Spruch:
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und in amtswegiger Wahrnehmung gemäß § 290 Abs 1 StPO wird das angefochtene Urteil, welches im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der den Angeklagten Michael R***** und Cindy K***** laut II A und dem Angeklagten Michael R***** laut II B des Schuldspruchs zur Last liegenden Taten unter § 202 Abs 1 StGB (zu II A ersatzlos) und demgemäß in den die beiden Angeklagten betreffenden Strafaussprüchen einschließlich der Aussprüche über die Vorhaftanrechnung und in der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten Michael R***** nach § 23 StGB aufgehoben und im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:
Michael R***** hat durch die ihm nach II B des Schuldspruchs zur Last liegenden Taten die Vergehen des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen nach § 207b Abs 2 StGB begangen.
Er wird hiefür und für die aufrecht bleibenden Schuldsprüche wegen der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und der Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 28 StGB nach § 206 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt.
Gemäß § 23 StGB wird seine Unterbringung in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter angeordnet.
Der den Angeklagten Michael R***** betreffende Ausspruch über die Vorhaftanrechnung wird aus dem angefochtenen Urteil übernommen. Im Übrigen wird seine Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Michael R***** auf die Strafneubemessung verwiesen.
Hinsichtlich der Angeklagten Cindy K***** wird die Sache zur Strafneubemessung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.
Dem Angeklagten Michael R***** fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Michael R***** des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I A und B des Urteilssatzes) sowie der Vergehen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB aF (II) und der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (IV) schuldig erkannt. Das Schöffengericht verhängte hiefür über ihn eine Freiheitsstrafe von neun Jahren und ordnete seine Unterbringung in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter gemäß § 23 StGB an.
Die Zweitangeklagte Cindy K***** wiederum, welche das Urteil unbekämpft ließ, wurde der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB, teils als Beteiligte nach § 12 dritter Fall StGB, (I A und III 1 und 3 des Urteilssatzes) sowie der Vergehen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB aF, teils als Beteiligte nach § 12 dritter Fall StGB, (II A und III 2) schuldig erkannt.
Danach haben in Wien
(zu I) vorsätzlich mit einer unmündigen Person den Beischlaf oder eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternommen, und zwar
(A) Michael R***** und Cindy K***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken (§ 12 erster Fall StGB) im Herbst/Winter 2003 mit der am 23. Juli 1990 geborenen, mithin unmündigen Ruth P*****, indem sie diese veranlassten, an Michael R***** einen Hand- und Oralverkehr durchzuführen, worauf er sein Glied in ihre Scheide und ihren After einführte und sodann Cindy K***** mit P***** einen Oralverkehr durchführte, wobei sie (R***** und K*****) abwechselnd mit einer Sofortbildkamera Aufnahmen machten;
(B) Michael R***** alleine
(1) im Zeitraum von ca Anfang des Jahres 2004 bis Anfang Juni 2004 in einer größeren Zahl von Tathandlungen mit der am 25. November 1991 geborenen, mithin unmündigen Katharina F*****, indem er sein Glied in ihre Scheide und ihren After und einen Finger in ihre Scheide einführte, mit ihr Mundverkehr durchführte sowie dadurch, dass er an der Unmündigen einen Handverkehr vornahm und teilweise mit einem Handy Fotos machte;
(2) am 24. Juli 2004 mit der am 22. März 1992 geborenen, mithin unmündigen Marina Z*****, indem er sie am gesamten Körper küsste, sein Glied auf ihre Scheide legte und hin- und herrieb, worauf sie miteinander Oralverkehr durchführten und er einen Finger in ihre Scheide und in ihren After einführte;
