OGH 11Os128/04

OGH11Os128/047.12.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Dezember 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Klenk als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Sali S***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 5. August 2004, GZ 032 Hv 79/04a-81, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Sali S***** der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB (in der Fassung vor BGBl I 15/2004) und der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 2 StGB (in der Fassung vor BGBl I 15/2004) sowie des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (in der Fassung vor BGBl I 15/2004) schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien

A) außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB aF Nachgenannte zur Duldung

des Beischlafes genötigt (1) bzw zu nötigen versucht (2), und zwar

1) am 10. Februar 2004 Sevgi K***** mit Gewalt und durch Entziehung der persönlichen Freiheit, indem er die Türe zum Speisesaal versperrte, sie am Arm festhielt, sodann hochhob, auf eine Bank warf und sie niederdrückte, zur Duldung des Beischlafes genötigt;

2) am 11. Februar 2004 Sebahat E***** mit Gewalt, indem er sie mit beiden Armen umfasste, sie in den Speisesaal schob, dort gegen eine Bank drückte und sie festhielt, zur Duldung des Beischlafes zu nötigen versucht;

B) Ende Jänner 2004/Anfang Februar 2004 außer den Fällen des § 201

StGB Sevgi K***** mit Gewalt, indem er sie an den Oberarmen festhielt, sie gegen eine Mauer stieß, ihr den BH öffnete und ihre Brüste leckte, wobei er masturbierte, zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, 9 lit a, 11 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt.

Die wegen der Abweisung (S 513/I) des Antrages auf Ausforschung und zeugenschaftliche Vernehmung einer "Frau H*****" (S 509/I) erhobene Verfahrensrüge (Z 4) versagt. Denn die Tatrichter gingen ohnedies - kongruent mit dem in der Hauptverhandlung genannten Beweisthema - davon aus, dass der Angeklagte und Sevgi K***** laufend im Zeitraum Herbst 2003 bis Februar 2004 (als Mitarbeiter eines Kantinenbetriebes) gemeinsam "in den Keller gingen" (um in der dortigen Toilette Zigaretten zu rauchen - US 11), was die Frau im Übrigen unumwunden bestätigt hatte (S 497/I). Die - im Hinblick auf den zum Faktum B mit "Ende Jänner/Anfang Februar 2004" festgestellten, jedenfalls vor dem des Faktums A1 liegenden Tatzeitpunkt (US 5) ohnedies schon rein zeitlich bloß hypothetischen - Mutmaßungen über die Fortsetzung der in Rede stehenden Kontakte selbst nach der geschlechtlichen Nötigung ausschließlich in der Rechtsmittelschrift widerstreiten dem Neuerungsverbot im Nichtigkeitsverfahren.

Dem Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5) zuwider musste sich das Erstgericht weder mit der Aussage der Zeugen Yilmaz C***** sowie Gottfried Ei***** und Martin R***** noch mit - vom Beschwerdeführer auch in seiner Tatsachenrüge isoliert herausgegriffenen - Details der Aussage der Zeugin Sevgi K***** (über die allgemeinen Ausführungen zu den "übrigen Zeugen" - US 12 - hinaus) explizit auseinandersetzen. Die drei Männer vermochten nämlich bloß über ihre Wahrnehmungen anlässlich der Aufdeckung der wider den Angeklagten erhobenen Anschuldigungen zu berichten, der Erstgenannte als für K***** fungierender Dolmetscher (ON 19), die beiden anderen als erhebende Polizeibeamte (ON 43, 44). Die weitwendig relevierten Passagen (S 499 ff/I) in der von den Erstrichtern ausführlich gewürdigten (US 8 bis 10) Aussage der Zeugin K***** beziehen sich wiederum rein auf die Umstände ihrer Bekanntgabe des Tatgeschehens (gegenüber einem Vorgesetzten) und Wahrnehmungen vor dem zu A 2 inkriminierten Tatgeschehen. Die Beschwerde gleitet in ihren Ausführungen dazu, wie die Argumentation mit Widersprüchen zur Lebenserfahrung und mit mangelnder Nachvollziehbarkeit des mit der im Ersturteil konstatierten psychischen Ausnahmesituation im angeblichen Widerspruch stehenden ruhigen Auftretens des Opfers gegenüber den intervenierenden Polizisten zeigt, auf ihr in diesem Zusammenhang verwehrte abstrakt beweiswürdigende Erwägungen zu einer dem Rechtsmittelwerber nachteiligen "Verschwörung" ab. Sie unterlässt es jedoch, konkret bei Feststellung entscheidender Tatsachen übergangene und gegen diese sprechende Verfahrensergebnisse mit der Eignung einer maßgebenden Veränderung der Beweislage, also eine Nichtigkeit in der Bedeutung des relevierten Grundes, aufzuzeigen (Mayerhofer StPO5 § 281 Z 5 E 66a). Die Glaubwürdigkeit von Zeugen als solche ist der Anfechtung aus Z 5 zweiter Fall entzogen. Ruhiges Verhalten eines Opfers bei polizeilicher Sachverhaltsermittlung stellt dessen Aufrichtigkeit nicht ernsthaft in Frage (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 431 f). Dies gilt gleichermaßen für einen gemeinsam mit dem Angeklagten und einer weiteren Frau zurückgelegten Weg der Sevgi K***** zur U-Bahn auch nach dem zu B geschilderten Vorfall (S 493/I). Erörterungsbedürftigkeit bestand somit in keinem Fall. Das Vorbringen zur Tatsachenrüge (Z 5a) vermag aus den Akten keine Umstände aufzuzeigen, aus denen sich ein Ermessensgebrauch der den Tatrichtern zugewiesenen freien Beweiswürdigung im Sinne einer für einen objektiven Beobachter vernünftigerweise nicht zu teilenden Lösung der Schuldfrage ergäbe (11 Os 161/03, 12 Os 63/04 ua). Vielmehr bewegt sich der Beschwerdeführer auf einer im kollegialgerichtlichen Rechtsmittelverfahren unzulässigen Argumentationsebene, indem er sich diesseits der Schwelle erheblicher Bedenklichkeit mit der Überzeugungskraft einzelner Beweisergebnisse (etwa in der Aussage des Zeugen M*****, an den sich K***** mit ihrer Anschuldigung als ersten wandte und der gleich darauf Zeuge der Bedrängung von Sebahat E***** wurde) nach Art einer Berufung wegen Schuld auseinandersetzt und darin einen Widerspruch zur Lebenserfahrung in den Begleitmomenten der Taten ortet. Auch die in der Erledigung der Mängelrüge erörterten Details in den Aussagen der Zeugin K***** (S 493, 499 ff/I) sind nicht geeignet, beim Obersten Gerichtshof Bedenken erheblicher Art gegen die Richtigkeit der zum Schuldspruch führenden Feststellungen zu erwecken.

