OGH 1Ob38/05b

OGH1Ob38/05b24.6.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Reinhard H*****, vertreten durch Dr. Hubert Just, Rechtsanwalt in Kirchdorf an der Krems, wider die beklagten Parteien Josef und Marianne Z*****, vertreten durch Dr. Widukind W. Nordmeyer und Dr. Thomas Kitzberger, Rechtsanwälte in Wels, wegen 11.386,70 EUR sA und Feststellung (Streitwert 3.500 EUR), infolge Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse EUR 7.770,92 und Feststellung [EUR 3.500], insgesamt somit EUR 11.270,92) gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 15. November 2004, GZ 3 R 128/04w-31, womit das Urteil des Landesgerichts Wels vom 22. April 2004, GZ 5 Cg 222/03a-20, teils bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien binnen 14 Tagen die mit 755,56 EUR (darin 125,92 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu zahlen.

Text

Begründung

Der Kläger ist Alleineigentümer einer Liegenschaft samt Wohnhaus. Die Beklagten sind je zur Hälfte Eigentümer einer benachbarten Liegenschaft.

Die Eltern des Klägers schlossen mit den Rechtsvorgängern der Beklagten im Jahr 1966 einen gerichtlichen Vergleich, wonach die Eltern des Klägers berechtigt sein sollten, aus dem im Eigentum der nunmehrigen Beklagten stehenden Quellgebiet 30 % der Wasserdarbietung, jedoch mindestens 21.000 l pro Tag zu entnehmen. Die Dienstbarkeit des Wasserbezugs- und Wasserleitungsrechts aus und über die Grundstücke der Beklagten sollte zu Gunsten der jeweiligen Eigentümer der klägerischen Liegenschaft im Grundbuch einverleibt werden; die grundbücherliche Eintragung unterblieb jedoch. Mit Bescheid der zuständigen Bezirkshauptmannschaft vom 15. Jänner 1979 wurde den Rechtsvorgängern des Klägers die wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung und den Betrieb einer Trink- und Nutzwasserversorgungsanlage auf dem Grundstück der nunmehrigen Beklagten erteilt. Mit demselben Bescheid wurde zum Schutz dieser Wasserversorgungsanlage ein Quellschutzgebiet auf dem Grundstück der Beklagten festgesetzt, welches ein Quadrat mit 30m Seitenlänge bildete. Ent- und Bewässerung, Schmutzstoffablagerungen, dauernde Aufgrabungen, Materialgewinnung und Bauführung im Quellschutzgebiet wurden untersagt. Dennoch nahmen die Beklagten im Jahr 2000 Grabungsarbeiten zur Errichtung einer eigenen Wasserversorgungsanlage im Quellschutzgebiet vor. Nach Beendigung dieser Arbeiten am 12. Februar 2001 floss weniger Wasser als bedungen in die Wasserleitungen des Klägers. Bereits zwischen 8. November und 27. Dezember 2000 lieferte die Ortsfeuerwehr über Veranlassung des Klägers (während der Grabungsarbeiten der Beklagten) Trinkwasser an den Kläger, wodurch Kosten von 3.615,78 EUR entstanden. In einem von ihm angestrengten Besitzstörungsverfahren erreichte der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand, sich jeder weiteren Störung der Wasserzufuhr zu enthalten und unverzüglich den früheren Zustand wiederherzustellen. In einem vom Kläger angestrengten Verwaltungsverfahren wurde den Beklagten bescheidmäßig ua vorgeschrieben, binnen drei Monaten den Quellteilungsschacht in seiner ursprünglichen Form wieder zu errichten, die Quellableitung wiederherzustellen, die Rohrleitung zum Hochbehälter (des Klägers) wieder in den Quellteilungsschacht einzubinden und weitere Grabungsarbeiten im Schutzgebiet zu unterlassen. Diesen Aufträgen kamen die Beklagten nicht nach. Dennoch ergriff der Kläger keine exekutiven Maßnahmen zur Wiederherstellung der Wasserversorgungsanlage, sondern errichtete in der Zeit von Mai bis Juli 2001 auf seiner Liegenschaft einen eigenen Brunnen. Auf sein Wasserbezugsrecht zu Lasten der Liegenschaft der Beklagten verzichtete er nicht.

