OGH 1Ob240/04g

OGH1Ob240/04g19.4.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Herbert D*****, vertreten durch Dr. Gerhard Daxböck, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Stadtgemeinde M*****, vertreten durch Dr. Peter Kaupa, Rechtsanwalt in Baden, wegen 1,150.585,30 EUR sA über die außerordentliche Revision der klagenden Partei und den Rekurs der beklagten Partei gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien vom 22. Juni 2004, GZ 14 R 3/04w-72, womit das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 4. November 2003, GZ 26 Cg 27/00a-66, teils bestätigt und teils aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1) Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

2) Der Rekurs der beklagten Partei wird zurückgewiesen. Die beklagte Partei hat die Kosten dieses Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

1. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen zu den finanziellen Verhältnissen des Klägers steckte dieser bereits seit 1990 in Schwierigkeiten und wurde von seinen Gläubigern mit Exekutionen verfolgt sowie von den Banken auf deren „schwarze Liste" gesetzt. Zwischen 1995 und 1998 erzielte er aus seinem Drechslereibetrieb keinen Gewinn. Dennoch nahm er zwecks Finanzierung seines Projekts Kontakt mit verschiedenen Kreditinstituten auf, erreichte aber bei keinem das Stadium einer konkreten Zu- oder Absage. Grundsätzlich war zwar ein Kreditinstitut - wie an jedem Finanzierungsprojekt - auch an jenem des Klägers interessiert, es fehlten allerdings praktisch alle Voraussetzungen, so etwa entsprechende Sicherheiten auf Seiten des Klägers und entsprechende Verwertungsmöglichkeiten. Es wäre zwar unter Umständen möglich gewesen, bei Vorliegen sämtlicher erforderlichen Unterlagen von einem bestimmten Kreditinstitut eine Finanzierungszusage zu erlangen, in welchem Fall die Finanzierung dann unter Umständen von der erteilten Baugenehmigung abhängig gemacht worden wäre, doch waren vom Kläger überhaupt keine Unterlagen übergeben worden. So fehlten praktisch jegliche Buchhaltungsunterlagen, eine exakte Bekanntgabe der Höhe der der Liegenschaft anhaftenden Lasten, ein Kostenvoranschlag für das Projekt und eine Schätzung der Liegenschaft. Der Kläger war auch nicht in der Lage, die geforderten Sicherheiten beizubringen. Es wird zwar von Kreditinstituten auch Liegenschaftsvermögen „als Eigenmittel angenommen"; bei einem Kreditwerber, der auf der „schwarzen Liste" steht, ist aber ein lediglich „teilweiser Anteil" an Liegenschaftsvermögen nicht ausreichend. Bei den Finanzierungsgesprächen mit dem in Aussicht genommenen Kreditinstitut, die letztendlich scheiterten, wurde die Frage der Baugenehmigung nicht erörtert.

Rechtliche Beurteilung

Vor dem Hintergrund dieser Feststellungen ist die Auffassung der Vorinstanzen, der Kläger hätte „mangels entsprechenden Eigenkapitals und mangels Finanzierung" sein Projekt auch dann nicht verwirklichen können, wenn die beantragte Abbruchs- und Baubewilligung durch die Beklagte rechtzeitig erteilt worden wäre, sodass deren Säumigkeit (bzw Ablehnung) nicht ursächlich für den behaupteten Gewinnentgang des Klägers gewesen sei, nicht zu beanstanden. Soweit der Kläger in der außerordentlichen Revision die Auffassung vertritt, „ein bewilligtes und damit hinsichtlich aller wirtschaftlichen und baulichen Details fixiertes Bauprojekt, wo der Bauherr noch dazu Grundeigentümer sei, werde in der Regel auch durchgeführt und finanziert", weicht er von den Feststellungen ab, spielte doch die Frage der Baugenehmigung bei den Finanzierungsgesprächen keine Rolle. Für seine Überlegungen, er hätte etwa „sein bewilligtes Bauprojekt verkaufen können", fehlen in den Feststellungen überhaupt jegliche Anhaltspunkte.

