Spruch:
Im Verfahren AZ 091 Hv 84/03v des Landesgerichtes für Strafsachen Wien verletzen
1. das (freisprechende) Urteil des Schöffengerichtes vom 23. September 2003 (ON 23) insoweit es keinen Ausspruch über die Kostenersatzpflicht der Subsidiarankläger enthält, § 390 Abs 1 StPO,
2. der auf diesem Urteil beruhende Beschluss der Vorsitzenden vom 12. November 2003 (ON 28), soweit sie darin die von den Subsidiaranklägern zu ersetzenden Kosten der Verteidigung des Angeklagten bestimmte, § 390 Abs 1 iVm § 393 Abs 4 StPO,
3. der Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien (als Beschwerdegericht) vom 29. März 2004, AZ 22 Bs 55/04 (ON 35 des Hv-Aktes), mit dem die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Unterlassung des Ausspruchs der Kostenersatzpflicht nach § 390 Abs 1 StPO im unter Punkt 1. genannten Urteil als unzulässig zurückgewiesen wurde, § 392 Abs 1 StPO.
Der unter 3. bezeichnete Beschluss wird aufgehoben und dem Oberlandesgericht Wien aufgetragen, über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft meritorisch zu entscheiden.
Zugleich wird der Beschluss der Vorsitzenden vom 12. November 2003, GZ 091 Hv 84/03v-28, in seinem das Mehrbegehren abweisenden Teil aufgehoben.
Text
Gründe:
Mit Urteil vom 23. September 2003, GZ 091 Hv 84/03v-23, sprach das Landesgericht für Strafsachen Wien als Schöffengericht Dipl.-Volksw. Hans Günther H***** von der wider ihn wegen Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB erhobenen (Subsidiar-)Anklage (§ 48 StPO) gemäß § 259 Z 3 StPO frei. Es unterließ jedoch den (für diesen Fall gemäß § 390 Abs 1 zweiter Satz StPO zwingend vorgeschriebenen) Ausspruch, dass den (beiden) Subsidiaranklägern der Ersatz aller infolge ihres Einschreitens aufgelaufenen Kosten aufgetragen wird. Dieses Versäumnis ließ der (durch einen gewählten Verteidiger vertretene) Freigesprochene unbekämpft. Der Staatsanwaltschaft gelangte dieser Fehler des Gerichtes vorerst mangels Aktenzustellung (vgl Endverfügung vom 24. September 2003, ON 25) nicht zur Kenntnis.
Über Antrag des freigesprochenen Angeklagten (ON 26) bestimmte die Vorsitzende mit Beschluss vom 12. November 2003 (ON 28) - bei gleichzeitiger Abweisung eines Mehrbegehrens - die Kosten der Verteidigung mit 1.376,77 Euro und trug den (Subsidiar-)Anklägern deren Ersatz auf.
Mit Beschluss vom 8. Jänner 2004, AZ 22 Bs 319/03 (ON 31 des Hv-Aktes), gab das Oberlandesgericht Wien der vom Angeklagten gegen die Abweisung seines Mehrbegehrens erhobenen Beschwerde nicht Folge, weil es an der unabdingbaren Voraussetzung des urteilsmäßigen Ausspruchs der Kostenersatzpflicht der Subsidiarankläger mangle und demzufolge schon der Kostenbestimmungsantrag zurückzuweisen gewesen wäre. Zugleich erteilte es dem Erstgericht den Auftrag, den Gerichtsakt der Staatsanwaltschaft Wien unter Hinweis auf die dem öffentlichen Ankläger die Kompetenz zur Kostenbeschwerde auch in Privatanklagesachen einräumende Bestimmung des § 392 Abs 1 StPO zuzuleiten; dadurch werde er in die Lage versetzt, die unterlassene Kostenentscheidung mit Beschwerde anzufechten.
Nach der - im Sinn dieses Auftrages erstmals am 15. Jänner 2004 - erfolgten Zustellung des Strafaktes an die Staatsanwaltschaft (AS 189) erhob diese wegen Unterlassung des Ausspruchs einer Kostenersatzpflicht nach § 390 Abs 1 StPO Beschwerde an das Oberlandesgericht Wien mit dem Antrag, das erstinstanzliche Urteil um diesen Ausspruch zu ergänzen (ON 33).