Mit seiner Klage begehrte der Kläger den Ersatz der durch die Wassertransporte aufgelaufenen Kosten von 3.615,78 EUR sowie den Ersatz von 7.770,92 EUR für die Errichtung des Brunnes; weiters die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche Schäden, die ihm durch Versiegen des von ihm errichteten Brunnens oder durch Minderung dessen Wasserqualität entstehen könnten. Er brachte vor, dass durch die massiven Grabungsarbeiten inner- und außerhalb des Quellschutzgebiets die Wasserversorgungsanlage zerstört worden sei; der Quellteilungsschacht sei entfernt worden, die Beklagten hätten das Quellwasser in die eigenen Leitungen umgeleitet. Die Neuerrichtung bzw Reparatur der geschädigten Wasserversorgungsanlage auf dem Grundstück der Beklagten hätte einen wesentlich höheren Kostenaufwand verursacht als der Bau des Brunnens auf der Liegenschaft des Klägers; außerdem wären die Reparaturarbeiten am Widerstand der Beklagten gescheitert, da sich diese bereits wiederholt gegen die Wiederherstellung des früheren Zustands ausgesprochen und trotz der Ergebnisse des Besitzstörungsverfahrens und der Aufforderung durch die Wasserrechtsbehörde geweigert hätten, die Wasserversorgungsanlage wieder herzustellen. Die Reparatur der Wasserversorgungsanlage sei im Hinblick auf dieses bisherige Verhalten der Beklagten unzumutbar bzw untunlich. Nur die Errichtung eines Brunnens auf eigenem Grund sei daher „sinnvoll" gewesen, weshalb die Errichtung des Brunnens als Schaffung einer Ersatzlage für das Wasserbezugsrecht zu qualifizieren sei.

Die Beklagten wendeten im Wesentlichen ein, der Kläger könne lediglich die Wiederherstellung der Wasserversorgungsanlage begehren, was mit minimalem Kostenaufwand möglich gewesen wäre. Eine Reparatur bzw Wiederherstellung der Wasserversorgung auf diese Weise habe der Kläger aber nie versucht. Selbst im Falle einer Rechtsverletzung habe der Kläger daher keinen Anspruch auf Ersatz jener Kosten, die ihm wegen der Neuerrichtung eines Brunnens auf eigenem Grund entstanden seien.

Das Erstgericht gab dem Leistungsbegehren im Umfang von 3.615,78 EUR sA statt und wies das Mehrbegehren von 7.770,92 EUR sA sowie das Feststellungsbegehren ab. Die Beklagten hätten trotz des bescheidmäßigen Verbots von Aufgrabungen und Bauführungen das Wasserbezugsrecht des Klägers zumindest eingeschränkt, sodass er gezwungen gewesen sei, Wassertransporte durch die Feuerwehr vornehmen zu lassen. Die dadurch aufgelaufenen Kosten seien zuzusprechen, nicht jedoch die Kosten für die Errichtung eines neuen Brunnens auf seiner Liegenschaft, da dem Kläger (wahlweise) nur Naturalherstellung der Wasserversorgungsanlage oder Geldersatz zustehe. Aus diesem Grund sei auch das Feststellungsbegehren abzuweisen.

Das Berufungsgericht bestätigte mit Teilurteil die Abweisung des Leistungsbegehrens im Umfang von 7.770,92 EUR sA sowie die Abweisung des Feststellungsbegehrens; im Umfang von 3.615,78 EUR hob es das Ersturteil zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf; es erklärte die ordentliche Revision gegen das Teilurteil und den Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss für zulässig. Von der Unmöglichkeit einer Wiederherstellung der Wasserversorgungsanlage könne nicht ausgegangen werden, da die Wasserrechtsbehörde in ihrem Bescheid die zur Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustands notwendigen Maßnahmen detailliert umschrieben habe. Trotz eines möglicherweise feindlichen Verhältnisses zwischen den Streitteilen wäre es dem Kläger zumutbar gewesen, die von ihm bereits erwirkten Exekutionstitel durch exekutive Maßnahmen umzusetzen und die Reparatur der Wasserversorgungsanlage durch ein Bauunternehmen vornehmen zu lassen. Die Errichtung eines Brunnens auf eigenem Grund könne nicht als bloße Schaffung einer Ersatzlage für das Wasserbezugsrecht zu Lasten einer fremden Liegenschaft qualifiziert werden, sodass der Kläger den hiefür getätigten Aufwand nicht begehren könne. Somit hätten die Beklagten auch für allfällige künftige Veränderungen der Wassermenge und/oder Wasserqualität dieses Brunnens nicht einzustehen. Im Umfang der Klagsstattgebung sei die Rechtssache wegen primärer Verfahrensmängel noch nicht entscheidungsreif.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das Teilurteil gerichtete Revision des Klägers ist - trotz des Zulassungsausspruchs des Berufungsgerichts, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 508a Abs 1 ZPO) - nicht zulässig.

