OGH 2Ob247/04v

OGH2Ob247/04v20.12.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Maria Z*****, vertreten durch Dr. Helmut Malek, Rechtsanwalt in Krems, wider die beklagte Partei ***** Versicherung AG, *****, vertreten durch Dr. Franz Schöberl, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 34.051,40 sA und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 30. August 2004, GZ 12 R 161/04s-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Teil- und Zwischenurteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 27. Mai 2004, GZ 1 Cg 136/03g-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben und die Entscheidung des Berufungsgerichtes dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 13. 9. 2000 ereignete sich ein Verkehrsunfall bei dem die Klägerin als Beifahrerin in einem bei der beklagten Partei haftpflichtversicherten Fahrzeug verletzt wurde.

Mit der am 24. 12. 2003 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt die Klägerin die Zahlung von EUR 34.051,40 sA und die Feststellung, dass die beklagte Partei für sämtliche zukünftigen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 13. 9. 2000 bis zur Höhe der im Versicherungsvertrag vereinbarten Haftungssumme hafte. Sie brachte vor, die Lenkerin des bei der beklagten Partei versicherten Fahrzeuges habe den Unfall allein verschuldet. Die Klägerin begehrt die Zahlung von weiterem Schmerzengeld von EUR 10.000,-- (eine Zahlung von EUR 5.380,-- durch die beklagte Partei am 4. 11. 2003 wird berücksichtigt), von EUR 23.651,60 für Pflegeaufwand und von EUR 400,-- an pauschalen Unkosten. Zur Frage der Verjährung führte die Klägerin unter anderem aus, es sei eine Hemmung gemäß § 27 Abs 2 KHVG eingetreten.

Die beklagte Partei erhob unter anderem die Einrede der Verjährung und machte geltend, die Verjährungsfrist habe mit dem Unfallstag zu laufen begonnen.

Mit Teil- und Zwischenurteil sprach das Erstgericht aus, das Leistungsbegehren bestehe dem Grunde nach zu Recht; die Entscheidung über das Feststellungsbegehren blieb ebenso wie die Kostenentscheidung der Endentscheidung vorbehalten.

Dabei wurden folgende Feststellungen getroffen:

Nach dem Verkehrsunfall vom 13. 9. 2000 bat die Klägerin mit Schreiben vom 2. 7. 2002 unter Hinweis auf eine im Oktober 2001 erfolgte Schadensmeldung die beklagte Partei um ein "faires Anbot" bezüglich des Schmerzengeldes. Mit Schreiben vom 20. 1. 2003 lehnte sie einen von der beklagten Partei mit Schreiben vom 5. 9. 2002 angebotenen Betrag von EUR 2.000,-- ab. Am 11. 2. 2003 erläuterte der Vertreter der Klägerin die nach wie vor bestehende Notwendigkeit der medizinischen Behandlung. Er schlug als weitere Vorgangsweise die Untersuchung durch einen gemeinsam zu bestellenden Arzt vor. Im Anschluss daran solle ein Gutachten erstellt werden. Im Hinblick auf die verstrichene Zeit habe die beklagte Partei der Klägerin eine Akontierung auf die berechtigten Schadenersatzansprüche im Betrag von EUR 3.000,-- zu gewähren.

Die Klägerin wurde sodann am 20. 3. 2003 von einem Unfallchirurgen untersucht. Dessen Gutachten übermittelte die Beklagte dem Klagevertreter am 17. 4. 2003 und ersuchte, zwecks Endregulierung das Einvernehmen herzustellen. In der Zwischenzeit holte die Klägerin ein orthopädisches Privatgutachten ein, das mit 3. 9. 2003 datiert ist. Am 27. 10. 2003 übermittelte der Klagevertreter dieses Gutachten an die beklagte Partei. Er teilte mit, die Klägerin sei mit dem unfallchirurgischen Gutachten nicht einverstanden. Auf dieses Schreiben reagierte die beklagte Partei am 31. 10. 2003 mit dem Hinweis auf die eingetretene Verjährung. Ausgenommen sei lediglich der ziffernmäßig geltend gemachte Betrag von EUR 3.000,- -. Für den Vergleichsfall sei sie aber bereit, der Klägerin ein Schmerzengeld von EUR 5.380,-- zu zahlen. Tatsächlich überwies die Beklagte EUR 6.000,- -.

