OGH 14Os16/05t

OGH14Os16/05t16.2.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Februar 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in der Strafsache gegen Karl R***** wegen des Verbrechens des schweren, gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung, AZ 17 Ur 376/04x des Landesgerichtes St. Pölten, über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 3. Jänner 2005, AZ 20 Bs 405/04, nach Anhörung der Generalprokuratur, durch schriftliche Abstimmung (§ 60 Abs 1 Satz zwei OGH-Geo.) zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Karl R***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Mit Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 3. Jänner 2005, AZ 20 Bs 405/04, wurde die am 27. November 2004 über Karl R***** verhängte Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit b und c StPO fortgesetzt.

Danach richtet sich gegen den Beschuldigten der dringende Verdacht, er habe mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch wiederkehrende Begehung von Betrug eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, Personen im Alter von 74 bis 90 Jahren durch die Vorspiegelung, „qualitativ hochwertige Ware mit werterhöhenden Eigenschaften" statt - in Wahrheit - minderwertiger Billigprodukte anzubieten, zum vermögensschädigenden Kauf von Bettwäsche, Bettdecken, Polstern und ähnlichen Produkten verleitet, nämlich

  1. 1. am 3. März 2004 in O***** Theresia M***** (Schaden: 400 Euro),
  2. 2. im Mai oder Juni 2004 in St. Ae***** Maria B***** (Schaden: 100 Euro),
  3. 3. im Juni 2004 in E***** Josef G***** (Schaden: 450 Euro),
  4. 4. am 12. Juli 2004 in A***** Rosa K***** (Schaden: 1.500 Euro),
  5. 5. am 14. Oktober 2004 in H***** Zäzilia Sch***** (Schaden: 1.400 Euro),
  6. 6. im November 2004 in W***** Franz E***** (Schaden: 900 Euro) und
  7. 7. Anfang November 2004 in Wi***** Alfred B***** (Schaden: 1.400 Euro),

    und hiedurch das Verbrechen des (richtig:) schweren, gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB (vgl Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 148 Rz 5) begangen.

Rechtliche Beurteilung

Die Grundrechtsbeschwerde kritisiert die Annahme von Tatbegehungsgefahr, die unterlassene Anwendung gelinderer Mittel sowie die Bejahung eines ausgewogenen Verhältnisses der Haft zur Bedeutung der Sache und zu der zu erwartenden Strafe. Sie ist damit jedoch nicht im Recht.

Indem sie eingangs ausdrücklich erklärt, die Bejahung dringenden Tatverdachts nicht bekämpfen zu wollen, sodann aber behauptet, nur aus den Aussagen des Alfred und der Gertrude B***** könne auf die erfolgte Zusicherung besonderer Qualität der Ware geschlossen werden (vgl aber auch die niederschriftlichen Angaben des Franz E***** [S 241: „Unterbett ..., auf dem ich ganz gut schlafe"] und der Theresia M***** [S 65: „ganz besondere Decke"]), macht sie offenbar unzureichende Begründung der Verdachtsannahme zumindest konkludenter Zusicherung werterhöhender Eigenschaften (vgl Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 146 Rz 18 ff, Kienapfel/Schmoller BT II Studienbuch § 146 Rz 42, 47 ff) weder mit der erforderlichen Bestimmtheit noch inhaltlich zutreffend geltend (§ 10 GRBG, § 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO). Substratlose Spekulationen über die Kausalität der angenommenen Täuschung für das Verhalten der Geschädigten und die „subjektive Tatseite" sind aus Z 5 vierter Fall unbeachtlich. Auch begegnet der aus Tatmehrheit, Verurteilungen wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender Taten und aus dem Umstand, dass der Beschuldigte seinen Lebensunterhalt durch einschlägige Verkaufstätigkeit bestreite, abgeleitete Schluss auf den dringenden Verdacht gewerbsmäßiger Begehung unter diesem Aspekt keinen Bedenken. Unvollständigkeit der Beweiswürdigung wird mit dem vagen Hinweis auf die Vorlage von „Einkaufsaufwand samt kaufmännischer Kalkulation" (gemeint offenbar die in Kopie vorgelegte, nicht datierte Rechnung, S 261 und die gleichermaßen in Kopie beigebrachte Rechnung vom 5. November 2004, S 295) nicht mit Bestimmtheit geltend gemacht (§ 10 GRBG, § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO). Zudem bleibt offen, ob die in den Rechnungen genannte Ware der vom Beschuldigten verkauften entsprach.

Unvollständigkeit der Beweiserhebungen - ein Charakteristikum jeder anhängigen Voruntersuchung (vgl § 91 Abs 2 StPO) - stellt keine Grundrechtsverletzung dar.

Die Beschwerde räumt selbst ein, dass im Fall dringenden Verdachts gewerbsmäßiger Begehung auch die von § 180 Abs 1 zweiter Satz StPO verlangte Verhältnismäßigkeit der im Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung kaum mehr als einen Monat dauernden Untersuchungshaft zur Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe „ihre sachliche Rechtfertigung finden kann", enthält doch § 148 erster Fall StGB einen Strafsatz von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Indem der Beschuldigte schließlich konzediert, dass die in der Grundrechtsbeschwerde genannten gelinderen Mittel nur „in Summe" ausreichen würden, den im Hintanhalten der - inhaltlich nicht in Abrede gestellten - Tatbegehungsgefahr bestehenden Haftzweck zu erreichen, die vorübergehende Abgabe (nicht nur des Führerscheins, sondern auch) des bei den Verkaufsfahrten benutzten Fahrzeuges (nebst Gelöbnis, „bis zur Anberaumung einer mündlichen Hauptverhandlung keine Warenverkäufe mehr zu tätigen") indes erstmals gegenüber dem Obersten Gerichtshof geltend gemacht wurde, mithin der Instanzenzug insoweit nicht ausgeschöpft ist (vgl 13 Os 158/00 [= EvBl 2001/97], 14 Os 139/04), erweist sich die Berufung auf die unterlassene Anwendung gelinderer Mittel (Art 5 Abs 2 erster Satz PersFrG, § 180 Abs 1 zweiter Satz StPO) als nicht zielführend.

Im Übrigen war angesichts - indizierten (S 165) - einschlägigen, wenngleich nicht deliktischen Zusammenwirkens des Beschuldigten mit seinem gleichfalls als Marktfahrer tätig gewesenen Sohn die Erwägung des Oberlandesgerichtes, dieser könnte statt des Beschuldigten das Verkaufsfahrzeug lenken, im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung (noch) nicht von der Hand zu weisen.

Die in der Äußerung des Beschwerdeführers vorgebrachten Neuerungen sind prozessual unbeachtlich.

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