die Büroräumlichkeiten mit der Ausnahme, dass er am Abend noch seine persönlichen Sachen abholen könne, nicht mehr betreten dürfe. Am 6. 12 2002 wurde der Kläger als Geschäftsführer der Beklagten und deren Tochtergesellschaften abberufen. Ungeachtet der erteilten Weisung verschaffte sich der Kläger in der weiteren Folge im Zeitraum 8. 12. 2002 bis 6. 3. 2003 eigenmächtig und heimlich viermal in der Nacht (jeweils nach 23.00 Uhr) Zutritt zu den Räumlichkeiten der Beklagten, wobei er sich der elektronischen Zutrittskarte eines ehemaligen Mitarbeiters der Beklagten bediente. Bei einer dieser Gelegenheiten griff der Kläger auf die Daten des Firmennetzes zu und löschte ca 900 Objekte im Offline-Ordner. Der Kläger tat in keiner Weise dar, dass er sich den Zutritt nur deshalb verschaffte, weil er als (einer von mehreren) Geschäftsführer(n) von Sorge um die Pflichten gemäß §§ 9, 80 BAO (Abgabenverbindlichkeiten der Gesellschaft), § 78 EStG (Einbehaltung der Lohnsteuer), §§ 95 ff EStG (Abfuhr der Kapitalertragssteuer), § 67 ASVG (Einbringlichkeit von Sozialversicherungsleistungen) sowie § 25 GmbHG erfüllt gewesen war. Auf seine diesbezüglichen Überlegungen in der Revision - deren rechtliche Qualität als Rechtfertigungsgrund hier nicht geprüft werden muss - kommt es daher nicht an. Der Verdacht, dass es sich dabei nur um einen Vorwand des Klägers handelt, um sich auch nach seiner Suspendierung Zugang zu vertraulichen Informationen der Beklagten zu verschaffen, liegt auf der Hand. Dem Kläger wäre es unbenommen geblieben, seine (angebliche) Sorge um die Erfüllung der vorgenannten Pflichten gegenüber der Beklagten offenzulegen, wenn ihm tatsächlich daran gelegen gewesen wäre. Vor dem Hintergrund des festgestellten eigenmächtigen und heimlichen Verhaltens des Klägers erweist sich die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dass das Verhalten des Klägers den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit verwirklichte, jedenfalls als vertretbar, sodass die außerordentliche Revision nicht zulässig ist.

Stichworte