Mit Schreiben vom 10. 11. 2003 bestritt der Klagevertreter den Eintritt der Verjährung und ersuchte um außergerichtliche Vergleichsvorschläge, was die Beklagte aber mit Schreiben vom 2. 12. 2003 ablehnte.

Das Erstgericht sprach mit Teil- und Zwischenurteil aus, das Leistungsbegehren bestehe dem Grunde nach zu Recht; die Entscheidung über das Feststellungsbegehren blieb ebenso wie die Kostenentscheidung der Endentscheidung vorbehalten.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, der Fortlauf der Verjährung sei gemäß § 27 Abs 2 KHVG in der Zeit vom 11. 2. 2003 bis 31. 10. 2003 gehemmt gewesen. Daraus errechne sich eine Hemmungszeit von 8 ½ Monaten, um diesen Zeitraum verlängere sich die ansonsten am 13. 9. 2000 frühestens begonnene 3-jährige Verjährungsfrist, weshalb die am 24. 12. 2003 eingelangte Klage noch rechtzeitig eingebracht worden sei. Zweck der Bestimmung des § 27 KHVG sei es, zu verhindern, dass der Schuldner den Gläubiger so lange hinhalte, bis die Verjährung eingetreten sei. Es sei für die beklagte Partei zweifelsfrei ersichtlich gewesen, dass die Klägerin konkrete Schadenersatzansprüche stelle.

Das von der beklagten Partei gegen den klagsstattgebenden Teil der Entscheidung des Erstgerichtes angerufene Berufungsgericht änderte die angefochtene Entscheidung dahin ab, dass das Klagebegehren auf Zahlung von EUR 34.051,40 abgewiesen wurde; es sprach aus, die ordentliche Revision sei nicht zulässig.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, die 3-jährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB habe mit dem Unfallstag zu laufen begonnen. Es sei zu prüfen, ob der Ablauf der Verjährungsfrist gehemmt worden sei. Eine Hemmung könne entweder durch außergerichtliche Vergleichsgespräche oder auf Grund der Regelung des § 27 Abs 2 KHVG eingetreten sein. Nach dieser Bestimmung sei die Verjährung bis zur Zustellung einer schriftlichen Erklärung des Versicherers, dass er den Schadenersatzanspruch ablehne, gehemmt, wenn der Schadenersatzanspruch des geschädigten Dritten dem Versicherer gemeldet worden sei. Weitere Anmeldungen desselben Schadenersatzanspruches hemmten die Verjährung aber nicht. Dabei handle es sich um eine Fortlaufshemmung. Nach Fortfall des Hemmungsgrundes habe der bei Eintritt des Hemmungsgrundes noch nicht abgelaufene Teil der Verjährungsfrist abzulaufen, um die Verjährung herbeizuführen.

Für die Hemmung der Verjährung müsse der Schadenersatzanspruch ziffernmäßig geltend gemacht werden, andernfalls handle es sich nur um die Anzeige eines "Schadensereignisses". Eine ziffernmäßige Geltendmachung sei mit einem Betrag von EUR 3.000,-- erstmals am 11. 2. 2003 erfolgt. Eine erstmalige Stellungnahme der beklagten Partei zu diesem Betrag sei im Schreiben vom 31. 10. 2003 zu erblicken; in diesem habe sich die beklagte Partei zur Zahlung von EUR 5.380,-- bereit erklärt und die später auch tatsächlich durchgeführte Überweisung von EUR 6.000,-- angekündigt. Hierin liege jedoch keine "Ablehnung", wie sie § 27 Abs 2 KHVG für den Eintritt der Fortlaufshemmung fordere, sodass eine Hemmung der Verjährung im Sinne des § 27 Abs 2 KHVG ausscheide. Die spätere Geltendmachung von weiteren EUR 10.000,-- mit Schreiben vom 27. 10. 2003 vermöge den Fortlauf der Verjährung wegen der Regelung des § 27 Abs 2 zweiter Satz KHVG nicht zu hemmen. Eine Fortlaufshemmung im Sinne dieser Bestimmung sei daher nicht eingetreten.