Damit scheitert der vom Kläger geltend gemachte Schadenersatzanspruch hinsichtlich des eingeklagten Gewinnentgangs aber schon an der Ursächlichkeit des Verhaltens der Beklagten für seinen Eintritt, wäre doch die Frage der Baugenehmigung erst bei Vorliegen der entsprechenden Unterlagen, Sicherheiten und dergleichen unter Umständen relevant geworden. Damit kommt es aber auf die im außerordentlichen Revisionsrekurs angesprochene Frage der Zulässigkeit der Berufung der Beklagten auf rechtmäßiges Alternativverhalten gar nicht mehr an. Die Durchführbarkeit des Projekts scheiterte nämlich schon am tatsächlichen Unvermögen des Klägers.

Die außerordentliche Revision ist damit unzulässig.

2. Das Berufungsgericht hat hinsichtlich eines Teilbegehrens von 196.164,54 EUR dessen Abweisung durch das Erstgericht aufgehoben und diesem insoweit eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen. Ein Ausspruch über die Zulässigkeit des Rekurses an den Obersten Gerichtshof fehlt.

Nach der ständigen Rechtsprechung zu § 519 Abs 1 Z 2 ZPO ist in einem solchen Fall weder ein ordentlicher noch ein außerordentlicher Rekurs zulässig (RIS-Justiz RS0043898), ein ausdrücklicher Ausspruch über die Unzulässigkeit des Rekurses ist dabei nicht von Nöten (7 Ob 83/02k). Der Aufhebungsbeschluss kann aber - entgegen der Auffassung der Beklagten - auch nicht mit Revision mit der Begründung angefochten werden, das Berufungsgericht habe insofern eine „einheitliche Entscheidung" getroffen, als es teilweise in der Sache selbst entschieden, teilweise hingegen die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben hat, weil dies letztlich eine Umgehung des § 519 Abs 1 Z 2 ZPO darstellen würde.

Diese Rechtslage begegnet - ebenfalls entgegen der Auffassung der Beklagten - weder im Hinblick auf Art 92 Abs 1 B-VG noch im Hinblick auf Art 6 EMRK verfassungsrechtlichen Bedenken, was der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach nicht nur zu vergleichbaren Bestimmungen (RIS-Justiz RS0044057, insbesondere EvBl 1999/159 zu § 14b Abs 1 AußStrG aF), sondern konkret auch zu § 519 Abs 1 ZPO (4 Ob 80/95) klargestellt hat.

Daran ist festzuhalten. Es mag zwar richtig sein, dass in Einzelfällen die Verfahrensdauer dadurch verlängert werden kann, dass sich ein vom Gericht zweiter Instanz veranlasster zweiter Rechtsgang infolge abweichender Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofs als überflüssig herausstellt. Dem steht aber die Gefahr der Verfahrensverzögerung durch einen überflüssigen Rechtszug an den Obersten Gerichtshof gegenüber, zu dem es unweigerlich kommt, wenn gegen einen aufhebenden Beschluss eines Gerichts zweiter Instanz ein Rechtsmittel erhoben wird und der Oberste Gerichtshof die Rechtsansicht dieses Gerichts teilt. Das Bemühen, die Rechtsgarantien des Einzelnen durch eine Vielzahl von Rechtsmittelmöglichkeiten zu verstärken, darf nicht zu einer den Anspruch auf zügiges Verfahren gefährdenden Unübersichtlichkeit und Schwerfälligkeit des Verfahrens führen. Dass sich der Gesetzgeber im Hinblick auf eine Einschränkung des Rechtsmittelzugs an den Obersten Gerichtshof bei aufhebenden Entscheidungen dahin entschieden hat, dass dieser nur bei Vorliegen einer nach Beurteilung des Gerichts zweiter Instanz erheblichen Rechtsfrage stattfinden soll, ist bei Abwägung der aufgezeigten Aspekte zur Wahrung des Anspruchs auf Verfahrensökonomie angemessen (EvBl 1999/159).

Damit ist der als Revision bezeichnete Rekurs der Beklagten als absolut unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 ZPO.

Stichworte