(zu II) außer den Fällen des § 201 StGB eine Person durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper, wobei die Drohung jeweils gegen eine nahestehende Person gerichtet war, zur Vornahme oder Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt, und zwar (A) Michael R***** und Cindy K***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken (§ 12 erster Fall StGB) im Herbst/Winter 2003 Ruth P***** (geboren 23. Juli 1990) zu den zu I A beschriebenen Tathandlungen, indem Michael R***** und Cindy K***** der P***** gegenüber äußerten, „dass Cindy K***** von der Mafia umgebracht werde, wenn sie ihnen nicht helfe" bzw „sie würden Nacktfotos von Cindy K***** und einer Freundin benötigen, um sie der russischen Mafia zu schicken, damit Cindy K***** nichts passiere" (wobei Cindy K***** weinte) und Michael R***** vorgab, von den „Russen" angerufen worden zu sein, und erklärte, er müsse mit der Genannten Fotos machen, auf denen er mit dieser beim Geschlechtsverkehr abgebildet sei;
(B) Michael R***** alleine im Juli 2003 Anna Pi*****, indem er in zumindest drei Angriffen sein Glied in ihre Scheide und ihren After einführte und Pi***** mindestens zweimal Hand- und Oralverkehr an ihm durchführte, indem er der Genannten gegenüber äußerte, „Cindy K***** stecke in Schwierigkeiten, da sie sich von den falschen Leuten Geld ausgeborgt habe, und die Nacktfotos seien nötig, um die Schulden zurückzuzahlen; Cindy K***** werde sonst in das Ausland verbracht" (wobei K***** weinte), sowie dadurch, dass er - nachdem die Genannte es abgelehnt hatte, für Fotos mit K***** ihr Schamhaar zu rasieren - vorgab, ein Telefonat mit den K***** bedrohenden Personen zu führen, wonach die Genannte mit ihm Fotos machen müsse, auf denen er mit dieser beim Geschlechtsverkehr abgebildet sei,
(zu III) Cindy K***** zu Tathandlungen des Michael R***** beigetragen und, indem sie diese jeweils gemeinsam beschlossen und sie jeweils Fotos von den geschlechtlichen Handlungen des Michael R***** mit seinem jeweiligen Opfer machte, wodurch Michael R***** (gemeint: in seinem Tatentschluss) bestärkt wurde,
und zwar
(1) von ca. Anfang 2004 bis Juni 2004 zu den zu I B 1 beschriebenen Tathandlungen zum Nachteil der Katharina F*****,
(2) im Juli 2003 zu den zu II B beschriebenen Tathandlungen zum Nachteil der Anna Pi*****, dies zusätzlich auch dadurch, dass sie der Genannten einen Stringtanga gab,
(3) am 24. Juli 2004 zu den zu I B 2 beschriebenen Tathandlungen zum Nachteil der Anna Z*****,
(zu IV) Michael R***** alleine die Nachgenannten durch gefährliche Drohung zu einer Unterlassung genötigt, und zwar
(1) im Herbst/Winter 2003 Ruth P***** in zwei Angriffen durch die Äußerung: „Wenn sie jemandem davon (gemeint die geschlechtlichen Handlungen zwischen ihm und der Genannten) erzähle, werde er ihr jemanden schicken, der sie so herrichten werde, dass sie keiner mehr ansehen werde", zur Unterlassung der Anzeigeerstattung und
(2) am 24. Juli 2004 Marina Z***** durch die sinngemäße Äußerung:
„Wenn sie nicht zu schreien aufhöre, werde er mit seinem Glied in sie eindringen", zur Unterlassung von Hilferufen.
Diesen Schuldspruch sowie die Unterbringung in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter bekämpft der Angeklagte Michael R***** mit einer auf § 281 Abs 1 Z 3, 5, 9 lit a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Rechtliche Beurteilung
Zu Unrecht macht der auf § 439 Abs 1 und 2 StPO verweisende Beschwerdeführer in der Verfahrensrüge (Z 3) Nichtigkeit der Anordnung seiner Unterbringung in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter wegen der lediglich einstündigen Anwesenheit der psychiatrischen Sachverständigen Dr. Sigrun Ro***** in der (mehr als vier Stunden andauernden) Hauptverhandlung geltend. Nach den zitierten Bestimmungen muss bei sonstiger Nichtigkeit der Anordnung einer Maßnahme gemäß § 23 StGB zwar ein Verteidiger des Beschuldigten während der ganzen Dauer der Hauptverhandlung anwesend sein (§ 439 Abs 1 StPO), ein Sachverständiger aus dem Gebiet der Psychiatrie (§ 429 Abs 2 Z 2 StPO) vom Gericht hingegen nur „beigezogen" werden (§ 439 Abs 2 StPO). Dazu genügt die für die Erstattung und Erörterung des die Frage der Anordnung der vorbeugenden Maßnahme betreffenden Gutachtens erforderliche Anwesenheit des Sachverständigen (vgl JBl 1992, 55; Medigovic, WK-StPO § 439 Rz 3).
