Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Text
Gründe:
Nachdem sowohl ein von der Staatsanwaltschaft Steyr veranlasster außergerichtlicher Tatausgleich gemäß § 90g StPO als auch ein diversionelles Vorgehen gemäß § 90d Abs 1 und 3 iVm § 90b StPO durch das Landesgericht Steyr mangels Nachweise der zu erbringenden (aber auch tatsächlich erbrachten, vgl Beilage ./A, siehe auch S 95) gemeinnützigen Leistungen bei der Straßenmeisterei Ansfelden und der Vereinbarung über eine Schadensgutmachung mit der V***** A***** gescheitert waren, wurde der am 25. März 1988 geborene Gregor H*****ölzl mit Urteil des Landesgerichtes Steyr vom 15. März 2004, GZ 10 Hv 71/03v-11, von der Anklage, am 8. November 2002 gemeinsam mit einem abgesondert verfolgten, ebenfalls jugendlichen Mittäter insgesamt 34 entlang der Tillysburger Landstraße aufgestellte Schneestangen, sohin der öffentlichen Sicherheit und dem öffentlichen Verkehr dienenden Sachen, ausgerissen, dadurch unbrauchbar gemacht und hievon 15 beschädigt zu haben, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen, weil mangelnde Strafwürdigkeit der Taten nach § 42 StGB angenommen wurde.
Zu weiteren Vorwürfen, auch am 17. November 2002 insgesamt 21 Schneestangen ausgerissen und am 20. Jänner 2003 einen Bankomaten der V***** A***** beschädigt zu haben, erging ein Freispruch aus Beweisgründen.
Der wegen Nichtigkeit ausschließlich gegen die Annahme mangelnder Strafwürdigkeit der am 8. November 2002 gesetzten Tathandlungen erhobenen Berufung der Staatsanwaltschaft Steyr gab das Oberlandesgericht Linz mit Urteil vom 17. Juni 2004, AZ 7 Bs 116/04, nicht Folge. Dabei erging ebenfalls davon aus, dass alle Voraussetzungen des § 42 StGB vorlägen.
In der von ihr gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes führt die Generalprokuratur aus, dass die bezeichneten Urteile des Landesgerichtes Steyr und des Oberlandesgerichtes Linz aus folgenden Erwägungen mit dem Gesetz nicht im Einklang stünden:
„Mag auch die Voraussetzung einer von Amts wegen zu verfolgenden, nur mit Geldstrafe oder mit nicht mehr als drei Jahren Freiheitsstrafe oder mit einer solchen Freiheitsstrafe und Geldstrafe bedrohten Tat im vorliegenden Fall erfüllt sein, der Angeklagte seinen Anteil an den von der Straßenmeisterei Ansfelden ausschließlich in Rechnung gestellten Materialkosten beglichen und damit die Folgen der Tat gutgemacht haben (AS 23, 83, 134), kann bei der hier zu beurteilenden Sachlage von geringer Schuld (§ 42 Z 1 StGB) nicht mehr gesprochen werden. Dies hätte nämlich zur Voraussetzung, dass das Gewicht der Einzeltat hinter den typischen im Einzugsbereich des § 42 StGB liegenden Fällen erheblich (Leukauf/Steininger Komm3 Rz 14, Mayerhofer StGB5 E 3 b, jeweils zu § 42 StGB) zurückbleibt, wobei bei einem die Strafobergrenze des § 42 StGB erreichenden Strafrahmen in der Regel bereits die Tatbestandsverwirklichung eine kriminelle Energie und einen sozialen Störwert widerspiegelt, der einer durchschnittlichen Schuld entspricht. Ein dennoch geringes Verschulden würde in diesen Fällen demgemäß besondere unrechts- und schuldmindernde Umstände voraussetzen (14 Os 118/03, 13 Os 135/03, Schroll in WK-StGB2 § 42 Rz 28), die in den persönlichen Eigenschaften des Täters, andererseits aber auch in den Umständen, untern denen die Tat begangen wurde, begründet sein (Leukauf/Steininger aaO Rz 16) können.
