OGH 6Ob205/04x

OGH6Ob205/04x17.2.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Innsbruck zu FN 82316d eingetragenen R***** Gesellschaft mbH, ***** über den Revisionsrekurs der Gesellschaft und des Ing. Helmut R*****, beide vertreten durch Mag. Egon Stöger, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 14. Juli 2004, GZ 3 R 108/04p-9, womit der Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 16. Juni 2004, GZ 60 Fr 1522/04x-5, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG (RGBl Nr 208/1854) zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Nach ständiger Rechtsprechung zu §§ 10 und 15 AußStrG (RGBl Nr 208/1854 idF WGN 1989) sind Neuerungen im Rahmen eines außerordentlichen Revisionsrekurses unzulässig (RIS-Justiz RS0006904; RS0010758). Die erstmals im Revisionsrekurs aufgestellte Behauptung, der für den Erwerber der Geschäftsanteile der ehemaligen Gesellschafterin in der Generalversammlung am 7. 5. 2004 einschreitende Rechtsanwalt habe keine schriftliche Spezialvollmacht im Sinn des § 39 Abs 3 GmbHG vorweisen können, stellt daher eine unbeachtliche Neuerung dar. Aus dem Akteninhalt lässt sich diese Behauptung nicht ableiten. Der Umstand, dass die notarielle Beglaubigung der Übereinstimmung der dem Gericht vorgelegten Fotokopie der betreffenden Spezialvollmacht mit dem Original mit einem späteren Datum (1. 6. 2004) als jenes der Generalversammlung (7. 5. 2004) versehen ist, besagt noch nicht, dass bei der Generalversammlung kein Original dieser Vollmacht vorgelegt oder eine solche Vollmacht überhaupt noch nicht erteilt worden war. Im Generalversammlungsprotokoll wurde vielmehr notariell bestätigt, dass sich der Rechtsanwalt mit einer Vollmacht ausgewiesen habe. Die Behauptung, dass dies eine „bewusste Falschbeurkundung" gewesen sei, ist ebenfalls als unzulässige Neuerung unbeachtlich.

Die weiteren Ausführungen des Revisionsrekurses zur Vollmachtsfrage, nämlich dass die Spezialvollmacht zur Ausübung des Stimmrechts des Gesellschafters eine öffentliche Urkunde oder eine solche Privaturkunde sein müsse, auf der die Unterschrift des Vollmachtgebers gerichtlich, notariell oder von einer österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland beglaubigt sei, entsprechen nicht dem § 39 Abs 3 GmbHG. Eine solche Formvorschrift besteht lediglich für die Vertretung des Gesellschafters bei Abschluss des Gesellschaftsvertrags (§ 4 Abs 3 GmbHG: „beglaubigte" Vollmacht; vgl Reich-Rohrwig, Das österreichische GmbH-Recht² I 1/34).

Der Erwerber eines Geschäftsanteils erhält diesen und damit alle Rechte des Vormanns aus dem Gesellschaftsverhältnis bereits durch die formgerechte Verpflichtung und Verfügung. Es steht mit § 78 Abs 1 GmbHG in Einklang, wenn die Gesellschaft, noch bevor der neue Gesellschafter im Firmenbuch eingetragen ist, nach der tatsächlichen Rechtslage handelt und dem neuen Gesellschafter sein Stimmrecht in der Generalversammlung gewährt (SZ 72/127). Die Gesellschaft trifft zwar keine Rechtspflicht, dem Erwerber die Ausübung des Stimmrechts in der Generalversammlung zu ermöglichen, solange sie keine eindeutigen Informationen hat, dass ein konkreter Gesellschafterwechsel stattgefunden hat (SZ 73/33; SZ 74/59). Im vorliegenden Fall lag aber der Gesellschaft der notarielle Abtretungsvertrag vom 28. 10. 1998 und die Zustimmungserklärung der bei ihrer Abgabe durch den hiefür gerichtlich bestellten Abwesenheitskurator vertretenen, verbleibenden zweiten (Minderheits)gesellschafterin vor, ehe diese und der neue Gesellschafter die der ebenfalls bekämpften Eintragung zugrunde liegenden Beschlüsse fassten. Dass die Zustimmung der verbleibenden Gesellschafterin in einer Generalversammlung erfolgen müsse, sieht der Gesellschaftsvertrag nicht vor. Die Ausführungen des Rekursgerichts, dass die betreffende Bestimmung im Abtretungsvertrag (Punkt 8.) nicht als Wirksamkeitserfordernis, sondern als bloße Absichtserklärung der Parteien des Abtretungsvertrags zu verstehen sei, berührt keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (RIS-Justiz RS0042936). Eine wesentliche Verkennung der Auslegungsgrundsätze durch das Rekursgericht vermögen die Revisionsrekurswerber nicht aufzuzeigen. Ihr Vorbringen, die Parteien des Abtretungsvertrags seien davon ausgegangen, dass noch am selben Tag eine Generalversammlung stattfinden werde, steht der Auslegung des Rekursgerichts nicht entgegen, sondern spricht vielmehr dafür, dass die Parteien Punkt 8. des Abtretungsvertrags im Hinblick auf dieses Vorhaben aufgenommen haben und diese Regelung nicht auch für den Fall treffen wollten, dass die in der geplanten Generalversammlung gefassten Beschlüsse nicht zu entsprechenden Firmenbucheintragungen führen würden. Die Vereinbarung einer bestimmten Form des Abtretungsvertrags selbst wurde in Punkt 8. nicht getroffen, sodass der Hinweis der Revisionsrekurswerber auf die Zweifelsregel des § 884 ABGB verfehlt ist.

Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entfaltet zwar ein Zustimmungs- und Aufgriffsrecht, wie es in Punkt 12. des Gesellschaftsvertrags vereinbart wurde, bis zum Verzicht oder zur Nichtausübung des Aufgriffsrechts oder zur Zustimmungserklärung absolute Wirkung, sodass solche Geschäftsanteile bis dahin unverändert dem Veräußerer zustehen (SZ 65/60; vgl SZ 73/33 mwN). Hier lag aber die Zustimmungserklärung der verbleibenden Gesellschafterin (der „übrigen" Gesellschafterin im Sinne des Punktes 12. des Gesellschaftsvertrags) vor, ehe die Beschlüsse von der verbleibenden Gesellschafterin und dem neuen Gesellschafter einstimmig gefasst wurden. In der Ansicht des Rekursgerichts, dass die der Zustimmung der verbleibenden Gesellschafterin zur Abtretung des Geschäftsanteils nachfolgenden Beschlüsse keine unwirksamen und vom Firmenbuchgericht nicht zu beachtenden Scheinbeschlüsse darstellten, ist daher ein Abweichen von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht zu erblicken.

Der Beschluss des Firmenbuchgerichts vom 15. 12. 1998, GZ 50 Fr 11580/98v-2, mit dem entsprechende Eintragungsanträge abgewiesen wurden, entfaltet im Gegensatz zur Ansicht der Revisionsrekurswerber hinsichtlich des nun vorliegenden Eintragungsantrags keine Einmaligkeits- oder Bindungswirkung. Dem abweisenden Beschluss lag zugrunde, dass die verbleibende Gesellschafterin (damals schon) unbekannten Aufenthalts war, aber noch nicht durch einen Abwesenheitskurator vertreten wurde, daher nicht ordnungsgemäß zur Generalversammlung am 28. 10. 1998 geladen wurde und an dieser nicht teilnahm. Es fehlte weiters auch ihre Zustimmung zur Übertragung des Geschäftsanteils der anderen Gesellschafterin auf Adolf S*****. Aus diesen Gründen wurde die Eintragung des neuen Gesellschafters und die in der Generalversammlung am 28. 10. 1998 gefassten Beschlüsse als wirkungslose Scheinbeschlüsse qualifiziert, die in das Firmenbuch nicht eingetragen werden dürften. Bei der Beurteilung, ob die zur Einmaligkeitswirkung und daher zur Zurückweisung eines deckungsgleichen Begehrens führende materielle Rechtskraft einer außerstreitigen Entscheidung vorliegt, ist entscheidend, ob gegenüber jenem Sachverhalt, der für die frühere Entscheidung maßgebend war, eine Änderung eingetreten ist (RIS-Justiz RS0007201). Aufgrund der eingetretenen Sachverhaltsänderungen (Zustimmung der verbleibenden Gesellschafterin zur Übertragung der Geschäftsanteile, Teilnahme der [durch den Abwesenheitskurator vertretenen] verbleibenden Gesellschafterin an der nachfolgenden Beschlussfassung) war über die nunmehrigen Eintragungsanträge neuerlich zu entscheiden.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 16 Abs 4 AußStrG RGBl Nr 208/1854 iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Stichworte