Mit Beschluss vom 29. März 2004, AZ 22 Bs 55/04 (ON 35), wies der Gerichtshof zweiter Instanz - indem er von seiner im Beschluss vom 8. Jänner 2004 vertretenen Rechtsansicht ausdrücklich abging - diese Beschwerde als unzulässig zurück. Zur Begründung bezog er sich nunmehr auf die das allgemeine Beschwerderecht des Staatsanwaltes in Kostenfragen (§ 392 StPO) einschränkende Sonderbestimmung des § 395 Abs 4 StPO, der zufolge im Verfahren zur Bestimmung der Vertretungskosten (§ 395 StPO) der Staatsanwalt zur Beschwerde nicht berechtigt ist. Zufolge "untrennbaren Konnexes zwischen unterbliebenem Ausspruch über die Kostenersatzpflicht und Kostenbestimmungsbeschluss" - so die weitere Argumentation - stelle sich aber die staatsanwaltschaftliche Beschwerde als im Verfahren zur Bestimmung der Vertretungskosten erhoben dar, woraus sich die mangelnde Legitimation des Staatsanwaltes ergebe. Diese Ansicht stützte das Beschwerdegericht auf eine Stelle aus dem - vermeintlich eine ähnliche Fallgestaltung (Freispruch von einer Privatanklage) betreffenden - Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 18. Dezember 2003, 15 Os 164, 165/03, wonach "die durch Anwälte vertretenen Parteien durch Unterlassung der Anfechtung des Unterbleibens des Kostenersatzausspruches im Urteil die Rechtslage (eben) in der beschriebenen Weise gestaltet" hätten.
Rechtliche Beurteilung
Wie der Generalprokurator in seiner Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, sind im Verfahren mehrfach Gesetzesverletzungen erfolgt:
Nach § 390 Abs 1 StPO ist in einem Strafverfahren, das - so wie hier - gemäß § 48 StPO auf Antrag des Privatbeteiligten stattgefunden hat und auf andere Weise als durch ein verurteilendes Erkenntnis beendet wird (ausgenommen davon allerdings ein Vorgehen nach dem Hauptstück IXa der StPO), diesem der Ersatz aller infolge seines Einschreitens aufgelaufenen Kosten in der das Verfahren für die erste Instanz erledigenden Entscheidung aufzutragen. Da dies vorliegend nicht geschehen ist, verletzen sowohl das (freisprechende) Urteil vom 23. September 2003 (ON 23) mangels grundsätzlichen Ausspruchs über die Kostenersatzpflicht der Subsidiarankläger als auch der darauf beruhende, die Subsidiarankläger zu Unrecht belastende Beschluss der Vorsitzenden vom 12. November 2003 (ON 28) über den Ersatz der (mit 1.376,77 Euro) bestimmten Verteidigerkosten § 390 Abs 1 zweiter Satz StPO (auch iVm § 393 Abs 4 StPO).
Auszugehen ist davon, dass die Kostenentscheidung in eine Entscheidung dem Grunde nach, welche in das Urteil aufzunehmen ist, und in eine solche der Höhe nach zerfällt. Der Staatsanwalt hat gemäß der nicht nach einzelnen Verfahrensarten (Offizial-, Subsidiar- und Privatanklageverfahren) differenzierenden Regelung des § 392 Abs 1 StPO grundsätzlich das Recht, die Kostenentscheidung anzufechten (SSt 48/33; vgl Lendl, WK-StPO § 392 Rz 8), weil er die Interessen des Staates in der Strafrechtspflege zu wahren hat (vgl Schroll, WK-StPO Vorbem zu §§ 29 ff Rz 13; Mayerhofer, StPO5 § 392 Rz 14). Die ausdrückliche Anführung des Staatsanwaltes in § 392 Abs 1 StPO vollzog eine Gesetzesauslegung durch die Judikatur in Privatanklagesachen nach und zielte auf Wahrung staatlicher Interessen an der Deckung der Gerichtskosten und Verminderung des Aufwandes für die Rechtspflege (BGBl Nr 504/1935; Lohsing in JBl 1936, 51).
Was die dem Grunde nach zu treffende Kostenentscheidung anlangt, wird das Beschwerderecht durch die Dispositionsbefugnis der Parteien eines Subsidiar- oder Privatanklageverfahrens nicht eingeschränkt, wie sie die Rechtsprechung für Kostenbestandteile der Z 7 und 8 des § 381 Abs 1 StPO anerkannt hat (vgl EvBl 1997/83 mwN auch zu älteren gegenteiligen Rechtsprechung; EvBl 1998/174; 12 Os 153, 154/97; 13 Os 14/99; 15 Os 164, 165/03).
