Spruch:
Aleksandar I***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Text
Gründe:
Mit Beschluss vom 20. November 2000, 20 Bs 418/00, gab das Oberlandesgericht Wien einer Beschwerde des Aleksandar I***** gegen die von der Vorsitzenden des Schöffengerichtes beschlossene Fortsetzung der am 17. Jänner 2000 verhängten Untersuchungshaft nicht Folge und setzte diese seinerseits aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit a StPO fort. Danach richtet sich gegen den Angeklagten der dringende Verdacht, die Verbrechen nach § 28 Abs 2 zweiter und vierter Fall und Abs 4 Z 3 SMG begangen zu haben, indem er im August 1998 rund ,8 kg Kokain", mithin ein Suchtgift in einer Menge, die zumindest das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28 Abs 6 SMG) ausmachte, gemeinsam mit Renate J***** und Rade St***** von Deutschland nach Österreich einführte und danach (gemeint:) zum Großteil in Wien an Unbekannte in Verkehr setzte.
Rechtliche Beurteilung
Der Grundrechtsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu. Sie richtet sich in erster Linie gegen die tatsächliche Grundlage, der zufolge der rechtliche Schluss auf das Vorliegen der Haftvoraussetzung, wonach der Angeklagte (zumindest) einer bestimmten Tat dringend verdächtig ist (§ 180 Abs 1 erster Satz StPO), bejaht wurde. Ein solcher rechtlicher Schluss ist dann und nur dann zulässig und geboten, wenn sich aus bestimmten Tatsachen (= Beweisergebnissen; § 179 Abs 4 Z 4 StPO) die hohe Wahrscheinlichkeit eines Sachverhaltes ergibt, welcher dann, wenn er vom erkennenden Gericht als Tat (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) des Betroffenen festgestellt würde (= entscheidende Tatsachen), im Strafurteil jenen strafbaren Handlungen (zu den Begriffen ,strafbare Handlung" und ,Tat" (vgl EvBl 2000/134, 2000/ 221) zu subsumieren wäre (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO), auf die sich die Bejahung der Haftvoraussetzung bezieht.
Der (Verdachts-)Ausspruch über die entscheidenden Tatsachen (= die tatsächliche Grundlage für das Vorliegen der Haftvoraussetzung) wurde vom Oberlandesgericht aus den belastenden Aussagen der Renate J*****, des Rade St***** und des Goran S***** abgeleitet (§ 182 Abs 4 zweiter Satz [§ 179 Abs 4 Z 4] StPO). In die sorgfältige, auf die Haftfrage bezogene Würdigung der bislang vorliegenden Verfahrensergebnisse schloss es auch die Umstände ein, dass St***** seine belastenden Angaben in der Hauptverhandlung widerrufen und S***** vor dem erkennenden Gericht beteuert hatte, sich an Erzählungen über die Täterschaft des Angeklagten nicht mehr erinnern zu können. Die zuletzt aufgestellte Behauptung St*****, er habe ursprünglich Renate J***** helfen wollen und I***** in die Sache hineingezogen, weil er gewusst habe, dass sich dieser im Tatzeitraum in Jugoslawien aufgehalten habe, beurteilte es als lebensfern, nicht nachvollziehbar und demnach ungeeignet, die Annahme hoher Tatbegehungswahrscheinlichkeit zu entkräften. Der mit Schriftsatz vom 17. August 2000 vorgelegten, nicht beglaubigten Kopie einer Hotelrechnung über den Aufenthalt eines Aleksandar I***** vom 8. bis 10. September 1998 in Paris (ON 82, Bd III) sowie einer Eintragung im Reisepass des Angeklagten, aus welcher sich ein Grenzübertritt nach Ungarn am 7. September 1998 ergibt, maß es deshalb keine den Verdachtsausspruch hindernde Bedeutung bei, weil Renate J***** mit Blick auf die verstrichene Zeit ,vorweg nicht unglaubwürdig" eingeräumt habe, sich an das genaue Datum der Schmuggelfahrt (1) nicht mehr erinnern zu können.
Wegen der sinngemäßen Anwendbarkeit nicht nur der Z 5, sondern auch der Z 5a des § 281 Abs 1 StPO (§ 10 GRBG; vgl EvBl 1999/192 = JBl 2000, 259, zuletzt: 11 Os 101/00, 15 Os 110/00) ist im Grundrechtsbeschwerdeverfahren vor dem - funktionell als Verfassungsgericht entscheidenden - Obersten Gerichtshof die Anfechtung der Tatfrage in vergleichsweise besonders weitem Umfang möglich (zur Prüfung von Entscheidungen der UVS vgl VfSlg 13732, 14813, 15046; zur Begründungspflicht vor dem deutschen BVerfG vgl Eschelbach/Giegl/Schulz, NStZ 2000, 565 [569]).
