OGH 12Os63/04

OGH12Os63/045.8.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. August 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber, Dr. Philipp, Hon. Prof. Dr. Schroll und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Finster als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Robert W***** wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall SMG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 4. März 2004, GZ 12 Hv 256/03w-91, und die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 4, Abs 4 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Robert W***** der teils in der Entwicklungsstufe des Versuches nach § 15 StGB verbliebenen Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall SMG (A I), der Vergehen nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (A II), des Vergehens des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1, Abs 2 StGB (B) und des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (C) schuldig erkannt.

Danach hat er - soweit von der Anfechtung umfasst - A. in Graz, Wien und Feldkirchen den bestehenden Vorschriften zuwider

Suchtgift

I. in einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG) gewerbsmäßig in Verkehr gesetzt, teils in Verkehr zu setzen versucht, indem er

1. im Zeitraum April bis Herbst 2001 insgesamt 5 Gramm Kokain an Kurt L*****,

2. im Zeitraum Oktober bis November 2001 insgesamt 10 Gramm Kokain an Karl W***** und

3. im Zeitraum November 2001 bis Juli 2002 insgesamt ca 200 Gramm Kokain in zahlreichen Angriffen an bislang unbekannte Personen gewinnbringend verkaufte;

...

B. am 19. Juli 2002 in Graz ein Fahrzeug, das zum Antrieb mit Maschinenkraft eingerichtet ist, nämlich das Motorfahrrad des Dominik S***** der Marke "Puch Maxi LG", Kennzeichen *****, ohne Einwilligung des Berechtigten in Gebrauch genommen, wobei er sich die Gewalt über das Fahrzeug durch Aufschneiden eines Fahrradschlosses, mithin eine der im § 129 StGB geschilderten Handlung verschaffte;

C. am 22. Juli 2002 in Graz den Angestellten der V***** Graz-Bruck Filiale *****, Daniela P*****, Daniela S***** und Bernhard S***** dadurch, dass er eine Pistolenattrappe gegen sie richtete und sie aufforderte, ihm das gesamte Bargeld auszuhändigen, mithin durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB), eine fremde bewegliche Sache, nämlich Bargeld in der Höhe von 59.599 EUR mit dem Vorsatz abgenötigt, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Schuldsprüche A I, B und C aus § 281 Abs 1 Z 5a und 9 lit a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt. Im Vorbringen zur Tatsachenrüge (Z 5a) lässt der Rechtsmittelwerber außer Acht, dass dieser formelle Nichtigkeitsgrund seinem Wesen nach erst dort greift, wo die Ermessensgrenze der grundsätzlich den vier Tatrichtern zugewiesenen freien Beweiswürdigung überschritten wird, dh sobald ein objektiver Beobachter aufgrund aktenkundiger Beweisergebnisse die Lösung der Schuldfrage vernünftigerweise zu teilen nicht imstande wäre (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 470; jüngst 11 Os 161/03). Eine vollständige Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen - wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt - wird dadurch nicht eröffnet (Fabrizy StPO9 § 281 Rz 48, 49).

Gerade auf dieser im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Argumentationsebene bewegt sich der Beschwerdeführer indes, wenn er hinsichtlich seiner Überführung wegen Verbrechen nach dem Suchtmittelgesetz (A I) die Stringenz der (vom Erstgericht ausführlich gewürdigten - US 14-17) Aussagen zweier Zeugen bestreitet, die Namen weiterer Suchtgiftabnehmer vermisst und seiner das "Strecken" des Kokains als erstinstanzlich ua angenommene Grundlage für das umfangreiche Inverkehrsetzen des Suchtgiftes leugnenden Einlassung in erster Instanz (S 429 f/III) zum Durchbruch verhelfen will. Soweit das Erstgericht im Kontext mit der festgestellten Tendenz des Beschwerdeführers zu mehrfach wechselnder sowie stockender und verhaltener Verantwortung ferner erwähnt, dass die Weitergabe von Kokain an einen bestimmten Abnehmer erst nach Unterbrechung einer sicherheitsbehördlichen Vernehmung im Zuge des bereits länger anhängigen Verfahrens zum Zweck der Kontaktaufnahme mit seinem Verteidiger eingeräumt wurde, legt es - zutreffend - bloß die Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten dar, ohne - so der Beschwerdestandpunkt - "die Ausübung von Beschuldigtenrechten" negativ zu bewerten (US 20).

Ebenso verfehlt der Nichtigkeitswerber den Begriff der Aktenwidrigkeit (Z 5 letzter Fall), weil im Ersturteil die Angaben des Zeugen G***** keineswegs unrichtig oder unvollständig wiedergegeben werden (US 14 f, 20 iVm S 21/I).

Zu den Schuldsprüchen B und C beschränkt sich die Beschwerde auf eine eigenständige Interpretation aus dem Kontext gelöster Beweisergebnisse (zu der am Moped vorgefundenen DNA-Spur, den unzulänglichen Täterbeschreibungen durch die Bankangestellten, dem beim Überfall getragenen Helm, dem [widerlegten - US 25 f] "Alibi" des Angeklagten und der Ergebnislosigkeit von Erhebungen auf dessen Konten sowie dessen mehrfach gewechselter Verantwortung). Bedenken - geschweige denn erhebliche - gegen die dem Rechtsmittelvorwurf zuwider nicht nur quantitativ, sondern ebenso qualitativ überzeugende Begründung der Schuldsprüche auch in diesen Punkten werden dadurch nicht hervorgerufen.

Soweit der Beschwerdeführer in seiner Rechtsrüge (Z 9 lit a) den Konstatierungen der inneren Tatseite zur großen Menge tatverfangenen Suchtgiftes (US 8) die (bloße) Wiedergabe der verba legalia (zum dolus eventualis) vorwirft, unterlässt er den für die prozessordnungsgemäße Darstellung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes notwendigen Hinweis, welche nach dem Gesetz (§ 28 Abs 6 SMG) erforderliche oder nach der Aktenlage indizierte Konstatierung nach seiner Ansicht vom Schöffengericht über die Urteilsfeststellungen hinaus für eine die Annahme der großen Menge tragende Sachverhaltsgrundlage erforderlich gewesen wäre. Den Überlegungen zu bewusster Fahrlässigkeit fehlt ebenso die Abstützung auf das Urteilssubstrat wie dem Vorwurf mangelnder Begründung des (angeblich) im April 2001 gefassten Entschlusses, gewerbsmäßig jeweils große Mengen Kokains durch Taten ab November 2001 in Verkehr zu setzen, gingen die Tatrichter doch unmissverständlich von einer diesbezüglich ab April 2001 subjektiv und objektiv bestehenden Handlungseinheit aus (neuerlich US 8, auch 20 f).

Die zur Gänze nicht am gesetzlich vorgegebenen Anfechtungsrahmen ausgerichtete Nichtigkeitsbeschwerde war bereits bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 StPO iVm § 285a Z 2 StPO), woraus die Zuständigkeit des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Erledigung von Berufung und Beschwerde des Angeklagten sowie der Berufung der Staatsanwaltschaft folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung fußt auf § 390a Abs 1 StPO.

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