Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch unbekämpft gebliebene Teilfreisprüche enthält, wurde Günther S***** (im zweiten Rechtsgang neuerlich) der Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG (I. 1. bis 7.) schuldig erkannt.
Danach hat er in Voitsberg und anderen Orten den bestehenden Vorschriften zuwider „ein Suchtgift
I. in mehrfach großer Menge in Verkehr gesetzt, indem er
1. im Zeitraum von Juli 2001 bis Dezember 2001 rund 50 Gramm Kokain an Claudia F***** überließ,
2. im Juli 2001 zwei Lines Kokain an Erika Fr***** und Claudia F***** kostenlos weitergab,
3. im Zeitraum Juli 2001 bis Dezember 2001 unbekannte Mengen Kokain mit Erika Fr***** sowie im Herbst 2001 mit Thomas L***** konsumierte, wobei das Kokain vom Angeklagten kostenlos zur Verfügung gestellt wurde,
4. im Zeitraum vom Sommer 2001 bis Dezember 2001 10 Lines Kokain der Noemi G***** kostenlos zur Verfügung stellte,
5. im Zeitraum von Februar 2001 bis Juli 2002 Thomas L***** und Noemi G***** 40 Gramm Kokain kostenlos zur Verfügung stellte,
6. im Zeitraum vom Oktober bis November 2003 an Anna H***** und Katarzyna Z***** 6 bis 8 Lines Kokain kostenlos weitergab und
7. im Zeitraum Mai bis Juli 2002 der Anita S***** zumindest 10 Lines Kokain kostenlos überließ."
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus den Gründen des § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a und 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.
Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Ablehnung (S 81 f/III) der in der Hauptverhandlung am 10. Februar 2005 gestellten Anträge auf
- „Beischaffung des Aktes 12 St 851/00k der Staatsanwaltschaft Graz zum Beweis dafür, dass die Zeugin Claudia F***** bereits einmal wegen des Verdachts der Verleumdung bzw der falschen Beweisaussage beamtshandelt und in diesem Fall mit Diversion vorgegangen wurde, dies zum Beweis der Unglaubwürdigkeit der Zeugin Claudia F***** vor dem Landesgendarmeriekommando und in der heutigen Hauptverhandlung" und auf
- Vernehmung der Zeuginnen Ulrike Rosemarie K***** und Narcisa Elena B***** (richtig: B*****) zum Beweis der Unrichtigkeit der Aussage der Zeugin Claudia F***** vor der Gendarmerie hinsichtlich ihrer Arbeitszeit und ihrer dienstfreien Tage sowie des Abrechnungsmodus (S 75 f/III)
Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht beeinträchtigt.
Der Umstand, dass ein Zeuge bereits wegen Verleumdung oder falscher Beweisaussage zur Verantwortung gezogen wurde, kann zwar eine unter dem Gesichtspunkt der Glaubwürdigkeitsbeurteilung erhebliche Tatsachen darstellen (vgl Ratz in WK-StPO § 281 Rz 340). Voraussetzung einer solchen Erheblichkeit sind allerdings Anhaltspunkte für eine habituelle und demzufolge die Aussagen im Strafverfahren erschütternde Falschbezichtigungstendenz des Zeugen (vgl 14 Os 83/00) oder für einen Zusammenhang früherer falscher Angaben mit dem Verfahrensgegenstand (vgl 14 Os 30/05a).
Der Beweisantrag auf Aktenbeischaffung enthielt kein derartiges Vorbringen, dessen es vorliegend um so mehr bedurft hätte, als der Angeklagte selbst Gründe für eine fälschliche Belastung durch die Zeugin Claudia F***** nicht anzugeben vermochte (S 61/III). Demnach zielte der Antrag bloß auf eine Sondierung potenzieller Beweisquellen und damit auf einen unzulässigen Erkundungsbeweis ab (vgl Ratz in WK-StPO § 281 Rz 330).
Dies trifft auch auf das weitere Beweisbegehren zu. Dem Erstgericht wurde nicht dargetan, weshalb die beantragten Zeuginnen, von denen die eine nach ihren Angaben vor der Gendarmerie im Lokal „W*****" erst ab März 2002 beschäftigt (Zeugin K*****, S 495/III) und die andere nach eigenen Worten dort nur ab und zu aushilfsweise tätig war (Zeugin B*****, S 549/II), in der Lage sein sollten, zum genannten Beweisthema (für den inkriminierten Zeitraum Juli bis Dezember 2001, vgl I.1.) Auskunft zu geben.
Die Beweisanträge verfielen daher zu Recht der Abweisung.
