OGH 1Ob135/05t

OGH1Ob135/05t27.9.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Univ. Prof. Dr. Michael E***** als Masseverwalter im Konkurs der E***** GesmbH, *****, vertreten durch Lattenmayer, Luks & Enzinger Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei Stadt Wien-Wiener Wohnen für den 17., 18. und 19. Bezirk, Wien 17, Elterleinplatz 14, vertreten durch Mag. DI Markus Petrowsky, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 4.250 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 26. Jänner 2005, GZ 35 R 430/04a-26, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Hernals vom 20. August 2004, GZ 17 C 954/03s-21, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 399,74 (darin enthalten EUR 66,62 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision mangels Vorliegens einer Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig:

Die (spätere) Gemeinschuldnerin erbrachte für die beklagte Partei Bauleistungen. Zum Haftrücklass war ua vereinbart, dieser sei - soweit er nicht in Anspruch genommen werde - spätestens 30 Tage nach Ablauf der (dreijährigen) Gewährleistungsfrist freizugeben. Eine Feststellung, es sei ausgeschlossen, dass neben bereits sanierten und in der Schlussrechnung berücksichtigten Mängeln weitere derzeit noch unbekannte Baumängel zu Tage treten könnten, wurde nicht getroffen. Zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz war die für die Rückstellung des Haftrücklasses vereinbarte Frist noch nicht abgelaufen.

Der klagende Masseverwalter begehrte nach Erklärung des Vertragsrücktritts gemäß § 21 KO den anlässlich der Schlussrechnung von der beklagten Partei einbehaltenen Haftrücklass in Höhe von EUR 4.250.

Das Berufungsgericht vertrat unter Hinweis auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs SZ 64/63 die Rechtsansicht, infolge der Rücktrittserklärung nach § 21 KO werde der Vertrag nicht aufgehoben, es unterbleibe nur dessen weitere Erfüllung. Nach Wegfall des Erfüllungs- bzw Verbesserungsanspruchs diene der Haftrücklass der Sicherung des an Stelle dieser Ansprüche tretenden Schadenersatzanspruchs nach § 21 KO. Der durch den Rücktritt des Masseverwalters entstehende Nachteil, dessen Ausgleich das Gesetz bezwecke, könne auch darin bestehen, dass der Werkbesteller für die Mängelbehebung selbst aufzukommen habe. Weiters führte das Berufungsgericht aus, § 14 Abs 2 KO gelte nur für Konkursforderungen. Für Aktivforderungen der Masse trete keine vorzeitige Fälligkeit ein (so schon Apathy in Bartsch/Pollak/Buchegger, Österreichisches Insolvenzrecht I4 § 14 KO Rz 2; RIS-Justiz RS0064135), sodass der Masseverwalter nicht berechtigt sei, vor Ablauf der vereinbarten „Rückbehaltungsfrist" die Auszahlung des Haftrücklasses zu fordern. Die vereinbarte Fälligkeit des Haftrücklasses bleibe daher unverändert und diene zur Deckung des derzeit noch unbekannten, allenfalls notwendigen Verbesserungsaufwands.

In seinen Revisionsausführungen unterstellt der klagende Masseverwalter, anlässlich der Schlussrechnung seien die Kosten der Sanierung aller Mängel bereits in Abzug gebracht worden, weitere Mängel würden nicht vorliegen bzw nicht mehr auftreten. Ausgehend von dieser Annahme nimmt er den Rechtsstandpunkt ein, ohne Bestehen von Mängeln sei kein Anlass gegeben, den Haftrücklass weiter zurückzubehalten. Dabei übersieht er jedoch, dass eine derartige Feststellung nicht getroffen wurde. Festgestellt ist lediglich, dass anlässlich der Schlussrechnung „die tatsächlich erbrachten Leistungen sowie die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen berücksichtigt wurden". Aus der Begründung der Entscheidungen der Vorinstanzen (S 10 des Ersturteils, S 8 der Berufungsentscheidung) geht eindeutig hervor, dass diese Feststellung nur auf den Zeitpunkt der Schlussrechnung und nicht auf die gesamte Gewährleistungsfrist zu beziehen und so zu verstehen ist, möglicherweise könnten zusätzlich zu den bereits sanierten Mängeln zukünftige, derzeit noch ungewisse Mängel vor Ablauf der Gewährleistungsfrist auftreten. Wie sich aus der Natur der Sache ergibt, hätte das Erstgericht (außer im Fall einer diesbezüglichen, hier aber nicht erfolgten Außerstreitstellung) das Auftreten derzeit noch unerkannter Baumängel auch gar nicht ausschließen können, besteht doch gerade bei Bauarbeiten grundsätzlich die Möglichkeit, dass bereits bestehende (versteckte) Mängel erst zu einem späteren Zeitpunkt auffallen. Den Revisionsausführungen, im Falle letztlich (evident) mängelfreier Leistung sei eine Zurückbehaltung des Haftrücklasses als Deckungskapital nicht mehr berechtigt, liegt somit kein entsprechendes Tatsachensubstrat zu Grunde; sie entfernen sich insofern vom festgestellten Sachverhalt.

Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt ist die Rechtsansicht des Berufungsgerichts zutreffend: Wenngleich die Entscheidung SZ 64/63 auf Mängel Bezug nahm, die den Parteien bereits bekannt waren, muss bereits aus allgemeinen Erwägungen auch das noch ungewisse Auftreten von Mängeln zur Zulässigkeit des Einbehalts des Haftrücklasses nach Vertragsrücktritt des Masseverwalters führen: Haftrücklässe werden bei Bauverträgen gerade zu dem Zweck vereinbart, um Gewährleistungsansprüche für die nach Übergabe zu Tage tretenden Mängel des Werks zu sichern (Gamerith in Bartsch/Pollak/Buchegger aaO § 21 Rz 48). Die Zahlung des Haftrücklasses an den Masseverwalter ist insofern bedingt, als sie vom Nichtauftreten derzeit noch unbekannter Mängel innerhalb der Gewährleistungsfrist abhängt. Es ist daher nicht möglich, wie bei befristeten Ansprüchen eine Bewertung bzw Rückbeziehung auf den Tag der Konkurseröffnung vorzunehmen, sondern haben jene Regelungen analog zu gelten, wie sie für bedingte Forderungen aufgestellt sind (§ 16 KO). Über den Anspruch auf Zahlung des einbehaltenen Haftrücklasses kann erst nach Ablauf der Gewährleistungsfrist endgültig abgesprochen werden. Infolge Schlusses der mündlichen Verhandlung vor Ablauf dieser Frist war der Anspruch nicht fällig. Die Zielsetzung der Konkursordnung, schwebende Geschäfte im Rahmen des Konkursverfahrens abzuwickeln, um eine rasche Verwertung des Vermögens des Gemeinschuldners zu erreichen, ist hier also nicht erfüllbar, würde doch die beklagte Partei im Falle der vorzeitigen Rückzahlung des Haftrücklasses an die Konkursmasse und dessen Verteilung an die Gläubiger ihre Sicherheit aus dem Haftrücklass auf Dauer verlieren.

Die Entscheidung SZ 54/168 steht dem nicht entgegen: Diese Entscheidung stellte darauf ab, dass der Haftrücklass dem Masseverwalter auszuzahlen sei, weil Ansprüche wegen Schadenersatzes (§ 21 Abs 2 KO) nicht vorlagen (die dortige Beklagte hatte das Vorhandensein von Mängeln ausdrücklich verneint und vorgebracht, die spätere Gemeinschuldnerin habe ihre Vertragspflichten „vollinhaltlich erfüllt").

Der Ablauf der Gewährleistungsfrist ist somit trotz Rücktritts des Masseverwalters auch dann abzuwarten, wenn - wie hier - derzeit zwar das Auftreten von (weiteren) Baumängeln nicht feststeht, für die Zukunft aber auch nicht ausgeschlossen ist.

Mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO - der Oberste Gerichtshof hat bereits eindeutig Stellung bezogen, seine Ansicht wurde auch von der Lehre gebilligt (Gamerith aaO) - ist die Revision als unzulässig zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Da die beklagte Partei auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat, sind ihr die Kosten der Revisionsbeantwortung zuzusprechen (RIS-Justiz RS0035979).

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