OGH 15Os51/05x

OGH15Os51/05x2.6.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. Juni 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Fuchsloch als Schriftführer, in der Strafsache gegen Giorgi L***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht (in Jugendstrafsachen) vom 28. Februar 2005, GZ 36 Hv 17/05k-41, sowie dessen (implizierte) Beschwerde gegen den unter einem gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO gefassten Widerrufsbeschluss, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zur Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil im Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen wird zurückgewiesen. Mit seiner Berufung und Beschwerde wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch enthält, wurde Giorgi L***** (I) des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und der Vergehen (II) der Sachbeschädigung nach § 125 StGB sowie (III) des Diebstahls nach § 127 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in Innsbruck

(I) am 13. November 2004 in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit einem unbekannten Mittäter dem Trafikantenehepaar Bruno und Kordula R***** durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben, nämlich durch Vorhalten von Pistolen („im Zweifel keine Waffe") und durch die mehrmaligen Äußerungen, sie zu erschießen bzw zu töten, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz fremde bewegliche Sachen, nämlich einen Bargeldbetrag von insgesamt 3.647,70 Euro weggenommen;

(II) am 13. November 2004 eine fremde Sache zerstört, indem er das Mobiltelefon der Kordula R***** („unerhobenen, 3.000 Euro keinesfalls übersteigenden Wertes") zerschmettert hat;

(II) von Anfang November bis 13. November 2004 fremde bewegliche Sachen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, nämlich (1) Gewahrsamtsträgern der Firma M-***** in mehreren Zugriffen Lebensmittel unerhobenen Wertes; (2) einem Gewahrsamsträger des Geschäftes K***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem unbekannten Mittäter zwei schwarze Pullover und zwei Strickmützen unerhobenen Wertes.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten (betreffend die Nichtanwendung der Bestimmung des § 36 StGB) aus Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde erweist sich im Ergebnis als berechtigt.

Zutreffend zeigt die (richtig) aus § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall iVm Z 5 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde auf, dass der - die Anwendung des § 5 JGG (wie auch des § 36 StGB) infolge (von der Anklage abweichender) Annahme eines Alters des Angeklagten im Tatzeitpunkt von zumindest 21 Jahren ablehnende - Strafausspruch des Schöffengerichtes offenbar unzureichend begründet ist. Denn die Tatrichter haben ihre diesbezüglichen Feststellungen nur auf den persönlichen Eindruck in der Hauptverhandlung im Zusammenhang mit der Tatsache, dass der Angeklagte nicht im Besitz von Papieren ist, aus denen sein Alter oder seine Identität hervorgeht, gestützt, ohne jedoch über die allgemein gehaltene Formulierung des „persönlichen Eindrucks" (US 7) hinaus nachvollziehbar darzulegen, welche tatsächlichen, in der Person des Angeklagten liegenden Merkmale hiefür ausschlaggebend waren.

Nach der im Akt AZ 36 Hv 158/04v des Landesgerichtes Innsbruck erliegenden gekürzten Urteilsausfertigung vom 16. August 2004 (vgl ON 70) ist der Einzelrichter (der ident mit dem Vorsitzenden dieses Schöffengerichtes ist) im zitierten Verfahren - unbekämpft - davon ausgegangen, dass der Angeklagte „sicher älter als 21 Jahre ist". Nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolles vom 28. Februar 2005 erklärten sich der Ankläger und der Verteidiger ausdrücklich damit einverstanden, dass der gesamte Inhalt des Aktes, einschließlich des Voraktes zum AZ 36 Hv 158/04v des Landesgerichtes Innsbruck verwertet wird, wobei auf wörtliche Verlesung verzichtet wurde (S 463). Zwar stützt sich das angefochtene Urteil nicht ausdrücklich auf die Konstatierung im verlesenen Akt, eine Erörterung der dort getroffenen Annahme des Alters des Angeklagten mit über 21 Jahren - abweichend von den Angaben des Angeklagten - fand aber nicht statt. Damit kann nicht ausgeschlossen werden, dass diese Tatsache nicht für Gericht und Parteien gleichermaßen auf der Hand liegt, sodass von einem den Garantien des Art 6 EMRK entsprechenden Verfahren nicht die Rede sein kann.

Der Strafausspruch des Urteils ist daher mit Nichtigkeit behaftet, sodass das Urteil in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde insoweit aufzuheben und die Verfahrenserneuerung anzuordnen war (§ 285e StPO). Im zweiten Rechtsgang wird nach einer dem Gebot des „fair hearing" und somit den Garantien des Art 6 EMRK entsprechenden Ermöglichung der Erörterung der der Verantwortung des Angeklagten zuwiderlaufenden Verfahrensergebnisse erneut dessen Alter festzustellen und nachvollziehbar zu begründen sein (vgl 11 Os 98/04). Dem Schlussantrag im Rechtsmittel auf Urteilsaufhebung zur Gänze sind keine weiteren Ausführungen zu entnehmen, sodass die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen mangels deutlicher und bestimmter Bezeichnung zurückzuweisen war (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO).

Mit seiner Berufung und (implizierten) Beschwerde war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a StPO.

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