OGH 6Ob281/04y

OGH6Ob281/04y25.11.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Linz zu FN ***** eingetragenen D***** Gesellschaft m.b.H. mit dem Sitz in L*****, über den Revisionsrekurs der Geschäftsführerin Hannelore D*****, vertreten durch Dr. Johannes Hintermayr und andere Rechtsanwälte in Linz, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 27. September 2004, GZ 6 R 165/04h-22, mit dem der Rekurs der Geschäftsführerin Hannelore D***** gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz vom 9. August 2004, GZ 13 Fr 1818/03v-18, teilweise zurückgewiesen wurde und mit dem ihrem Rekurs teilweise nicht Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der (hilfsweise) an den Obersten Gerichtshof gestellte Antrag auf Verfahrensunterbrechung wird abgewiesen.

Text

Begründung

Da die Geschäftsführerin Hannelore D***** und der ehemalige Geschäftsführer Manfred D***** der Aufforderung des Erstgerichts zur Offenlegung des Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr 2001/2002 trotz bereits verhängter Zwangsstrafen nicht nachgekommen waren, verhängte das Erstgericht mit Beschluss vom 21. 6. 2004 über Hannelore D***** die bereits mit Beschluss vom 16. 7. 2003 angedrohte Zwangsstrafe von 3.600 EUR und forderte sie abermals zur Veröffentlichung auf.

Mit Beschluss vom 9. 8. 2004 gab das Erstgericht der dagegen erhobenen Vorstellung der Geschäftsführerin nicht Folge (Punkt 1.), wies ihren Antrag auf "Unterbrechung/Aussetzung" des Zwangsstrafenverfahrens bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften - EuGH - in den von den Landgerichten Essen (C-435/02 ) und Hagen (C-103/03 ) ab (Punkt 2.) und sprach aus, dass die Anregung auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens nicht aufgegriffen werde (Punkt 3.).

Das Rekursgericht wies den Rekurs der Geschäftsführerin, teilweise zurück und gab ihm im Übrigen nicht Folge. Den hilfsweise an das Rekursgericht gestellten Antrag auf Verfahrensunterbrechung wies es ab. Das Rekursgericht sprach aus, dass - "soweit ein Revisionsrekurs nicht absolut unzulässig ist" - der ordentlicher Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Der Revisionsrekurs der Geschäftsführerin ist teils jedenfalls, teils mangels erheblicher Rechtsfrage unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Zum Unterbrechungsantrag:

Ein Beschluss, mit dem im Firmenbuchverfahren ein Unterbrechungsantrag abgewiesen oder zurückgewiesen wird, ist gemäß § 19 Abs 3 FBG unanfechtbar, wie dies gemäß § 192 Abs 1 ZPO grundsätzlich auch im Zivilprozess gilt (RIS-Justiz RS0106006), es sei denn, es wird eine im Gesetz zwingend vorgeschriebene Unterbrechung verweigert (6 Ob 306/00v). Dies ist hier aber nicht der Fall. Soweit im Revisionsrekurs die Unterbrechungspflicht abermals mit der Anhängigkeit der Vorabentscheidungsersuchen der Landgerichte Essen und Hagen beim EuGH begründet wird, ist die Rechtsmittelwerberin darauf hinzuweisen, dass der EuGH über diese Vorabentscheidungsersuchen in den verbundenen Rechtssachen C-435/02 und C-103/03 mit Beschluss vom 23. September 2004 eine Entscheidung gefällt hat, aus der hervorgeht, dass er die in den §§ 277 ff HGB umgesetzten gesellschaftsrechtlichen Richtlinien als gemeinschaftsrechtskonform ansieht. Dieser behauptete Unterbrechungsgrund ist mit der Entscheidung des EuGH jedenfalls weggefallen. Aber auch das beim Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften aufgrund einer Klage des ehemaligen Geschäftsführers Manfred D***** und der Rechtsmittelwerberin nach Art 288 Abs 2 EG anhängige Verfahren, in dem ebenfalls die Nichtigkeit der gesellschaftsrechtlichen Richtlinien geltend gemacht wird und das wegen der - nun erledigten - Vorabentscheidungsersuchen unterbrochen wurde, begründet keine gesetzliche Verpflichtung zur Unterbrechung des Offenlegungsverfahrens. Auf eine solche Klage ist § 90a GOG schon deshalb nicht anwendbar, weil sie nicht zu einer Vorabentscheidung des EuGH über die Auslegung des Gemeinschaftsrechts führt. Selbst die analoge Heranziehung des § 190 Abs 1 ZPO würde kein Recht einer Partei auf Verfahrensunterbrechung begründen, dessen Missachtung angefochten werden könnte (6 Ob 209/02g ua).

