OGH 5Ob136/05v

OGH5Ob136/05v12.7.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann, Dr. Hurch, Dr. Kalivoda und Dr. Höllwerth als weitere Richter in der außerstreitigen Mietrechtssache der Antragsteller 1) Otto L*****, und 2) Gertrude L*****, beide vertreten durch Dr. Michael Hiller, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegner 1) Rudolf F*****, 2) Anna Maria F*****, 3) Martin F*****, und 4) Michael F*****, alle vertreten durch Immobilien-Commerz GmbH, 1130 Wien, Schloss Schönbrunn Orangerie 66, diese vertreten durch Koller & Schreiber, Rechtsanwälte Partnerschaft in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 4 und 5 MRG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegner gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 9. Februar 2005, GZ 38 R 290/04k-22, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 5. August 2004, GZ 12 Msch 16/03m-18, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegner wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Text

Begründung

1. Am 27. 10. 2002 war es in der Wohnung der Antragsteller - wahrscheinlich - durch eine Implosion des Fernsehers zu einem Brand gekommen. Nach dem Löschen des Brandes bestand in sämtlichen Räumen eine derart starke Rußschicht, dass die Antragsteller nicht in der Wohnung bleiben konnten. Da die elektrischen Leitungen in der Wohnung durch den Brand teilweise zerstört worden waren, beauftragten die Antragsgegner Ende 2002 deren Erneuerung entsprechend dem technischen Standard. Es war auch die Entfernung der Unterböden der Wohnung deshalb notwendig, weil sich dort durch den Brand Rußpartikel angesammelt hatten, die für einen Bewohner gesundheitsschädlich sind. Über Aufforderung der Antragsgegner ließen die Antragsteller am 8. 2. 2003 die in der Wohnung verbliebenen Möbel abtransportieren. Nach Entfernung des PVC-Belags im WC zeigte sich der Boden darunter durchfeuchtet und dieser trocknete auch nach zwei bis drei Wochen nicht auf. Über Auftrag der Antragsgegner erfolgte, weil ein Gainzengebrechen zu vermuten war, die Erneuerung der Gainze sowie sämtlicher Unterböden und Bodenbeläge. Weiters war das Abschleifen, Spachteln, Grundieren und Ausmalen der Wände erforderlich, weil der Ruß mit dem Tapetenkleber chemisch reagiert hatte. Der Gesamtsanierungsaufwand betrug EUR 62.900; er wurde über die Gebäudeversicherung abgerechnet.

2. Strittig ist noch - nach der rechtskräftig gewordenen Abweisung eines weiteren Sachantrags - das Begehren der Antragsteller auf Ersatz - tatsächlich aufgelaufener und näher bezifferter - Unterkunftskosten für die Zeit von 1. 2. bis 30. 9. 2003. Das Erstgericht hat dieses Begehren zur Gänze abgewiesen. Das Rekursgericht hat die Antragsgegner - gestützt auf § 8 MRG zur Bezahlung eines Teilbetrags von EUR 9.543,28 verpflichtet und ausgesprochen, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

3. Die Antragsgegner machen zur Begründung der Zulässigkeit ihres außerordentlichen Revisionsrekurses die Frage geltend, ob die in § 8 Abs 3 MRG normierte Eingriffshaftung des Vermieters auch dann greife, wenn Arbeiten durchgeführt werden müssten, deren Verursachung ausschließlich beim Mieter liege und die deshalb nicht unter die Duldungspflicht iSd § 8 Abs 2 MRG fielen. § 8 MRG normiere zwar eine verschuldensunabhängige Eingriffshaftung, doch seien die hier durchgeführten Arbeiten nicht den Antragsgegnern als Vermieter, sondern allein der Sphäre der Antragsteller zuzurechnen, die ein unsicheres und nicht gewartetes Fernsehgerät betrieben hätten. Ein Entschädigungsanspruch bestehe nur im Zusammenhang mit einer hier nicht gegebenen Duldungspflicht des Mieters iSd § 8 Abs 2 MRG, nicht aber dann, wenn der Mieter seine Pflicht zur Instandhaltung und Wartung des Bestandgegenstandes verletze.