Dem weiteren Vorbringen der Verfahrensrüge (Z 3) zuwider haben Anna Pi*****, Marina Z***** und Katharina F***** schon bei ihren, das Entschlagungsrecht nach § 152 Abs 1 Z 2a StPO begründenden kontradiktorischen Vernehmungen als Zeugen im Vorverfahren erklärt, „in einer (allfälligen) Hauptverhandlung nicht mehr aussagen zu wollen" (S 7, 95 und 101/II). Auf Grund dieser (berechtigten) Aussageverweigerungen durften die mit ihnen aufgenommenen Protokolle gemäß § 252 Abs 1 Z 2a StPO - entgegen dem ergänzenden Vorbringen in der Mängelrüge auch ohne Zustimmung der Verfahrensparteien - verlesen werden.
In Bezug auf die die Tatopfer Marina Z***** und Katharina F***** betreffenden Schuldsprüche (I B 1 und 2) macht der Beschwerdeführer aus Z 5 geltend, das Erstgericht habe die Protokolle über deren Zeugenvernehmungen (ON 53 und 54) im Urteil verwertet, obgleich aus dem Hauptverhandlungsprotokoll nicht ersichtlich sei, ob diese Zeugenprotokolle tatsächlich verlesen wurden, worauf er jedenfalls nicht verzichtet habe.
Mit diesem Vorbringen argumentiert der Beschwerdeführer nicht auf Basis der Aktenlage. Denn nach dem ungerügt gebliebenen Hauptverhandlungsprotokoll (ON 94) wurde von der Vorsitzenden vor dem Schluss des Beweisverfahrens „gemäß § 252 StPO der Akteninhalt dargetan", worunter der Vortrag seines wesentlichen Inhalts zu verstehen ist, welcher der (nicht notwendig wortwörtlichen) Verlesung gleichzuhalten ist (vgl 12 Os 41/02, 12 Os 132/04, 11 Os 132/04; s auch die seit 1. März 2005 geltenden, durch die StPO-Novelle 2005, BGBl I 2004/164, in diesem Sinn geänderten Bestimmungen der §§ 258 Abs 1 letzter Satzund 252 Abs 2a StPO).
Zum Schuldspruch wegen der (mehrfach begangenen) Vergehen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB aF zeigt der Beschwerdeführer unter Geltendmachung der Nichtigkeitsgründe der Z 9 lit a (zu II B) und Z 10 (zu II A) hingegen zutreffend auf, dass das Erstgericht rechtsirrig vom Vorliegen gefährlicher Drohungen als Nötigungsmittel ausgegangen ist.
Zwar kann beim Vergehen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 StGB das Tatmittel der gefährlichen Drohung (§ 74 Abs 1 Z 5 StGB) sich auch gegen eine dem Nötigungsopfer nahestehende Person (sogenannte Sympathieperson) richten und muss nicht ein immanentes Übel in Aussicht stellen (Schick in WK2 § 202 Rz 7). Drohung ist jedoch - was vom Erstgericht übersehen wurde - die Ankündigung eines Übels, dass der Drohende unmittelbar selbst oder durch eine Mittelsperson zu verwirklichen vermag. Die Verwirklichung des angedrohten Übels muss nach dem Inhalt der Drohung vom Willen des Drohenden abhängig sein. Ob der Drohende aber die Drohung tatsächlich wahrmachen will oder dazu überhaupt im Stande ist, stellt kein Kriterium der Drohung dar (Jerabek in WK2 § 74 Rz 23).
