OGH 4Ob50/05i

OGH4Ob50/05i26.4.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** AG, ***** Deutschland, vertreten durch Eisenberger & Herzog Rechtsanwaltssozietät in Graz, gegen die beklagte Partei P***** GmbH, ***** vertreten durch Ploil Krepp & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 34.882,96 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 1.453,46 EUR), über die außerordentlichen Revisionen der klagenden Partei und der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 22. Dezember 2004, GZ 15 R 151/04t-52, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Beide außerordentliche Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

I. Zur außerordentlichen Revision der Klägerin

1. Das von der Klägerin gestellte Unterlassungsbegehren besteht aus zwei Teilen. Nach dem ersten Teil soll der Beklagten eine näher umschriebene Form der Werbung generell und ausnahmslos untersagt werden („Die Beklagte ist schuldig, es ab sofort im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, in Werbesendungen mit einem Karatekämpfer zu werben, der die Konkurrenzprodukte der Beklagten zertrümmert"), während der zweite Teil eine konkrete Verletzungshandlung (Werbung der zuvor beschriebenen Art ohne aufklärenden Zusatz) als Einzelverbot näher umschreibt („dies insbesondere dann, wenn es die Beklagte unterlässt, darauf hinzuweisen, dass ein gleichartiger Schlag eines Karatekämpfers auf ihr eigenes Produkt dieses Produkt ebenfalls für den bedungenen Gebrauch unbrauchbar machen würde"). Der Zusatz "insbesondere" schränkt das Unterlassungsgebot nicht ein, sondern verdeutlicht es nur (RIS-Justiz RS0037461).

Das Berufungsgericht hat diesem Unterlassungsbegehren nur insoweit stattgegeben, als davon die konkrete Verletzungshandlung umfasst ist (zweiter Teil), und das darüber hinausgehende Mehrbegehren (erster Teil) als zu weit abgewiesen. Es ist damit der Rechtsprechung gefolgt, wonach Gegenstand des Unterlassungsgebots immer die konkrete Verletzungshandlung zu sein hat; der Kläger hat Anspruch auf Unterlassung (nur) solcher Verletzungshandlungen, die vom Beklagten begangen worden sind oder drohend bevorstehen (4 Ob 17/91 = ÖBl 1991, 105 - Hundertwasser-Pickerln II; 4 Ob 16/91 = ÖBl 1991, 108 - Sport-Sonnenbrille; 6 Ob 246/04a = MR 2005, 14 - Stiftungskontrolle uva). Wird wie hier das Unterlassungsgebot auf die konkrete Verletzungshandlung eingeschränkt, so ist das Mehrbegehren abzuweisen. Die von der Klägerin als erheblich geltend gemachte Frage, ob ein Mehrbegehren abgewiesen werden kann, wenn dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben wird, stellt sich im vorliegenden Fall nicht.

2. Soweit sich das Rechtsmittel gegen die Abweisung des Begehrens auf Veröffentlichungsermächtigung auch in Printmedien richtet, ist die Klägerin darauf zu verweisen, dass sie gegen das Ersturteil nur einen Kostenrekurs erhoben und daher diese Frage nicht zum Gegenstand einer Überprüfung durch das Berufungsgericht gemacht hat. Eine im Berufungsverfahren unterbliebene Rechtsrüge kann jedoch nach ständiger Rechtsprechung im Revisionsverfahren nicht nachgeholt werden (4 Ob 98/03w = MietSlg 55.744; Kodek in Rechberger, ZPO² § 503 Rz 5 mwN; RIS-Justiz RS0043480).

II. Zur außerordentlichen Revision der Beklagten

1. Auch die Beklagte macht einen Verstoß gegen § 405 ZPO geltend. Sowohl das Erstgericht als auch das Berufungsgericht hätten der Klägerin einen Unterlassungsanspruch zuerkannt, der von Sinn und Inhalt des Klagebegehrens abweiche.

Dass das Unterlassungsgebot durch das Klagebegehren gedeckt ist, wurde bereits zu Punkt I 1 dargelegt. Es trifft auch nicht zu, dass das Berufungsgericht das Unterlassungsgebot anders begründet hätte als das Erstgericht. Beide Vorinstanzen erachten die Werbeaussage als zur Irreführung geeignet, weil der Eindruck erweckt werde, die Dachplatten der Beklagten „könnten ohne weiteres Zutun selbst nach einem Karateschlag weiterhin verwendet werden" (S 18 des Ersturteils), „trotz Krafteinwirkung (sei) noch ungehinderte Verwendbarkeit gegeben" (S 21 des Berufungsurteils).