Voranzustellen ist, dass der Kläger selbst sein Klags- und Prozessvorbringen so verstanden wissen will, dass dieses ausschließlich auf Ersatz der Brunnenerrichtungskosten gerichtet ist und nicht auf Ersatz der fiktiven Reparaturkosten der Wasserversorgungsanlage. Dies ergibt sich nicht nur aus seinem Vorbringen in der ersten Instanz, nachdem dieses Thema Gegenstand einer Erörterung gemäß § 182a ZPO war (S 4 des Protokolls vom 13. Februar 2004 und S 3 des Protokolls vom 26. März 2004), sondern auch aus seiner Berufungsschrift. In dieser brachte er neuerlich zum Ausdruck, sein bisheriges Prozessvorbringen sei allein in dieser Weise zu verstehen.

Davon ausgehend ist auszuführen:

Gemäß § 1323 ABGB ist der Schaden in erster Linie durch Zurückversetzung in den vorigen Stand (Naturalrestitution) auszugleichen: Der Geschädigte ist primär real so zu stellen, wie er ohne das schädigende Ereignis stünde (SZ 63/53). Der Ersatzanspruch ist also auf den Ausgleich aller nachteiligen Auswirkungen von Veränderungen zu Lasten des Geschädigten gerichtet. Naturalrestitution bedeutet nicht notwendig die Herstellung eines der Situation vor dem Schadensereignis gleichen Zustands; sie kann auch in der Bewirkung eines gleichartigen und gleichwertigen Zustands bestehen, die Schaffung einer wirtschaftlich im Wesentlichen gleichen Ersatzlage genügt (Koziol/Welser, Bürgerliches Recht II12 302; SZ 43/49). Im Rahmen der Naturalleistung durch den Schädiger kommen also zwei Möglichkeiten in Betracht: Der Geschädigte verlangt vom Schädiger die Durchführung der Reparatur der Sache oder die Leistung einer im Wesentlichen gleichen Sache (Harrer in Schwimann, ABGB2, § 1323 Rz 4). Während der Kläger in den Vorverfahren noch die Wiederherstellung der auf dem Grundstück der Beklagten befindlichen Wasserversorgungsanlage anstrebte, begehrt er nunmehr Kostenersatz für die Herstellung eines Brunnens auf eigenem Grund mit der Begründung, die Beklagten wären mit der Reparatur trotz behördlicher Aufträge im Verzug. Trotz dieses geänderten Begehrens findet sich der Kläger jedoch nicht dazu bereit, auf die allfällige Geltendmachung seines Wasserbezugsrechts aus der Wasserversorgungsanlage der Beklagten zu verzichten. Ausgehend von der im Schadenersatzrecht maßgeblichen wirtschaftlichen Betrachtungsweise (siehe Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht, I3, Rz 9/17) ist dies mangels wirtschaftlicher Austauschbarkeit ausgeschlossen. Nach der Verkehrsanschauung ist die wirtschaftliche Gleichartigkeit und Gleichwertigkeit einer Wasserversorgungsanlage auf fremdem Grund einerseits und eines Brunnens auf eigenem Grund, verbunden mit einem weiterhin bestehenden Wasserbezugsrecht zu Lasten der Nachbarliegenschaft andererseits, zu verneinen. Ein solcher Austausch würde zu einer nennenswerten Änderung im Vermögen des Klägers, nämlich zu einer maßgeblichen Werterhöhung seiner Liegenschaft führen. Durch die Brunnenanlage auf eigenem Grund wäre eine (zu erwartende und von ihm auch erwünschte) Unabhängigkeit vom Wasserbezugsrecht zu Lasten der Liegenschaft der Beklagten gegeben und zugleich hätte der Kläger die Sicherheit, gegebenenfalls jederzeit auf dieses Wasserbezugsrecht zurückgreifen zu können. Nur dann könnte die Errichtung eines Brunnens eine gleiche Ersatzlage darstellen, wenn feststünde, dass trotz Wiederherstellung der Wasserversorgungsanlage