Rechtliche Beurteilung

Mit diesen Ausführungen zeigen die Antragsgegner keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG nF auf:

4. Nach § 8 Abs 2 Z 1 MRG hat der Vermieter die vorübergehende Benützung und die Veränderung seines Mietgegenstandes (ua) dann zuzulassen, wenn und soweit ein solcher Eingriff in das Mietrecht zur Durchführung von Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten an allgemeinen Teilen des Miethauses oder zur Behebung ernster Schäden des Hauses in seinem oder in einem anderen Mietgegenstand notwendig oder zweckmäßig ist. Gemäß § 8 Abs 3 MRG hat für wesentliche Beeinträchtigungen der Vermieter, sofern aber die Arbeiten ein Mieter durchführt, dieser Mieter den Mieter, der hiedurch in seinen Rechten beeinträchtigt wird, angemessen zu entschädigen.

5. Der Einfluss des Schadens auf die Brauchbarkeit des Mietobjekts ist zwar nicht allein ausschlaggebend (5 Ob 42/02s; 1 Ob 228/00m), doch liegt ein ernster Schaden des Hauses jedenfalls dann vor, wenn dieser die ordentliche Benützung des Bestandobjekts unmöglich macht und Auswirkungen auf den Bauzustand des Gebäudes hat (5 Ob 42/02s), insbesondere wenn die Arbeiten gemeinsame Teile des Hauses betreffen, zu denen etwa auch die Böden einzelner Wohnungen gehören (5 Ob 2151/96a; 7 Ob 218/00k). Nach dem Löschen des Brandes war die Benützung der Wohnung der Antragsteller wegen der Rußbelastung unmöglich, ja sogar gesundheitsschädlich und es war (ua) die Erneuerung der Gainze sowie sämtlicher Unterböden und Bodenbeläge erforderlich; es lag demnach (auch) ein ernster Schäden des Hauses und damit ein Anwendungsfall des § 8 Abs 2 Z 1 MRG vor. Die gesetzliche Erhaltungspflicht des Vermieters besteht dann unabhängig von Fragen der Verursachung des Mangels oder eines Verschuldens des Mieters (5 Ob 2002/96i = MietSlg 48.215; 5 Ob 116/99s = WoBl 2000/47 = MietSlg 51.242; Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österr. Wohnrecht, § 3 MRG Rz 5 und § 6 Rz 13). Soweit die Antragsgegner behaupten, die Antragsteller hätten ein unsicheres und nicht gewartetes Fernsehgerät betrieben und deshalb ihrer Pflicht zur Instandhaltung und Wartung des Bestandgegenstandes verletzt, fehlt dafür überdies eine Sachverhaltsgrundlage.

6. Die in § 8 Abs 3 MRG geregelte Ersatzpflicht stellt allein darauf ab, ob sich der Mieter den nachteiligen Eingriff in sein Mietrecht gefallen lassen musste; mehr verlangt § 8 Abs 3 MRG nicht, weil diese Bestimmung die Frage, wem aus den Erhaltungs-, Verbesserungs- oder Änderungsarbeiten Vorteile erwachsen, nicht anspricht. Im § 8 Abs 3 MRG geht es primär um einen reinen Ausgleichsanspruch, der weder ein rechtswidriges noch ein schuldhaftes Handeln des Ersatzpflichtigen voraussetzt (RIS-Justiz RS0069533) und der auch dann zum Tragen kommt, wenn die Arbeiten letztlich im Interesse der antragstellenden Vermieter erfolgten (vgl 5 Ob 16/95). Die Ersatzpflicht trifft denjenigen, dem die Arbeiten zuzurechnen sind (5 Ob 251/02a). § 8 Abs 3 MRG nennt als ersatzpflichtig für wesentliche Beeinträchtigungen den Vermieter, sofern aber die Arbeiten ein Mieter durchführt, diesen Mieter (§ 8 Abs 3 MRG; 5 Ob 297/99h = immolex 2000, 325/195 = JBl 2001, 662). Die durchgeführten Arbeiten erfolgten über Auftrag der Vermieter und - ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 7 MRG - jedenfalls (auch) in Erfüllung ihrer gesetzliche Erhaltungspflicht; dass das Rekursgericht unter diesen Umständen die Ersatzpflicht der Antragsgegner bejahte, findet in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshof somit Deckung. Gegen die Höhe des Entschädigungsbetrag wenden sich die Antragsgegner nicht.

Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG nF ist der Revisionsrekurs der Antragsgegner zurückzuweisen.

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