Nicht nachvollziehbar ist die Behauptung, das Vorbringen in Punkt 4 der Klage sei nicht durch das Klagebegehren gedeckt. Die Klägerin hat vorgebracht, der Verbraucher könne nicht erkennen, dass sich auch die Dachplatten der Beklagten bei einem derartigen Schlag verbiegen würden und daher nicht einsatztauglich wären (S 4 der Klage). Dem entspricht das Begehren, der Beklagten die Werbeaussage insbesondere dann zu untersagen, wenn sie nicht darauf hinweist, „dass ein gleichartiger Schlag eines Karatekämpfers auf ihr eigenes Produkt dieses Produkt ebenfalls für den bedungenen Gebrauch unbrauchbar machen würde".

2. Die Berechtigung des Begehrens auf Urteilsveröffentlichung hängt davon ab, ob an der Aufklärung des Publikums im begehrten Ausmaß ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin besteht; diese Frage hat das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu prüfen (RIS-Justiz RS0079737). Ganz allgemein wird ein berechtigtes Interesse an einer Publikationsbefugnis um so länger bestehen, je größer der Personenkreis war, der vom Gesetzesverstoß Kenntnis erlangt hat und je intensiver die Verbreitung des dadurch hervorgerufenen Erinnerungsbilds beim Publikum war (4 Ob 287/01m). Als aufklärungsrelevante Zeitspanne wird allgemein auf den Zeitraum zwischen Gesetzesverstoß und Schluss der mündlichen Streitverhandlung abgestellt (4 Ob 309/98i = ÖBl 1999, 229 - ERINASOLUM mwN).

Eine längere Prozessdauer hindert die Stattgebung des Urteilsveröffentlichungsbegehrens nicht, wenn noch künftige Nachteile für den Kläger oder "Vorteile" für den Beklagten aus der zu Recht beanstandeten Wettbewerbshandlung zu besorgen sind (4 Ob 2118/96s = SZ 69/116 - Webpelz II; 4 Ob 192/99k; 4 Ob 19/02a; weitere Nachweise bei Ciresa, Handbuch der Urteilsveröffentlichung² Rz 227 FN 100). Die längere Dauer eines Verfahrens darf nämlich keine Prämie für den unterliegenden Teil in der Richtung bilden, dass infolge längerer Zeitdauer von einer Urteilsveröffentlichung Abstand zu nehmen ist (4 Ob 287/01m).

Die höchstgerichtliche Rechtsprechung hat sich in diesem Zusammenhang nicht auf eine allgemein gültige Zeitspanne zwischen Wettbewerbsverletzung und Verlust des Aufklärungsinteresses festgelegt, sondern stets auf die Umstände des Einzelfalls abgestellt (RIS-Justiz RS0079768). So hat der Senat bei besonders publikumswirksam gebrachten wettbewerbswidrigen Äußerungen gegenüber einem großen, unbestimmten Personenkreis ein Veröffentlichungsinteresse auch noch bei einer Verfahrensdauer von vier Jahren und drei Monaten bejaht (4 Ob 2118/96s = SZ 69/116 - Webpelz II), im Fall negativer Äußerungen über eine Kosmetikschule gegenüber einem unbestimmten Personenkreis die Stattgebung des Veröffentlichungsbegehrens nach vier bis fünf Jahren als vertretbare Rechtsauffassung beurteilt (4 Ob 19/02a).

Von dieser Rechtsprechung ist das Berufungsgericht nicht abgewichen, wenn es nach den hier gegebenen Umständen (wiederholte Ausstrahlung der Werbung in vier verschiedenen Fernsehprogrammen während mehrerer Monate im Werbeblock und als Werbeunterbrechung im Hauptabendprogramm) ein Aufklärungsinteresse nach 25 Monaten zwischen Verstoß und Schluss der Verhandlung weiterhin bejaht hat. Gründe für eine unterschiedliche Beurteilung dieser Frage danach, in welchem Medium die wettbewerbswidrige Ankündigung erfolgt ist - wie dies die Beklagte in ihrem Rechtsmittel vertritt - sind nicht zu erkennen; dass eine Werbeankündigung in Printmedien dem Publikum grundsätzlich länger im Gedächtnis haften bliebe als eine Fernsehwerbung, ist eine bloße Hypothese der Rechtsmittelwerberin. Die im Rechtsmittel angesprochenen Bedenken der Lehre an der Rechtsprechung, zur Urteilsveröffentlichung auch dann zu ermächtigen, wenn der Gesetzesverstoß schon längere Zeit zurückliegt, beziehen sich auf eine aufklärungsrelevante Zeitspanne von mehr als drei Jahren (Ciresa aaO Rz 228), die im Anlassfall nicht erreicht wird.

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