die bisherige Schüttleistung der Quelle quantitativ oder qualitativ nicht mehr erzielbar wäre. Derartiges wurde aber nicht einmal behauptet. Mag dem Kläger die Errichtung des Brunnens auf eigenem Grund wegen der gegebenen „ feindlichen " Verhältnisse auch als die „ einzig sinnvolle Möglichkeit" erscheinen, so lässt sich aus dieser subjektiven Sichtweise dennoch nicht die nach objektiven Kriterien zu beurteilende Gleichwertigkeit der von ihm geschaffenen „Ersatzlage" ableiten. Dem Vorbringen des Revisionswerbers, die Reparatur der Wasserversorgungsanlage sei deshalb unzumutbar, weil diese "schwer" beschädigt sei, ist entgegenzuhalten, dass nach dem im verwaltungsbehördlichen Verfahren ergangenen Bescheid die zur Wiederherstellung der Anlage erforderlichen Maßnahmen im Einzelnen aufgezählt sind, die Wiederherstellung also technisch möglich erscheint, und deren Durchführung den Beklagten aufgetragen wurde. Zudem nehmen diese den Prozessstandpunkt ein, mit den Wiederherstellungsmaßnahmen seien jedenfalls geringere Kosten verbunden, als vom Kläger für die Neuerrichtung des Brunnens gefordert. Vom Aspekt der von den Schädigern selbst erwarteten Schadensbehebungskosten widerspricht die Reparatur also nicht deren Interessen; insofern ist sie aus deren Sicht nicht untunlich. Ebensowenig ist die Untunlichkeit der Wiederherstellung der Wasserversorgungsanlage aus Sicht des Klägers daraus ableitbar, dass die Beklagten bisher die ihnen behördlich erteilten rechtskräftigen Aufträge zur Wiederherstellung unbeachtet gelassen haben, steht es ihm - trotz des angespannten nachbarschaftlichen Verhältnisses - doch frei, die exekutive Durchsetzung dieser Aufträge (etwa im Weg der Ersatzvornahme) zu betreiben. Dass er zum Verzicht auf sein Wasserbezugsrecht nicht bereit war, was - im Falle dessen Geltendmachung - notwendigerweise die Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der Wasserversorgungsanlage voraussetzt, lässt erkennen, dass er letztlich selbst von der „Tunlichkeit" deren Reparatur ausgeht.

Die Abweisung des auf den Ersatz der Errichtungskosten einer Brunnenanlage auf eigenem Grund gerichteten Leistungsbegehrens sowie die Abweisung des Feststellungsbegehrens, die Beklagten hätten für allfällige künftige Veränderungen der Wassermenge und/oder Wasserqualität des neu errichteten Brunnens zu haften, erfolgte daher zu Recht.

In ihrer Revisionsbeantwortung halten die Beklagten den Einwand der entschiedenen Rechtssache mit der Begründung aufrecht, die Wiederherstellung des früheren Zustands der Wasserversorgungsanlage sei „in anderen zivil- und verwaltungsrechtlichen Verfahren bereits rechtskräftig entschieden worden". Dieser Einwand ist nicht berechtigt:

Gegenstand des verwaltungsbehördlichen (Vor)Verfahrens und auch des Besitzstörungsverfahrens waren die von den Beklagten verursachten Veränderungen an der Wasserversorgungsanlage und deren Wiederherstellung. Nunmehr ist das Klagebegehren auf den Ersatz der Errichtungskosten einer eigenen Brunnenanlage gerichtet, sodass das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache zu verneinen ist.

Mangels Vorliegens einer Rechtsfrage iSd § 502 Abs. 1 ZPO ist die Revision als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50, 41 ZPO. Die Beklagten haben in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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