OGH 9ObA122/04p

OGH9ObA122/04p23.2.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Eveline Umgeher (Arbeitgeber) und Thomas Albrecht (Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. Peter W*****, Angestellter, *****, vertreten durch Dr. Helmut Engelbrecht und Mag. Werner Piplits, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Wirtschaftskammer Österreich, Wiedner Hauptstraße 63, 1045 Wien, vertreten durch Dr. Manfred Dimmy, Rechtsanwalt in Stockerau, wegen Feststellung (Streitwert EUR 95.396,22), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 8. Oktober 2004, GZ 7 Ra 141/04p-41, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Revisionswerber stützt die in der Klage begehrte Feststellung auf das Schweigen der Beklagten zu seinem handschriftlichen Zusatz zu seiner Annahmeerklärung vom 17. 3. 1992 (Beil ./D). Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO erblickt er darin, dass das Berufungsgericht auf Grund krasser rechtlicher Fehlbeurteilung die herrschende Rechtsprechung zur Willensübereinkunft bei Arbeitsverhältnissen missachtet habe, von den allgemeinen Regeln der Vertragsauslegung abgewichen sei und sich in seiner rechtlichen Beurteilung von den erstgerichtlichen Feststellungen entfernt habe. Dem ist Folgendes entgegenzuhalten:

Rechtliche Beurteilung

Auch der Revisionswerber geht davon aus, dass bloßes Schweigen grundsätzlich keinen Erklärungswert hat, insbesondere nicht die Bedeutung der Zustimmung zu einem Anbot, und nur unter besonderen Umständen als Annahme gewertet werden kann (RIS-Justiz RS0013991, RS0014124 ua). Ob derartige besondere Umstände hier vorliegen, kann allerdings dahingestellt bleiben, weil das Berufungsgericht das Vorliegen eines (Gegen-)Anbotes des Klägers im Sinne einer zur Annahme geeigneten Willenserklärung verneinte.

Der Revisionswerber bestreitet diese rechtliche Qualifikation. Ob eine Wissens- oder eine Willenserklärung vorliegt, ist im Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln (RIS-Justiz RS0028641, RS0032666 ua). Auslegungsfragen entziehen sich in der Regel zufolge ihrer Einzelfallbezogenheit generellen Aussagen. Sie begründen daher keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO, sofern keine auffallende Fehlbeurteilung vorliegt, die vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden muss (RIS-Justiz RS0044358 ua). Von einem unvertretbaren Auslegungsergebnis des Berufungsgerichtes kann hier keine Rede sein. Dass der vom Obersten Gerichtshof zu 8 ObA 37/98v (anders) beurteilte Sachverhalt "völlig vergleichbar" sei, trifft entgegen der Auffassung des Revisionswerbers nicht zu. Soweit dies der genannten Entscheidung entnommen werden kann, stand dort das Vorliegen einer bedingten Annahme nicht weiter in Frage und daher vor allem die Beurteilung des Schweigens des Erklärungsempfängers im Mittelpunkt der Betrachtung. Hier stellte jedoch der Kläger in seinem Zusatz primär auf eine angeblich bereits bei Dienstantritt erfolgte Zusage der Beklagten ab und zog daraus für die Gegenwart gewisse Schlüsse (arg "davon ausgehe"). Diese (von der Beklagten bestrittene) Zusage konnte jedoch nicht objektiviert werden.

Der Revisionserwerber erblickt in der Qualifikation seiner Erklärung als Wissenserklärung einen Verstoß des Berufungsgerichtes gegen § 462 ZPO. Nach dieser Bestimmung überprüft das Berufungsgericht die Entscheidung des Gerichtes erster Instanz innerhalb der Grenzen der Berufungsanträge. Da im Rahmen der ordnungsgemäß ausgeführten Rechtsrüge das Berufungsgericht den Sachverhalt nach allen Richtungen rechtlich zu untersuchen hat, kann der Rechtsmittelwerber in der Berufung neue rechtliche Gesichtspunkte aufzeigen und hat das Berufungsgericht solche auch aus eigenem aufzugreifen (8 Ob 158/97m ua). Dazu gehört auch die Frage, ob eine Erklärung als Willens- oder Wissenserklärung zu qualifizieren ist. Es wird somit vom Revisionswerber auch insoweit keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Stichworte