Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Zunächst ist festzuhalten, dass die ao Revision die Zulassung des Rechtsmittels durch das Berufungsgericht „gemäß § 508 ZPO" beantragt hat. Diese Bestimmung ist jedoch nicht anwendbar, weil der Entscheidungsgegenstand nach dem diesbezüglichen Ausspruch in der Berufungsentscheidung EUR 20.000 übersteigt. Über die Zulassungsbeschwerde hat daher nicht das Berufungsgericht sondern der Oberste Gerichtshof zu entscheiden (7 Ob 301/00s).
Die nach Auffassung des Revisionswerbers zu lösende „erheblich bedeutsame Rechtsfrage", ob das Verhalten des Klägers anlässlich des Abschlusses der Versicherungsverträge arglistig war, stellt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar. Was die in der Zulassungsbeschwerde angesprochenen Umstände - insb die bekämpfte Beurteilung, inwieweit der Kläger verpflichtet war, die Beklagte umfassend zu informieren - betrifft, hat der erkennende Senat nämlich bereits in der E v 31. 7. 2001, 7 Ob 174/01s Folgendes ausgeführt:
„Bei der Verletzung der Verpflichtung zur wahrheitsgemäßen Angabe aller jener Gefahrenumstände, die geeignet sind, auf den Entschluss des Versicherers, den Antrag überhaupt oder zu dem vereinbarten Inhalt abzuschließen, Einfluss auszuüben (§ 16 Abs 1 VersVG), handelt es sich um eine den Versicherungsnehmer vor dem Versicherungsfall (§ 6 Abs 1 VersVG; Schwintowski in Berliner Kommentar, Rn 16 zu § 6 VersVG) treffende Obliegenheit (7 Ob 188/98t). Damit wird im Grundsatz verlangt, dass die genannten Umstände ungefragt mitgeteilt werden müssen (Voit in Berliner Kommentar, Rn 2 zu § 16); ein Umstand, nach dem der Versicherer sogar ausdrücklich und schriftlich gefragt hat, gilt im Zweifel als erheblich (§ 16 Abs 1 letzter Satz VersVG; RZ 1984/19; JBl 1993, 50; VersE 1369; VersR 2001, 530). Nach Lehre und Rechtsprechung sind an die vom Versicherungsnehmer bei Erfüllung dieser seiner vorvertraglichen Anzeigepflicht anzuwendende Sorgfalt insbesondere dann, wenn die gestellten Fragen Individualtatsachen betreffen, ganz erhebliche Anforderungen zu stellen (VersR 2001, 530 mwN). Für eine schuldhafte Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht genügt bereits leichte Fahrlässigkeit (VersE 1544; 7 Ob 168/99b; VersR 2001, 530; RIS-Justiz RS0080572).
Ist der Vorschrift des § 16 Abs 1 VersVG zuwider die Anzeige eines erheblichen Umstandes unterblieben, so kann der Versicherer nach Abs 2 vom Vertrag zurücktreten; das Gleiche gilt, wenn die Anzeige deshalb unterblieben ist, weil sich der Versicherungsnehmer der Kenntnis des Umstandes arglistig entzogen hat. Abs 3 schließt das Rücktrittsrecht des Versicherers aus, wenn der Versicherungsnehmer unverschuldet die Anzeigenobliegenheit nicht erfüllt hat. Die Beweislast für mangelndes Verschulden obliegt dem Versicherungsnehmer (JBl 1993, 50; 7 Ob 168/99b; RIS-Justiz RS0080809). Listige Erregung eines Irrtums kann auch im Verschweigen bekannter, dem anderen Vertragsteil aber unbekannter Tatsachen gelegen sein (RIS-Justiz RS0014816); der Tatbestand der List (im Sinne des § 870 ABGB) setzt Schädigungsabsicht nicht voraus (RIS-Justiz RS0014800). Ob eine Obliegenheitsverletzung vorsätzlich, also mit Wissen und Willen, verletzt wurde, ist eine Tatfrage, an deren Beurteilung durch die Vorinstanzen der Oberste Gerichtshof gebunden ist (VersE 1369). Nach § 17 Abs 1 VersVG kann der Versicherer vom Vertrag auch dann zurücktreten, wenn über einen erheblichen Umstand eine unrichtige Anzeige gemacht wurde; § 17 VersVG ergänzt damit die Anzeigenobliegenheit nach § 16 (Voit aaO Rn 1 zu § 17)." (7 Ob 174/01s = VersE 1941 = VersR 2003, 226).