Den vorliegenden Feststellungen zufolge war die Mitangeklagte Cindy K***** zwar eine gute Freundin (und damit Sympathieperson) der damals unmündigen (13-jährigen) Ruth P***** und der damals jugendlichen (14-jährigen) Anna Pi*****. Der Beschwerdeführer und die Mitangeklagte K***** haben allerdings nie behauptet, auf das Übel, das Cindy K***** angeblich von ausländischen Kriminellen mangels Zahlung einer Kreditverbindlichkeit drohe (Verbringung ins Ausland), Einfluss nehmen zu können. Da die beiden Angeklagten die festgestellten geschlechtlichen Handlungen von Ruth P***** und Anna Pi***** somit nicht durch gefährliche Drohung (ebenso wenig wie durch Gewalt) abgenötigt haben, entspricht der Schuldspruch Michael R*****s und Cindy K*****s wegen § 202 Abs 1 StGB aF nicht dem Gesetz. Dieser Rechtsfehler erfordert die Aufhebung des den Beschwerdeführer und - gemäß § 290 Abs 1 StPO - die Angeklagte K***** betreffenden Schuldspruchs II A und des nur den Angeklagten R***** betreffenden Schuldspruchs II B, doch entspricht das zu II B festgestellte Tatverhalten (zum Nachteil der über vierzehnjährigen, aber unter sechzehnjährigen Anna Pi*****) den Tatbestandsvoraussetzungen des durch das Strafrechtsänderungsgesetz 2002, BGBl I 2002/134, in den Rechtsbestand eingefügten, mit 1. Oktober 2002 in Kraft getretenen Vergehens des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen nach § 207b Abs 2 StGB.
Nach § 207b Abs 2 StGB ist (mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren) nämlich zu bestrafen, wer an einer Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, unter Ausnützung einer Zwangslage dieser Person eine geschlechtliche Handlung vornimmt, von einer solchen Person an sich vornehmen lässt oder eine solche Person dazu verleitet, eine geschlechtliche Handlung an einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen. Der Begriff der „Zwangslage" findet sich zwar auch schon in den §§ 154 und 155 StGB, wird aber weder dort noch im neu geschaffenen § 207b StGB oder sonst wo im Strafgesetz definiert. Die Materialien zum StRÄG 2002 führen zu diesem Begriff lediglich aus, dass er unterhalb bzw außerhalb der Schwelle zur Nötigung zum Tragen kommt und im gegebenen Kontext naturgemäß nicht auf eine wirtschaftlich bedrängende Situation iSd §§ 154 und 155 StGB (Wucher) beschränkt ist. Vielmehr wäre insbesondere an Fälle ernsthafter Drucksituation, wie Drogenabhängigkeit, illegalen Aufenthalt, Obdachlosigkeit, Angst vor der Gewalt des Täters, oder an jugendspezifische Zwangslagen, wie die Notsituation von zu Hause fortgelaufener oder aus einem Heim entwichener Jugendlicher, zu denken. Durch § 207b Abs 2 StGB sollen Personen unter sechzehn Jahren davor geschützt werden, dass sich ein anderer - unabhängig von seinem Alter - eine Zwangslage des Opfers für dessen Bereitschaft zu sexuellen Kontakten zunutze macht. Unter Ausnützung einer solchen Zwangslage handelt der Täter, wenn diese sein Vorhaben ermöglicht oder zumindest begünstigt, er dies bewusst als Faktor einkalkuliert und die ihm damit gebotene Gelegenheit wahrnimmt (E 152-NR/XXI. GP).