Indem die Beschwerde (Pkt 3.1) aber zugesteht, es sei ,unklar, wann Frau J***** konkret mit den 8 kg Kokain in Düsseldorf (dem Ausgangspunkt der zu 1 genannten Fahrt) angekommen ist", räumt sie selbst das Fehlen relevanter, aus den bezeichneten Urkunden sich ergebender Bedenken gegen die tatsächlichen Verdachtsannahmen des Oberlandesgerichtes ein, wozu kommt, dass dem Tatzeitraum für die rechtliche Bejahung des dringenden Tatverdachtes deshalb keine entscheidende Bedeutung zukommt, weil Verjährung nicht in Rede steht (14 Os 161/97).
Mit der Behauptung (Pkt 3.2 und 3.3), deren Widerruf und nicht den belastenden Angaben von St***** und S***** sei zu glauben, werden erhebliche Bedenken an den Verdachtsannahmen ebenso wenig geweckt, während das Vorbringen (Pkt 3.4), der Gerichtshof II. Instanz habe ,nicht ins Kalkül gezogen, dass die Zeugen Slavko Sp***** und Igor Si***** ... lt Zeugenaussagen für Renate J***** Drogen verkauften und auch in ihrer Wohnung festgenommen wurden", sich einer Auseinandersetzung entzieht, weil - abgesehen von der undeutlichen Bezeichnung der angesprochenen Aktenstücke (vgl aber die Aussage M*****s, S 337, Bd II) - unklar bleibt, welche Schlussfolgerungen der Beschwerdeführer daraus ableiten will. Dazu kommt, dass schon der dringende Verdacht der Suchtgifteinfuhr (1) als Haftvoraussetzung genügt.
Gleichermaßen unklar bleibt, was angesichts der gar nicht in Zweifel gezogenen Suchtgifteinfuhr durch J***** das Vorbringen (Pkt 3.5) austragen soll, diese habe behauptet, ,aus Furcht vor den Kolumbianern aus Österreich geflüchtet zu sein", sei aber dennoch bereit gewesen, ,neuerlich Kokain aus Kolumbien nach Österreich zu schmuggeln"; zudem sei es ,mehr als fragwürdig, dass der Kolumbianer ,Charlie` sich einfach damit zufrieden gegeben hat, 8 kg Kokain an die Zeugin J***** verloren zu haben, ohne zumindest ernsthaft zu versuchen, diese Ware von der Zeugin J***** oder Personen ihres Umfeldes zurückzubekommen." Dass J***** schließlich (Pkt 3.6) ,einzig danach trachtete, in den Genuss einer ,Kronzeugenregelung` zu kommen" (zu ergänzen: und den Angeklagten daher fälschlich belastet habe), ist bloße Spekulation und aus dem - daher zu Unrecht als übergangen (§ 10 GRBG iVm § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO) reklamierten - Zeitungsbericht, wonach ihr die Aufnahme in ein Zeugenschutzprogramm zugesichert worden sei, nicht abzuleiten.
Die Behauptung, bestimmte Tatsachen, aus denen sich der Haftgrund der Tatbegehungsgefahr ergibt, lägen nicht vor (Pkt 4), übergeht die Begründung des angefochtenen Beschlusses (S 6 f), wonach die (rechtlich) als Gefahr beurteilte hohe Wahrscheinlichkeit, der Angeklagte werde auf freiem Fuße ungeachtet des gegen ihn geführten Strafverfahrens eine gegen die Volksgesundheit gerichtete, gerichtlich strafbare Handlung mit schweren Folgen begehen (§ 180 Abs 2 Z 3 lit a StPO), aus dem dringenden Verdacht professionell begangener, gewinnträchtiger Verbrechen nach § 28 Abs 2 und Abs 4 Z 3 SMG (oben 1 und 2) abgeleitet wurde (vgl EvBl 1998/101). Dem weiteren Vorbringen zuwider (Pkt 5) ist der Haftzweck durch Einbehaltung des Reisepasses schon angesichts der nach den Sachverhaltsannahmen des Oberlandesgerichtes nicht von der Hand zu weisenden Möglichkeit zur Beschaffung eines Falsifikates und überdies mit Blick darauf nicht zu erreichen, dass dem Angeklagten auch das In-Verkehr-Setzen von Suchtgift angelastet wird. Die Tatsache, dass der Angeklagte das Oberlandesgericht damit nicht befasst hatte, und die damit verbundene Frage, ob solcherart der Instanzenzug erschöpft ist (§ 1 Abs 1 GRBG) kann demnach dahinstehen (vgl EvBl 1997/16; Zur Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde vgl Eschelbach/Giegl/Schulz, aaO, 568). Sicherheitsleistung (§ 180 Abs 5 Z 7 StPO) kommt als gelinderes Mittel nur in Betracht, sofern ausschließlich der Haftgrund der Fluchtgefahr vorliegt oder - im Fall obligatorischer Untersuchungshaft - nicht ausgeschlossen werden kann (§ 190 Abs 1 erster Satz StPO).
Der - zutreffenden - rechtlichen Beurteilung des Oberlandesgerichtes, die bisherige Dauer der Untersuchungshaft stehe zu der wegen des Strafrahmens voneinem bis zu fünfzehn Jahren zu erwartenden unbedingten Freiheitsstrafe nicht außer Verhältnis, widerspricht die Beschwerde nur mit substratloser, einer Erörterung nicht zugänglicher Behauptung des Gegenteils.
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