Wie sich aus den Feststellungen der Tatsacheninstanzen ergibt, war dem Kläger zum Zeitpunkt der Antragstellung (28. 6. 2002) bewusst, dass der beklagte Versicherer seinen Antrag möglicherweise nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen werde, wenn er die Wahrheit über "Vorversicherungen bzw die nunmehr behaupteten Unfallsfolgen" [betreffend den Arbeitsunfall vom 12. 10. 1989] angäbe (Seite 17 der Berufungsentscheidung):
Er hat die Fragen der Beklagten nach diesen Umständen jedenfalls insoweit unrichtig beantwortet, als er weder die Folgen des genannten Arbeitsunfalles erwähnte (obwohl ihm dafür eine 20 %ige Versehrtenrente [wegen bestehender Bewegungseinschränkungen des rechten Ellbogengelenks und Schmerzen bei der Arbeit und sonstiger stärkerer Belastung] zuerkannt worden war), noch die - bereits vor den gegenständlichen Versicherungsverträgen - bei der U*****versicherung AG, bei der G***** GmbH und bei der W***** Versicherungs-AG gestellten Versicherungsanträge (obwohl die ersten beiden Verträge nur deshalb nicht zustandegekommen waren, weil sie vom Versicherer nur unter geänderten Bedingungen angenommen worden wären und der Kläger die erschwerten Bedingungen [wonach er ausdrücklich gefragt worden war] nicht angenommen hatte, während beim letzten, am 13. 6. 2002 beantragten Vertrag Sofortschutz ab 1. 7. 2002 [also unmittelbar nach der Antragstellung hinsichtlich der gegenständlichen Verträge] gewährt wurde).
Demgegenüber beantwortete der Kläger sowohl die Fragen der Beklagten nach bestehenden Krankheiten oder Leiden und nach bestehenden körperlichen oder geistigen Schäden jeweils mit „nein", als auch jene nach dem Bestehen anderer Lebens- oder Unfallversicherungen bzw dahin, ob jemals vom Versicherer ein Antrag auf eine Lebens-, Kranken- oder Unfallversicherung abgelehnt, mit Erschwerung angenommen, zurückgestellt oder ein bestehender Antrag gekündigt wurde.
Damit ist der Beklagten der Nachweis der Arglist des Klägers gelungen. Listige Irreführung liegt bei rechtswidriger, vorsätzlicher Täuschung vor. Dabei ist es unerheblich, ob der Irrtum des Vertragspartners (hier: bezüglich abgelehnter Versicherungsanträge bzw des Gesundheitszustandes des Klägers) durch Vorspiegelung falscher oder irreführender Tatsachen hervorgerufen wurde oder ob vorsätzlich („bewusst") Tatsachen verschwiegen wurden. Wie bereits die eingangs zit E festhält, wird zwar durch das - wenn auch vorsätzliche - Verschweigen solcher Tatsachen nur dann listig irregeführt, wenn eine Rechtspflicht zur Aufklärung bestand, die sich bei Fehlen ausdrücklicher Regelungen nach den Grundsätzen des redlichen Verkehrs bestimmt (7 Ob 174/01s mwN); darauf braucht hier jedoch schon deshalb nicht zurückgegriffen zu werden, weil den Kläger eine Rechtspflicht zur wahrheitsgemäßen und vollständigen Auskunftspflicht - wie ausgeführt - bereits aus § 16 Abs 1 VersVG traf.
Der Beklagten wurden somit wesentliche Umstände verschwiegen. Wenn die ao Revision den Standpunkt vertritt, der Kläger habe sämtliche Fragen (zumindest) formal richtig beantwortet, entfernt sie sich von der Tatsachengrundlage der angefochtenen Entscheidung. Diese folgt somit den Grundsätzen der dargestellten Rsp, sodass die Voraussetzungen des § 502 ZPO nicht vorliegen.
Mangels einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die ao Revision daher zurückzuweisen.
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