OGH 7Ob233/04x

OGH7Ob233/04x20.4.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Burkhard E*****, vertreten durch Mag. Erich Frenner, Rechtsanwalt in Saalfelden, wider die beklagte Partei Udo M*****, vertreten durch Dr. Siegfried Kainz, Rechtsanwalt in Saalfelden, wegen EUR 7.321,55 sA und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgericht vom 30. Juni 2004, GZ 53 R 154/04k-48, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Saalfelden vom 26. Jänner 2004, GZ 2 C 1053/02a-42, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 665,66 (darin enthalten EUR 110,94 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage - an den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichtes ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO) - auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Ersatz der Schäden aus einem Schiunfall am 30. 3. 2002 im Schigebiet Asitz bei Leogang, dessen Hergang nicht feststellbar war, in Anspruch, bei dem die Streitteile als Schifahrer auf einer blau markierten Piste, die einen geringen Schwierigkeitsgrad aufweist, nach einer Kollision zu Sturz kamen. Die Vorinstanzen haben das auf Zahlung von EUR 7.321,55 sA (Schmerzengeld, Krankenhaus- bzw Betreuungskosten, Sachschäden und Spesen) sowie Feststellung der Haftung des Beklagten für alle Unfallsfolgen gerichtete Klagebegehren im zweiten Rechtsgang abgewiesen.

Die Revisionszulässigkeit wird in der Berufungsentscheidung damit begründet, dass „zu den Rechtsfragen des Notsturzes" gesicherte Rsp des Obersten Gerichtshofes fehle; dies gelte auch für die Frage, ob das Hängen bleiben mit einer Schikante an einer Eisrippe einem Verhalten als fahrtechnischer Fehler gleichgesetzt, und ob insoweit mit dem Nachweis einer mäßigen Fahrgeschwindigkeit bereits der Entlastungsbeweis erbracht werden könne.

Die Revision macht - zusammengefasst - geltend, das Berufungsgericht hätte bei richtiger rechtlicher Beurteilung davon ausgehen müssen, dass den Beklagten nicht nur ein Verstoß gegen „die Notsturzregel" bzw gegen „eine allenfalls allgemein anerkannte Schadensvermeidungspflicht (§ 7 POE)" treffe, sondern [dass] er auch durch das - schuldhafte - Hängen bleiben an der Eisrippe (was einem Verkanten gleichzusetzen sei) die Kollision letztlich verursacht habe, sodass ihm das zumindest überwiegende Verschulden anzulasten sei.

Demgegenüber weist die Revisionsbeantwortung - zutreffend - auf die Ausführungen des Berufungsgerichts zur „Tatsachenebene" hin, wonach der Beklagte, nach der für ihn günstigeren Variante, mit dem Kläger als nachkommenden, schnelleren Schifahrer kollidiert sei; ist doch der Berufung ausdrücklich deshalb ein Erfolg versagt geblieben, weil die (im 2. Rechtsgang ergänzten) Tatsachenfeststellungen letztlich die „Möglichkeit offen lassen", dass der Kläger seinerseits den Unfall durch Verletzung von Pistenregeln verursacht hat, und die verbleibenden Unklarheiten im Sachverhalt zu seinen Lasten gehen (Seite 15 der Berufungsentscheidung).

Damit stellen sich auch die angeführten Rechtsfragen nicht:

Nach der stRsp des Obersten Gerichtshofes sind die von den verschiedenen Institutionen und Autoren ausgearbeiteten Verhaltensvorschriften für Schifahrer wie die Bestimmungen des vom österreichischen Kuratorium für Sicherung vor Berggefahren erarbeiteten Pistenordnungsentwurfes (sog POE-Regeln) oder die FIS-Regeln zwar keine gültigen Rechtsnormen - insb auch nicht Gewohnheitsrecht. Ihnen kommt aber als Zusammenfassung der Sorgfaltspflichten, die bei der Ausübung des alpinen Schisportes im Interesse aller Beteiligten zu beachten sind und bei der Anwendung des allgemeinen Grundsatzes, dass sich jeder so verhalten muss, dass er keinen anderen gefährdet, erhebliche Bedeutung zu (9 Ob 60/01s mwN; RIS-Justiz RS0023410; RS0023793; zuletzt 2 Ob 102/02t; Reischauer in Rummel² II § 1297 ABGB Rz 7; Harrer in Schwimann² VII § 1295 ABGB Rz 79).

Bevor jedoch Überlegungen zur Anwendung einzelner Pistenregeln und Fragen der Beweislast die Qualität erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO zukommen kann, müssen zunächst der Unfallhergang und die kausalen Verhaltensweisen der Beteiligten feststehen; erst dann ist eine Beurteilung der Rechtswidrigkeit, des Verschuldens und der Schadenstragung möglich. Der mit der Sportausübung verbundenen Gefährdung fehlt die Rechtswidrigkeit, wenn die der betreffenden Sportart eigenen Regeln eingehalten werden. Diese Beurteilung ist (nicht revisible) Tat- und nicht Rechtsfrage (7 Ob 195/04h; 9 Ob 60/01s mwN).

Insoweit hat bereits das Berufungsgericht zutreffend aufgezeigt, dass nach stRsp die Behauptungs- und Beweislast für Tatumstände, aus denen ein die Haftung begründendes Verschulden des Schädigers an der Zufügung eines Schadens abgeleitet wird, denjenigen trifft, der seinen Anspruch darauf stützt, sodass sämtliche in diesem Punkt verbleibende Unklarheiten zu seinen Lasten gehen, wobei dies auch für den Beweis des Kausalzusammenhangs und der Rechtswidrigkeit des Verhaltens gilt (9 Ob 60/01s mwN; RIS-Justiz RS0037797 [T27]; zuletzt: 7 Ob 195/04h).

Nach den bindenden (positiven und negativen) Feststellungen der Vorinstanzen ist der Hergang des gegenständlichen Schiunfalles in wesentlichen Punkten, nämlich die gesamte „Annäherungssituation" der Parteien vor der Kollision (Seite 4 des Ersturteils), nicht mehr rekonstruierbar. Es konnte also insb nicht mehr geklärt werden, wer von den Streitteilen in Annäherung an die Unfallstelle der schnellere und/oder von weiter oben kommende Schifahrer war. Von den beiden als möglich angesehenen Unfallvarianten würde sich in der für den Beklagten günstigeren ergeben, dass der Kläger als hinterer und schnellerer Schifahrer seine Fahrweise dem Beklagten als dem vorderen, langsameren Schifahrer anpassen und ihm den „Vorrang" hätte einräumen müssen (Seite 12 f der Berufungsentscheidung). Lassen aber die Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen - wie im vorliegenden Fall - die Möglichkeit offen, dass der Kläger seinerseits den Unfall durch Verletzung von Pistenregeln verursacht hat, dass also der Beklagte der bevorrangte Schifahrer war, so ist das Klagebegehren schon wegen der den Kläger treffenden Beweislast für alle für seinen Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen abzuweisen, ohne dass es einer weiteren Auseinandersetzung mit anderen, für ihn günstigeren Unfallvarianten bedürfte, die jedoch nicht ausschließlich feststehen (3 Ob 545/94 = RIS-Justiz RS0023528; 9 Ob 60/01s). In der Revision wird daher keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt, weshalb das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen war. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO; der Beklagte hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen.

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