Soweit das Oberlandesgericht § 395 Abs 4 StPO als Begründung für die Unzulässigkeit der Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Unterlassung des Kostenausspruches im Urteil vom 23. September 2003 herangezogen hat, verkannte es, dass sich diese Norm nur auf die (mangels Einigung der Verfahrensparteien vom Strafgericht zu bestimmende) Höhe der nach § 393 Abs 4 StPO zu ersetzenden Vertretungskosten der obsiegenden Verfahrenspartei bezieht. Die Berufung auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 18. Dezember 2003, 15 Os 164, 165/03, hinwieder übersieht, dass die Beschwerdelegitimation des Staatsanwaltes nicht Gegenstand dieser Entscheidung war.
Da das Beschwerderecht des öffentlichen Anklägers den Ausspruch der grundsätzlichen Kostenersatzpflicht (§ 390 Abs 1 zweiter Satz StPO) betrifft, sind durch dieses auch die im § 381 Abs 1 Z 7 und 8 StPO genannten Vertretungskosten und Gerichtsgebühren umfasst. Durch die Zurückweisung der Beschwerde der Staatsanwaltschaft wurde der freigesprochene Angeklagte daher benachteiligt. Um diese Nachteile zu beseitigen, war der Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 29. März 2004 aufzuheben.
Da die Feststellung der Höhe der Kosten des Angeklagten durch die Vorsitzende ohne vorangegangenen Grundsatzbeschluss über den Kostenersatz erfolgte, wäre dieser Beschluss zwar zu beheben. Der teilweise Zuspruch wirkt sich jedoch zugunsten des Angeklagten aus, sodass nur der „das Mehrbegehren" abweisende Teil des Beschlusses aufzuheben war.
Eine Kassierung der Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien vom 8. Jänner 2004, AZ 22 Bs 319/03, erübrigt sich, weil diese nur aufgrund des Fehlens einer Kostenentscheidung dem Grunde nach ergangen ist und solcherart keine Erledigung der Kostenfrage der Höhe nach darstellt. Die Zuerkennung konkreter Wirkung steht mit der bisherigen, zwar nicht einheitlichen, aber überwiegenden Rechtsprechung, welche eine konkrete Wirkung nicht zuerkannt hat (RIS-Justiz RS0100364, insbesondere SSt 58/49 und RS0096355) deswegen nicht in Widerspruch, weil bei den dort behandelten Verfahren nur der Privat- oder Subsidiarankläger, nicht aber der Staatsanwalt eingeschritten ist. Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde der Staatsanwaltschaft bleibt anzumerken:
Da das Gesetz - ausgenommen die Fälle der §§ 49 Abs 1 und 46 Abs 4 StPO - nicht vorsieht, den Staatsanwalt zur Hauptverhandlung über die Anklage eines Privatbeteiligten (§ 48 StPO) oder eines Privatanklägers (§ 46 StPO) zu laden, ist es ihm - von zufälliger Anwesenheit bei der Urteilsverkündung abgesehen - aus rechtlichen Gründen nicht möglich, die Beschwerde gegen den zugleich mit dem Urteil verkündeten Ausspruch über den Kostenpunkt (dem Grunde nach) „mit dem wider das Urteil offenstehenden Rechtsmittel" anzubringen (vgl Ratz, WK-StPO § 284 Rz 4). Demzufolge beginnt die Rechtsmittelfrist erst ab Zustellung des Urteils an den Staatsanwalt zu laufen, weshalb die vorliegende Beschwerde rechtzeitig erhoben wurde.
Über deren Berechtigung wird das Oberlandesgericht Wien nach deren zufolge Art 6 Abs 1 MRK erforderlichen Zustellung an die Subsidiarankläger zu entscheiden haben (ab 1. März 2005 siehe § 114 Abs 2 StPO). Wird nach § 390 Abs 1 zweiter Satz StPO den Subsidiaranklägern die Kostenersatzpflicht auferlegt, ist sodann über die gegen die Höhe ergriffene Beschwerde des Freigesprochenen zu entscheiden. In weiterer Folge kann das Erstgericht über die Pauschalkosten und über den allfälligen Ersatz weiterer staatlicher Auslagen (§ 381 Abs 1 Z 1 bis 6 StPO) absprechen.
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