Im konkreten Fall hat der Angeklagte gemeinsam mit seinem Mittäter aus bloßer Langeweile ("uns war so fad") auf einer Wegstrecke von 1,3 km 34 Schneestangen aus dem Boden gerissen und dabei 15 beschädigt, ein Verhalten, das insbesondere angesichts der räumlichen und zeitlichen Ausdehnung ein hohes Maß an Aggressivität, Mutwillen und Missachtung der Integrität fremden Eigentums erkennen lässt (vgl Leukauf/Steininger aaO Rz 17). Hinzu kommt, dass der Angeklagte zugestanden hat, bereits als Strafunmündiger in mehrfachen Angriffen Schneestangen in jeweils zwar geringerem, aber doch nicht unerheblichem Umfang ausgerissen oder beschädigt zu haben (er spricht von insgesamt 8 bis 9 Vorfällen, AS 59, vgl AS 7 bis 13). Entgegen der Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes wären auch diese gleichartigen Tathandlungen, die der Annahme eines ordentlichen Lebenswandels entgegenstehen (Ebner WK-StGB2 § 34 Rz 7, vgl auch Mayerhofer aaO § 42 Rz 17 aa) und auf eine bereits latent bestehende und nicht einmalig spontan zum Ausbruch gelangte Gewaltbereitschaft hindeuten, die bei der Gewichtung der der Deliktsverwirklichung zu Grunde liegenden Täterschuld, insbesondere des ihr innewohnenden Gesinnungsunwertes, zu berücksichtigen gewesen. Ungeachtet des Alters von ca 14 1/2 Jahren, des reumütigen Geständnisses und der vom Angeklagten zwar nicht rechtzeitig nachgewiesenen, aber tatsächlich erbrachten gemeinnützigen Leistungen (Schroll, aaO § 42 Rz 24) ist aus diesen Umständen, schon angesichts der einen nicht unbeträchtlichen Schuldgehalt indizierenden Strafdrohung von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe und eines auch hinter durchschnittlichen Fällen des in Rede stehenden Vergehens keineswegs zurückbleibenden Handlungsunrechts, eine - gemessen an Durchschnittsfällen im Anwendungsbereich des § 42 StGB - jedenfalls nicht bloß geringe Täterschuld abzuleiten. Damit fehlt es für die Anwendung des § 42 StGB aber bereits an der essentiellen Voraussetzung der geringen Schuld.
Soweit das Oberlandesgericht Linz als schuldmindernd gewertet hat, dass "eine besondere Gefahr durch das Zerstören der Schneestangen zur Tatzeit (Anfang November) nicht festgestellt wurde", ist verfehlt dem Ausbleiben eines Aggravationsumstandes eine Schuld- und Unrechtsreduktion beigemessen worden. Unter dem Schutz des § 126 Abs 1 Z 5 StGB stehen nämlich darin bezeichnete Sachen schon dann, wenn ihre Beschädigung abstrakt geeignet ist, eine Gefahr herbeizuführen (Fabrizy, StGB8 Rz 5, Leukauf/Steininger aaO RN 25, jeweils zu § 126).
Angesichts der tatsächlichen Erfüllung der ihm aufgetragenen gemeinnützigen Leistungen mag zwar eine Bestrafung nicht geboten gewesen sein, um den Angeklagten von strafbaren Handlungen abzuhalten, die Anwendung des § 42 StGB war jedoch auch aus generalpräventiven Erwägungen verfehlt. Denn das Absehen von der Bestrafung nach dem Scheitern der ursprünglich in Aussicht genommenen diversionellen Maßnahmen bagatellisiert die Begehung derartiger, nicht unerheblicher Sachbeschädigungen in den Augen der Öffentlichkeit und läuft damit der Abhaltung anderer potentieller, oftmals jugendlicher Täter von vergleichbaren strafbaren Handlungen zuwider".
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat hiezu erwogen:
Der Strafrahmen bei einer schweren Sachbeschädigung nach § 126 Abs 1 StGB beträgt bei Erwachsenen zwei Jahre, beim Jugendlichen hingegen ein Jahr (§ 5 Z 4 JGG). Der für die Bewertung einer geringen Schuld iSd § 42 Z 1 StGB den Rahmen setzende (vgl 14 Os 118/03, JBl 2005, 57) Einzugsbereich des § 42 StGB erfasst hingegen Delikte, die mit bis zu dreijähriger Freiheitsstrafe bedroht sind. Auch wenn eine mangelnde Strafwürdigkeit bei Jugendstraftaten - wie auch im Fall von Straftaten Erwachsener - lediglich bei Delikten in Frage kommt, die keine höhere Strafdrohung als eine solche von drei Jahren Freiheitsstrafe aufweisen (§ 5 Z 7 JGG), kann weder davon gesprochen werden, dass der konkret anzuwendende Strafrahmen an die (Anwendungs-)Obergrenze des § 42 StGB heranreicht (dies nicht einmal bei der Erwachsenenstrafdrohung), noch kann davon ausgegangen werden, dass bei dieser Ausgangssituation allein schon die Tatbestandsverwirklichung eine kriminelle Energie und einen sozial Störwert der Tat widerspiegelt, welcher einem durchschnittlichen Verschulden entspricht.