In Anlehnung an den von der Judikatur zu den §§ 154 und 155 StGB herausgebildeten Begriffsinhalt (vgl Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 154 Rz 5; EvBl 1979/19) ist als Zwangslage iSd § 207b Abs 2 StGB ein solches Zusammentreffen widriger Umstände zu verstehen, durch die eine unter sechzehn Jahre alte Person sich nach ihren persönlichen Verhältnissen genötigt sieht, geschlechtliche Handlungen vorzunehmen oder an sich vornehmen zu lassen, zu denen sie sich ohne diese Umstände nie verstanden hätte. Diese Zwangslage muss zwar die unter sechzehnjährige Person betreffen, kann aber - ebenso wie bei einer durch gefährliche Drohung ausgelösten Drucksituation - auch durch ein Übel, das einem der unter sechzehn Jahre alten Person Nahestehenden („Sympathieperson") droht, begründet werden. Für die Annahme einer Zwangslage ist zudem nicht entscheidend, ob das ihr zu Grunde liegende Übel objektiv gegeben ist oder - wie hier - bloß vorgetäuscht wird. In letzterem Fall würde das Vergehen des sexuellen Missbrauches von Jugendlichen nach § 207b Abs 2 StGB mit dem Vergehen der Täuschung nach § 108 Abs 1 StGB in Tateinheit zusammentreffen (vgl zu der durch Täuschung bewirkten Verletzung der sexuellen Dispositionsfreiheit Fabrizy StGB8 § 108 Rz 5). Im vorliegenden Fall kommt die Unterstellung des dem Angeklagten Michael R***** in II A und B angelasteten Tatverhaltens auch unter § 108 Abs 1 StGB allerdings schon mangels Erteilung der hiefür gebotenen Ermächtigungen der in ihren Rechten Verletzten (§ 108 Abs 3 StGB) nicht in Betracht.
Derartige Zwangslagen iSd § 207b Abs 2 StGB haben der Beschwerdeführer und seine Mitangeklagte Cindy K***** bei der jugendlichen Anna Pi***** und der unmündigen Ruth P***** durch die schon im Urteilsspruch eingehend beschriebenen (siehe hiezu ergänzend die in den Urteilsgründen getroffenen Feststellungen, S 513 bis 519/II) Tathandlungen bewusst herbeigeführt und sodann vorsätzlich zum sexuellen Missbrauch der Genannten ausgenützt.
Im Einklang mit 14 Os 44/04 ist aber davon auszugehen, dass § 207b StGB nur auf solche Personen unter 16 Jahren abstellt, die das 14. Lebensjahr bereits vollendet haben. Diese teleologische Reduktion des Wortlauts lässt sich aus der Gesetzesüberschrift zu § 207b StGB im Zusammenhang mit der Definition des § 1 Z 2 JGG ableiten, weiters auch daraus, dass mit § 207b StGB eine Nachfolgebestimmung für § 209 StGB geschaffen wurde, der explizit auf Opfer über vierzehn Jahren abgestellt hatte (vgl auch die Entschließung des NR vom 10. Juli 2002, E 152-NR/XXI. GP, Punkt 3, wonach nur der Personenkreis der über Vierzehnjährigen, nicht aber auch jener der Unmündigen erfasst sein soll). Eine unterschiedliche Auslegung desselben Begriffs in Abs 1 und Abs 2 wäre letztlich nicht sachgerecht.
Eine gesonderte Unterstellung der den beiden Angeklagten unter II A (zum Nachteil der unmündigen Ruth P*****) zur Last gelegten, bereits nach § 206 Abs 1 StGB sanktionierten (I A) Tathandlungen auch nach § 207b Abs 2 StGB kam daher nicht in Betracht, weshalb die Schuldsprüche beider Angeklagter zu II A nach § 202 Abs 1 StGB aF ersatzlos zu entfallen hatten.
Der Angeklagte Michael R***** war somit nur zu II B nach der mit der gleichen Strafe wie § 202 Abs 1 StGB aF (Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren) bedrohten Gesetzesbestimmung des § 207b Abs 2 StGB schuldig zu erkennen, wobei wegen der gleich hohen Strafdrohung ein amtswegiges Vorgehen gemäß § 290 Abs 1 StPO in Ansehung der Angeklagten Cindy K*****, der das Anna Maria Pi***** betreffende Tatverhalten gleichfalls rechtsirrig als Vergehen nach § 202 Abs 1 StGB aF, teils als Beitragstäterin gemäß § 12 dritter Fall StGB, angelastet worden ist (III 2), nicht in Betracht kam, zumal der Nachteil des § 290 Abs 1 StPO mit der Beschwer des § 282 StPO nicht ident ist (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 465).