Dem Beschwerdeeinwand einer in der Verkürzung des Verteidigungsrechts auf Überprüfung der Verlässlichkeit der einzigen Belastungszeugin gelegenen Verletzung von Grundsätzen eines fairen Verfahrens (Art 6 Abs 1 und Abs 3 EMRK) bleibt daher nur der Vollständigkeit halber zu erwidern, dass die Vernehmung der Zeugin Claudia F***** in der Hauptverhandlung (S 57 ff/III) es nicht nur den Tatrichtern ermöglichte, sich ein Bild über die Glaubwürdigkeit der Zeugin zu machen, sondern auch dem Angeklagten und seiner Verteidigerin Gelegenheit bot, deren Verlässlichkeit in Frage zu stellen.
Auch die Mängelrüge (Z 5) versagt.
Das Schöffengericht folgte auf Grund des von der Zeugin gewonnenen sehr glaubwürdigen Eindrucks ihrer die belastenden Angaben vor der Gendarmerie und dem Untersuchungsrichter bekräftigenden Aussage in der Hauptverhandlung vom 10. Februar 2005, nicht aber ihren abschwächenden Einlassungen in der Hauptverhandlung vom 28. Juli 2004 (US 8 f). Der dagegen gerichtete Einwand einer offenbar unzureichenden Begründung der Feststellungen zum Schuldspruch I.1. ist nicht zielführend, weil der zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit eines Zeugen auf Grund des in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks führende kritisch-psychologische Vorgang als solcher einer Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde entrückt ist (vgl Ratz in WK-StPO § 281 Rz 431; RIS-Justiz RS0106588).
Die hinsichtlich des Schuldspruchs I.2. ebenfalls aus Z 5 vierter Fall erhobene Rüge entzieht sich mangels prozessordnungskonformer Orientierung an den Entscheidungsgründen (US 9 f; Ratz aaO § 281 Rz 394) einer sachbezogenen Erwiderung.
Zum Urteilssachverhalt zu I.5. legten die Tatrichter mängelfrei dar, weshalb sie den Angaben des Zeugen Thomas L***** zur Menge des Suchtgifts vor der Gendarmerie und dem Untersuchungsrichter, nicht aber den abschwächenden, Misshandlungen durch Gendarmeriebeamte behauptenden Aussagen in der Hauptverhandlung vom 28. Juli 2004 und 10. Februar 2005 sowie den (entlastenden) Depositionen der Zeugin Noemi G***** folgten (US 12 f). Indem die Beschwerde unter eigenständigen Schlüssen aus den Verfahrensergebnissen - im Übrigen bloß pauschal - die mangelnde Nachvollziehbarkeit jener Gründe behauptet, zeigt sie eine offenbar unzureichende Entscheidungsbegründung nicht auf.
Auch die aus Z 5 zweiter Fall vorgebrachten Einwände sind nicht stichhältig.
Aus den in der Beschwerde genannten finanzbehördlichen Aufzeichnungen (S 313 ff/I) geht lediglich hervor, dass neben den im Schuldspruch bezeichneten Personen weitere Mitarbeiter im Lokal „W*****" beschäftigt waren, nicht aber, dass diese kein Suchtgift erhielten. Daher bedurfte es keiner Erörterung dieses Verfahrensergebnisses im Zug der beweiswürdigenden Erwägungen zu I.3., wonach die Tatrichter es als unglaubwürdig ansahen, dass „Erika Fr***** die einzige Kellnerin im Lokal 'W*****' gewesen ist, die nie Kokain konsumiert hat" (US 11).
Weshalb die - überdies bloß fragmentarischen - Aufzeichnungen betreffend Arbeitszeit und Abrechnungsmodus der Claudia F***** in Anbetracht der dem Schuldspruch I.1. zu Grunde gelegten Suchtgiftmenge von 50 Gramm Kokain und Nichtannahme der Gewerbsmäßigkeitsqualifikation erörterungsbedürftig gewesen sein soll, legt die Beschwerde nicht dar.
Die Tatsachenrüge (Z 5a) vermag aus den Akten keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der den Schuldsprüchen laut I.1. und I.5. zu Grunde liegenden entscheidenden Tatsachen hervorzurufen, indem sie die Verlässlichkeit der den Angeklagten belastenden, wie erwähnt von den Tatrichtern auf Grund des persönlichen Eindrucks für glaubwürdig befundenen Angaben der Zeugin Claudia F***** zu erschüttern trachtet.
Die eine Tatbeurteilung nach § 27 Abs 1 sechster Fall SMG reklamierende Subsumtionsrüge (Z 10), die übrigens zu Unrecht von einem Bedeutungsunterschied zwischen „Überlassen" iS jener Bestimmung und „Inverkehrsetzen" iSd § 28 Abs 2 vierter Fall SMG ausgeht (13 Os 19/04), beruht auf der urteilsfremden Tatsachenannahme, das Suchtgift habe nie den Besitzer gewechselt (vgl aber US 5), und verfehlt solcherart den gebotenen Vergleich des festgestellten Sachverhalts mit dem angewendeten Gesetz.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der dazu erstatteten Äußerung der Verteidigung, bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofs zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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