OGH 14Os83/00

OGH14Os83/0012.12.2000

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Dezember 2000 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krauss als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Heinz P***** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 207 Abs 1, 15 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 4. Mai 2000, GZ 13 Vr 2.383/99-15, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Heinz P***** des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 207 Abs 1, 15 StGB (1) und des Vergehens des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (2) schuldig erkannt.

Darnach hat er in der Zeit von Ende 1996/Anfang 1997 bis zumindest Frühjahr 1998 in Bad-Bleiberg

1) außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an der am 10. Juli 1984 geborenen unmündigen Marion L*****

a) wiederholt vorgenommen, indem er teils über, teils unter der Kleidung die Brüste und die Scheide des Mädchens betastete;

b) vorzunehmen versucht, indem er ihre Hand ergriff und in Richtung seines bekleideten Gliedes zu führen versuchte;

2) durch die unter Punkt 1 angeführten Straftaten unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber einer seiner Aufsicht unterstehenden minderjährigen Person diese zur Unzucht missbraucht.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a und 9 lit a StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch Ablehnung der Anträge auf Vernehmung der N. H*****, N. R*****, Dr. Josef F***** und N. Sch***** als Zeugen Verteidigungsrechte nicht geschmälert.

Die erstgenannte Zeugin wurde ohne konkretes Beweisziel in Verbindung mit dem nicht aufschlussreichen Hinweis, dass es sich um eine "familienaußenseitige" Person handle, "zum Beweis für die komplizierte Persönlichkeitstruktur der Marion L*****" beantragt (S 194). Damit zielte das Beweisbegehren nur auf die Aufnahme eines Erkundungsbeweises ab, sollte doch bloß eruiert werden, ob von der Zeugin eine Förderung der Wahrheitsfindung zu erwarten ist (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 88, 88a). Die in der Beschwerde nachgeholte Begründung des Beweisbegehrens ist unbeachtlich, weil bei Prüfung der Berechtigung eines Antrags aus dem Blickwinkel der reklamierten Nichtigkeit die Verfahrenslage bei Antragstellung maßgeblich ist (aaO E 41).

Die anderen Zeugen wurden "zum Beweis für die Lügenhaftigkeit der Marion L*****" begehrt, wozu der Verteidiger nur auf einen früher eingebrachten Schriftsatz verwies (S 200). Darin findet sich nach einer Schilderung von Erziehungsproblemen zwischen dem Mädchen und dem Angeklagten als Lebensgefährten von dessen Mutter das Vorbringen, Marion L***** habe die Unwahrheit gesagt, als sie am 14. März 2000 ihren Klassenvorstand N. R***** um 14,10 Uhr bat, den Unterricht vorzeitig verlassen zu dürfen, weil sie einen Termin beim Zahnarzt Dr. Josef F***** habe, und als sie dem Angeklagten, der sie ersucht hatte, eine Armbanduhr zum Juwelier S***** zur Reparatur zu bringen, nach einiger Zeit - ohne tatsächlich nachgefragt zu haben - mitteilte, die Instandsetzung sei zu teuer (ON 13). Gründe, die erwarten ließen, durch Vernehmung der beantragten Zeugen eine habituelle und demzufolge die Aussagen im Strafverfahren erschütternde "Lügenhaftigkeit" der Marion L***** zu erweisen, wurden damit nicht vorgebracht (vgl aaO E 19, 112). Dazu kommt, dass der Schöffensenat ohnedies vom Einbekenntnis des Mädchens ausgegangen ist, bei einigen vom Verteidiger genannten - nicht den Verfahrensgegenstand betreffenden - Episoden zum Teil gelogen zu haben (S 201; US 11).

Somit wurde auch dieser Beweisantrag zu Recht abgelehnt.

Entgegen dem Beschwerdestandpunkt (Z 5) ist dem unmissverständlich auf die Angaben der Marion L***** Bezug nehmenden Urteil deutlich zu entnehmen, aus welchen Gründen das Erstgericht die Feststellungen traf (US 7). Unberechtigt ist auch der Einwand, es habe sich mit verschiedenen Äußerungen der Genannten zu Lehrerinnen über sexuelle Übergriffe des Angeklagten nicht befasst (US 11).

Mit dem großteils nach Art einer Schuldberufung erstatteten Vorbringen gegen die Erwägungen des Schöffengerichts zur Unglaubwürdigkeit der Zeugin Sandra L***** (US 9) wird kein formaler Begründungsmangel aufgezeigt, sondern unter Verkennung gesetzlicher Anfechtungsmöglichkeiten ein im Nichtigkeitsverfahren unzulässiger und demnach unbeachtlicher Angriff auf die Beweiswürdigung unternommen. Unzureichend ist eine Urteilsbegründung, wenn für den Ausspruch über eine entscheidende Tatsache entweder überhaupt keine oder nur solche Gründe angegeben sind, aus denen sich nach den Denkgesetzen und allgemeiner Lebenserfahrung ein logischer Schluss auf die festgestellte Tatsache nicht ziehen lässt (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 5 E 114). Davon kann aber hier keine Rede sein.

Ob der Angeklagte erziehungsberechtigt war und sich in erzieherische Belange einmischte, ist für den Schuldspruch 2 ebensowenig von Relevanz wie eine "quasi familiäre" Situation, weshalb die insoweit geübte Begründungskritik versagt.

Weil ein - vom Angeklagten nicht in Abrede gestelltes (S 177; ON 13) - Aufsichtsverhältnis zwischen ihm als Lebensgefährten ihrer Mutter (Leukauf/Steininger Komm3 § 212 RN 5f) und Marion L***** konstatiert wurde, gibt der Urteilssachverhalt entgegen der Beschwerde (der Sache nach Z 9 lit a) auch insoweit eine tragfähige Grundlage für den Schuldspruch nach § 212 Abs 1 StGB ab.

Nach Prüfung des Beschwerdevorbringens (Z 5a) anhand der Akten ergeben sich weder erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen noch liegen die Voraussetzungen für die vom Rechtsmittelwerber angeregte außerordentliche Wiederaufnahme nach § 362 StPO vor.

Die Behauptung von Feststellungsmängeln (Z 9 lit a) des Schuldspruchs 1 beruht nicht auf dem von der Prozessordnung gebotenen Vergleich des Urteilssachverhalts mit dem angewendeten Strafgesetz, sondern auf der Anzweiflung und teils auch Vernachlässigung konstatierter Tatsachen in Verbindung mit weitläufigem Vorbringen über rechtlich unbedeutende Umstände. Die vermissten Feststellungen über die fortgeschrittene körperliche Entwicklung des Mädchens hat das Erstgericht ohnedies getroffen (US 4 unten, 5). Mit Spekulationen über eine Beeinflussung der Zeugin wird ein Rechtsfehler nicht einmal behauptet.

Hinsichtlich Schuldspruchfaktum 2 aber wird die erwähnte Feststellung der Aufsicht des Angeklagten über das Tatopfer (US 6) prozessordnungswidrig ignoriert.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Graz zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.

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