Es war daher der Nichtigkeitsbeschwerde teilweise Folge zu geben, das angefochtene Urteil - hinsichtlich der Zweitangeklagten Cindy K***** gemäß § 290 Abs 1 StPO -, welches im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, in der Subsumtion des den Punkten II A und hinsichtlich des Angeklagten Michael R***** auch II B des Schuldspruches zu Grunde liegenden Tatverhaltens und demgemäß im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung und der Anordnung der Unterbringung nach § 23 StGB) aufzuheben. Gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO war der Angeklagte Michael R***** für das ihm im Schuldspruch II B angelastete Verhalten des Vergehens des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen nach § 207b Abs 2 StGB schuldig zu erkennen und die über ihn hiefür und für die aufrecht gebliebenen Teile des Schuldspruchs zu verhängende Strafe gemäß § 206 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 28 StGB neu zu bemessen.
Bei der demnach innerhalb eines Strafrahmens von einem bis zu zehn Jahren auszumessenden Freiheitsstrafe waren als erschwerend das Zusammentreffen mehrerer gleich- und ungleichartiger Verbrechen und Vergehen durch längere Zeit zum Nachteil mehrerer Opfer, die einschlägigen, sogar die Anwendung des § 39 StGB ermöglichenden Vorstrafen und die Nötigung gegenüber minderjährigen Tatopfern zu werten, als mildernd hingegen das teilweise Geständnis und die Persönlichkeitsstörung des Angeklagten.
Auf der Basis dieser Strafzumessungsgründe erwies sich bei dem nach Tat-, Handlungs- und Gesinnungsunwert als schwer einzustufenden Täterverhalten und unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des wiederholt einschlägig in Erscheinung getretenen Angeklagten Michael R***** bei diesem eine achtjährige Freiheitsstrafe als schuldangemessen.
Auch nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs sind aus den vom Schöffengericht zutreffend aufgezeigten Gründen die Voraussetzungen für die Einweisung des Angeklagten Michael R***** in eine Anstalt für gefährliche Rückfallstäter (§ 23 StGB) gegeben.
Die - in der Berufung als unzureichend begründet bekämpfte - Gefahr, der Angeklagte werde auch in Hinkunft wegen seines Hanges zur Begehung von Sexualdelikten der hier in Rede stehenden Art derartige Taten mit schweren Folgen, begehen, ist, wie sich entgegen der Berufungsansicht aus dem schlüssigen Gutachten der Sachverständigen (S 471 f, 481/II), aber auch insgesamt aus dem Täterverhalten und dem Vorleben des Angeklagten ergibt, eindeutig zu bejahen. Die Behauptung, eine (allfällige) therapeutische Behandlung des Berufungswerbers und deren (möglicher) Erfolg stünden der Gefährlichkeitsprognose entgegen, ist - zumal jene Therapien, welchen sich der Angeklagte bisher unterzogen hat, keinen Erfolg gezeitigt haben - rein spekulativ und bedarf deshalb keiner näheren Erörterung. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass nach dem Vollzug der Freiheitsstrafe der daran anschließenden Vollziehung der angeordneten Maßnahme eine nochmalige Prüfung der Notwendigkeit der Unterbringung voranzugehen hat (§ 24 Abs 2 StGB).
Mit seiner Berufung war der Angeklagte Michael R***** auf die Strafneubemessung zu verweisen.
Hinsichtlich der Angeklagten Cindy K***** konnte eine Strafneubemessung vom Obersten Gerichtshof nicht vorgenommen werden, weil die Genannte als Begünstigte amtswegigen Vorgehens nach § 290 Abs 1 StPO zum Gerichtstag nicht geladen und bei diesem somit nicht anwesend war. In diesem Umfang war die Sache daher an das Erstgericht zu verweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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