OGH 11Os98/04

OGH11Os98/0428.9.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. September 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Klenk als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Kelechi Kingsley A***** wegen der Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall SMG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 15. Juli 2004, GZ 6 Hv 118/04w-37, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde sowie aus deren Anlass (§ 290 Abs 1 StPO) wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Kelechi Kingsley A***** der Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall SMG schuldig erkannt.

Danach hat er in Graz den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge in der Absicht in Verkehr gesetzt, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, indem er

1. von Ende Oktober/Anfang November 2003 bis zum 9. Februar 2004 insgesamt 70 bis 80 Gramm Heroin zu einem Preis von 40 Euro pro Gramm sowie 30 bis 40 Gramm Kokain zu einem Preis von 80 Euro pro Gramm an Tamara F***** und Michael G***** verkaufte,

2. von Sommer 2002 bis Mitte Jänner 2003 350 bis 400 Gramm Marihuana zu einem Preis von 10 Euro pro Gramm an Nedzad B***** verkaufte. Das Jugendschöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 28 Abs 3 SMG ohne Anwendung des § 5 JGG oder des § 36 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten.

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend zeigt die (richtig) aus § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall iVm Z 5 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde auf, dass der - die Anwendung des § 5 JGG (wie auch des § 36 StGB) infolge (von der Anklage abweichender) Annahme eines Alters des Angeklagten im Tatzeitpunkt von zumindest 21 Jahren ablehnende - Strafausspruch des Schöffengerichts offenbar unzureichend begründet ist. Denn die Tatrichter haben ihre diesbezüglichen Feststellungen nur auf den persönlichen Eindruck in der (vom Aufruf bis zum Beginn der Urteilsberatung 20 Minuten dauernden; S 207 ff) Hauptverhandlung in Zusammenhang mit der Tatsache, dass der Angeklagte in der Vergangenheit zweimal andere Geburtsdaten genannt hatte, gestützt, ohne jedoch über die allgemein gehaltene Formulierung eines "äußeren Eindrucks und des Auftretens des Angeklagten" (US 6) hinaus nachvollziehbar darzulegen, welche tatsächlichen, in der Person des Angeklagten liegenden Merkmale hiefür ausschlaggebend waren. Der Strafausspruch des Urteils ist daher mit Nichtigkeit behaftet. Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass das Urteil auch in seinem Schuldspruch infolge Fehlens jeglicher Feststellungen zum Reinheitsgehalt der in Verkehr gesetzten Suchtgiftmengen nichtig (Z 10) ist. Denn eine einwandfreie Beurteilung, ob die festgestellten Bruttomengen Heroin, Kokain und Marihuana (laut Urteil insgesamt mehrmals, also zumindest zweimal) die Grenzmenge des § 28 Abs 6 SMG verwirklicht haben, ist aufgrund der bloß getroffenen Konstatierungen, die Qualität des Heroin sei "geringwertig" und jene des Marihuana "gut" gewesen (US 5), während über das Kokain keine Aussage getroffen wird, nicht möglich. Die Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung des Urteils hinwieder behaupten lediglich theoretisch abstrakte Durchschnittswerte für die einzelnen Suchtgiftarten, ohne aber Bezug auf die konkreten in Verkehr gesetzten Mengen zu nehmen (US 7), zumal beim Heroin die festgestellte Geringwertigkeit zu der in der rechtlichen Beurteilung angeführten Durchschnittlichkeit in Widerspruch steht. Das Urteil war daher in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde sowie aus deren Anlass zur Gänze aufzuheben und die Verfahrenserneuerung anzuordnen (§ 285e StPO).

Im zweiten Rechtsgang werden geeignete Feststellungen über den Reinheitsgehalt der in Verkehr gesetzten Suchtgiftmengen sowie zur Frage der Gewerbsmäßigkeit zu treffen sein. Zur Straffrage (§ 5 JGG, § 36 StGB) wird nach einer dem Gebot des fair trial und somit den Garantien des Art 6 EMRK entsprechenden Ermöglichung der Erörterung der der Verantwortung des Angeklagten zuwider laufenden Verfahrensergebnisse (vgl 11 Os 55/04) erneut dessen Alter festzustellen und nachvollziehbar zu begründen sein. Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Stichworte