Mag zwar die Beschädigung von 34 Schneestangen über eine Strecke von 1,3 km eine (gewisse) räumliche Ausdehnung in sich bergen, so kann aber die in einem gesetzte Tathandlung wohl kaum als eine solche von relevanter zeitlicher Ausdehnung begriffen werden. Davon ausgehend auf ein hohes Ausmaß an Aggressivität, Mutwillen und Missachtung fremden Eigentums zu schließen, geht daher zu weit. Insbesondere lässt diese Schlussfolgerung das ausdrücklich hervorgehobene Motiv der Tat („uns war so fad") außer Acht. Jene gleichartigen Handlungen, die der nunmehrige Angeklagte zugestanden, aber als Strafunmündiger begangen hatte (sodass deren uneingeschränkte Berücksichtigung nicht in Frage kommt, weil diese Taten nicht vorwerfbar sind), vermögen zwar einen Zug zur mutwilligen Missachtung fremden Eigentums aufzuzeigen, nicht aber eine Aggressionstendenz oder Gewaltbereitschaft. Soweit die Generalprokuratur daraus einen erhöhten Gesinnungsunwert (= Schuldvorwurf iSd Fähigkeit, der Tatversuchung zu widerstehen; vgl Schroll in WK2 § 42 Rz 15 ff; Fuchs AT I6 21/4; Kienapfel/Höpfel AT11 Z 13 Rz 9) ableitet, berücksichtigt sie insbesondere den Umstand nicht ausreichend, dass der Freigesprochene im Tatzeitpunkt erst 14 1/2 Jahre alt war. Dessen Verhalten legt vielmehr eine (durch das dargelegte Motiv untermauerte) jugendliche Unreife und damit ein deutlich unter dem Durchschnitt liegendes Verschulden nahe (vgl SSt 54/25). Dazu kommen die in ihren Auswirkungen auf den Gesinnungsunwert zu berücksichtigenden (vgl Schroll in WK2 § 42 Rz 21 f) Milderungsgründe der Unbescholtenheit sowie des Geständnisses und der (zwar iS des Nachweises für eine diversionelle Erledigung nicht rechtzeitigen, dessen ungeachtet) erbrachten gemeinnützigen Leistungen zugunsten der Straßenmeisterei, die als Nachtatverhalten bei der Schuldgewichtung (ebenso wie die Schadensgutmachung bei der Folgenbetrachtung iSd § 42 Z 2 StGB) von Einfluss sind (vgl Schroll in WK2 § 42 Rz 24). Dass eine abstrakte Gefahr bestanden hat, ist schon Tatbestandsvoraussetzung des § 126 Abs 1 Z 5 StGB. Daher ist dem Oberlandesgericht Linz durchaus beizupflichten, dass der fehlenden konkreten Gefahrenlage für die betroffenen Verkehrsteilnehmer eine das Handlungsunrecht (iS einer geringeren Gefährdung) und die Schuld (iS einer geringeren Vorwerfbarkeit dieses grundsätzlich gefährlichen, konkret aber eben noch nicht gefährdenden Verhaltens) betreffende Bedeutung bei der Schuldabwägung zukommt. Dass generalpräventive Gründe die Bestrafung eines 14 1/2-jährigen Tatverdächtigen bei einem typisch jugendlichen Fehlverhalten gebieten, steht im Widerspruch zu der aus § 4 Abs 2 Z 2, §§ 6 f, §§ 12 f iVm § 14 JGG ableitbar gebotenen Zurückhaltung bei der Berücksichtigung generalpräventiver Ausschlussgründe für ein diversionelles Vorgehen oder der Beachtlichkeit generalpräventiver Umstände bei der Sanktionierung von Jugendlichen. Im Übrigen würde nach der Argumentation der Generalprokuratur (Bagatellisierung der zugrunde liegenden Straftat bei einer nicht unerheblichen Sachbeschädigung) die Annahme einer mangelnden Strafwürdigkeit der Tat bei einem trotz Schadenszufügung erzielten vollständigen Folgenausgleich (§ 42 Z 2 StGB) im Wege generalpräventiver Bedenken in der Regel ausgeschlossen sein. Dass die diversionelle Erledigung nicht zustande kam, vermag schon deswegen keine generalpräventiven Bedenken hervorrufen, weil ja deswegen ein förmliches Strafverfahren durchgeführt und der Allgemeinheit damit klargemacht wurde, dass derartige Sachbeschädigungen als Straftaten verfolgt werden (vgl 14 Os 118/03, JBl 2005, 57).
Unter Zugrundelegung dieser Erwägungen kann demnach fallbezogen nicht gesagt werden, dass die Entscheidungen des Landesgerichtes Steyr und des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht rechtsfehlerhaft wären, sodass die Beschwerde zu verwerfen war.
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