Eine Ablaufshemmung der Verjährung durch Vergleichsverhandlungen verneinte das Berufungsgericht ebenfalls.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel der klagenden Partei nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht - wie im Folgenden noch darzulegen sein wird - von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist, sie ist auch berechtigt.

Die Klägerin macht in ihrem Rechtsmittel geltend, die von ihr geltend gemachte Forderung sei im Hinblick auf die Bestimmung des § 27 Abs 2 KHVG nicht verjährt.

Hiezu wurde erwogen:

Auszugehen ist davon, dass die dreijährige Verjährungsfrist im vorliegenden Fall mit dem Unfallstag zu laufen begonnen hat (s M. Bydlinski in Rummel3, ABGB, § 1489 Rz 3 mwN). Da sich der Unfall am 13. 9. 2000 ereignete, wurde die Klage erst nach Ablauf der Verjährungsfrist (am 24. 12. 2003) eingebracht. Allerdings sind die Ansprüche geschädigter Dritter gegenüber Versicherern aus der KFZ-Haftpflichtversicherung, soweit es die Verjährung dieser Ansprüche betrifft, gemäß § 27 Abs 2 KHVG 1994 privilegiert. Bei der Hemmungsbestimmung des § 27 Abs 2 KHVG, die der Bestimmung des § 12 Abs 2 VersVG nachgebildet ist, handelt es sich um die Regelung einer Fortlaufshemmung in der Weise, dass nach dem Fortfall des Hemmungsgrundes die bei Eintritt des Hemmungsgrundes (der Anspruchsanmeldung) noch nicht abgelaufenen Teile der Verjährungszeit abzulaufen haben, um die Verjährung herbeizuführen (ZVR 1997/98; RIS-Justiz RS0065855).

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes führt aber das Unterbleiben der Ablehnung durch die Versicherung nicht dazu, dass eine Hemmung der Verjährung im Sinne des § 27 Abs 2 KHVG ausscheidet. Vielmehr ist bei Unterbleiben der Ablehnung bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen davon auszugehen, dass die Verjährung der geltend gemachten Ansprüche noch nicht eingetreten ist (ZVR 1997/98). Die vom Berufungsgericht zitierte gegenteilige Entscheidung 7 Ob 32/85 (= ZVR 1986/111) wurde in der Entscheidung 2 Ob 32/95 (= ZVR 1997/98) bereits abgelehnt (allerdings ist die abgelehnte Entscheidung ZVR 1986/111 in ZVR 1987/98 - anders als in der Urschrift der Entscheidung - unrichtig als "ZVR 1986/11" bezeichnet).

Die bisherige Rechtsprechung ist aber davon ausgegangen, dass von einem "Schadenersatzanspruch" im Sinne des § 27 Abs 2 KHVG 1994 nur dann gesprochen werden kann, wenn der Geschädigte seine vermeintliche Forderung ziffernmäßig bestimmt hat; andernfalls handelt es sich nur um eine Anzeige des "Schadensereignisses" (RIS-Justiz RS0065899). Von dieser Rechtsprechung ist der Oberste Gerichtshof aber nunmehr in der Entscheidung 2 Ob 223/04i abgegangen und hat dargelegt, dass § 27 Abs 2 KHVG so auszulegen ist, wie § 12 Abs 2 VersVG; demnach ist unter einer Anmeldung im Sinne des § 27 Abs 2 KHVG und des § 12 VersVG auch die Schadensmeldung zu verstehen (RIS-Justiz RS0080149).

Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass die Fortlaufshemmung auf Grund der Schadensmeldung der Klägerin bereits im Oktober 2000 eingetreten ist. Da jedenfalls im Jahre 2000 keine Ablehnung durch die beklagte Partei erfolgte und auch die 10-jährige Frist des § 27 Abs 2 zweiter Satz KHVG gewahrt ist, ist die Einrede der Verjährung unberechtigt.

Es war daher das klagsstattgebende Teil- und Zwischenurteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Stichworte