In der Rechtsrüge (Z 9 lit a) moniert der Nichtigkeitswerber fehlende Feststellung des bei den Fakten A 1 und A 2 auf Überwindung eines ernstgemeinten Widerstandes, bei A 1 überdies auf das Nötigungsmittel der Freiheitsentziehung sowie bei B auf die Ernstlichkeit des widerstrebenden Willens des Opfers gerichteten Vorsatzes. Er übergeht dabei die Gesamtheit der erstrichterlichen Konstatierungen und verfehlt so den bei Geltendmachung materiell-rechtlicher Nichtigkeit allein zulässigen Vergleich des Urteilssachverhaltes mit dem angewendeten Gesetz. Denn es ist den Feststellungen nicht bloß zu entnehmen, dass sich der (Eventual-)Vorsatz des Angeklagten darauf erstreckte, die Opfer mit Gewalt (bei A 1 auch durch Entziehen der persönlichen Freiheit) gegen ihren Willen tatbestandsspezifisch zu nötigen, sondern überdies - im notwendigen Zusammenhang gelesen - all das in der Beschwerde Vermisste: Angesichts der gezielt eingesetzten kräftemäßigen Überlegenheit, des Unterbindens von Fluchtmöglichkeiten (Blockieren des Aufzuges bei den im Dunkeln ausgeführten Angriffen A 1 und B, Versperren des Tatortes bei A 1), des Ausnützens räumlicher Beengtheit und des Vorteiles eines plötzlichen Angriffes (US 5 bis 8, 10) umfassen die tatrichterlichen Konstatierungen zur subjektiven Tatseite zufolge ihres unübersehbaren semantischen Bezuges (etwa "dabei" US 5, 6) auch die von der Verteidigung als fehlend monierten Details.

Die Strafzumessungsrüge (Z 11 zweiter Fall) schließlich sieht zu Unrecht im Erschwerungsgrund der Tatbegehung beim Faktum A 1 durch zwei Tatmittel (US 14) einen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot, liegt doch der Erklärungsinhalt klar im Hervorheben der Mehrzahl der rechtlich gleichwertigen, daher jeweils allein zur Tatbestandsverwirklichung geeigneten Begehungsvarianten des § 201 Abs 2 StGB idF vor BGBl I 15/2004 (Schick in WK2 § 201 Rz 22). Dass dies als schulderhöhend gewertet wurde, begründet keine Nichtigkeit.

Teils wegen Nichtbeachtung des gesetzlichen Anfechtungsrahmens, teils als offenbar unbegründet war die Nichtigkeitsbeschwerde bereits nach nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§§ 285a Z 2, 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Wien zur Erledigung der unter einem erhobenen Berufung folgt (§ 285i StPO). Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.

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