2. Zum Zwangsstrafenbeschluss:

Die Rechtsmittelwerberin behauptet in ihren Revisionsrekurs, sie sei vor Verhängung der Zwangsstrafe im angefochtenen Beschluss des Erstgerichts als Geschäftsführerin der Gesellschaft, deren Jahresabschluss veröffentlicht werden solle, ausgeschieden; ihr Ausscheiden sei am 3. 4. 2004 im Firmenbuch eingetragen worden. Sie sei daher nicht mehr in der Lage, der durch die Strafverhängung zu erzwingenden Handlung nachzukommen.

Der Oberste Gerichtshof hat zwar bereits Zwangsstrafenbeschlüsse gegen Personen, die im Zeitpunkt der Beschlussfassung des Erstgerichts nicht mehr zu dem gemäß § 277 Abs 1 erster Satz HGB offenlegungspflichtigen und gemäß § 283 HGB mit Zwangsstrafen zur Offenlegung zu zwingenden Personenkreis zählten, im Instanzenzug als rechtswidrig aufgehoben (6 Ob 205/03w ua). Im vorliegenden Fall ist jedoch die diesbezügliche Behauptung im Revisionsrekurs durch das offene Firmenbuch widerlegt: Am 3. 4. 2004 wurde auf Grund des am 9. 3. 2004 eingelangten Änderungsantrags die Funktion des Manfred D***** als Geschäftsführer gelöscht und statt dessen Marco D***** als neuer, seit 8. 3. 2004 selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer eingetragen. Die Funktion der Hannelore D***** als Geschäftsführerin, die seit 17. 3. 1998 selbständig vertritt, ist nach wie vor aufrecht.

Im Übrigen bekämpft die Geschäftsführerin die Zwangsstrafenverhängung mit Argumenten, die der Oberste Gerichtshof bereits in - auch ihr bekannten - Vorentscheidungen behandelt und abgelehnt hat (vgl 6 Ob 269/03g; 6 Ob 142/04g mwN). Für ein Abgehen von dieser Rechtsprechung besteht um so weniger nach Vorliegen der Entscheidung des EuGH in den zitierten Vorabentscheidungsverfahren Anlass. Darin hat der EuGH unmissverständlich klargestellt, dass die Offenlegungspflichten der gesellschaftsrechtlichen Richtlinien wirksam auf der Grundlage des Art 54 Abs 3 lit g des Vertrags (nach Änderung jetzt Art 44 Abs 2 lit g EG) erlassen werden konnten, ihnen also der Grundsatz der Niederlassungsfreiheit nicht entgegensteht und die Grundsätze der freien Berufsausübung und der Freiheit der Meinungsäußerung nicht beeinträchtigt werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS-Justiz RS0113282; RS0113089) ließen die die Umsetzung der gesellschaftsrechtlichen Richtlinien einfordernden Entscheidungen des EuGH (insbesondere vom 4. 12. 1997, Slg 1997 I-6843-Daihatsu) schon bisher keinen Zweifel darüber offen, dass die Offenlegung mit den von der Rechtsmittelwerberin relevierten Grundrechten nach der EMRK und den Grundwerten der Europäischen Gemeinschaft in Einklang steht. Diese Ansicht wird einerseits durch die (neue) Richtlinie 2003/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. 7. 2003 zur Änderung der Richtlinie 68/151/EWG des Rates in Bezug auf die Offenlegungspflichten von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen (1.Richtlinie-Publizitätsrichtlinie), ABl L 221 vom 4. 9. 2003 S 13, mit welcher der Gesetzgeber der Gemeinschaft an der obligatorischen Offenlegung von Kapitalgesellschaften festhielt, und andererseits durch die Entscheidung des EuGH über die Vorabenscheidungsersuchen der Landgerichte Essen und Hagen bestätigt. Weder dem genannten Gesetzgeber noch dem EuGH kann unterstellt werden, sie hätten verkannt, dass es sich bei den offen zu legenden Bilanzangaben um grundrechtlich geschützte Geschäftsgeheimnisse handle.

Der Hinweis der Rechtsmittelwerberin auf die Europäische Charta der Grundrechte der Europäischen Union geht, wie auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 12. 12. 2003, GZ A2/01 ua (auf Abweisung von Staatshaftungsklagen) zutreffend bemerkt hat, allein deshalb fehl, weil diese Charta (noch) nicht für die Mitgliedstaaten der EU verbindlich ist. Der von der Rechtsmittelwerberin behauptete umfassende Datenschutz des Gemeinschaftsrechts ergibt sich, wie der Verfassungsgerichtshof ebenfalls (in dem eben zitierten Erkenntnis) klargestellt hat, vielmehr aus sekundärrechtlichen Vorschriften, insbesondere der Datenschutz-Richtlinie. Diese Vorschriften stehen auf einer Stufe mit den gesellschaftsrechtlichen Richtlinien und können schon deshalb kein Maßstab dafür sein, ob andere Richtlinien mit dem Primärrecht vereinbar sind (6 Ob 142/04g; 6 Ob 153/04z uva).

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist insoweit mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinn des § 14 Abs 1 AußStrG unzulässig. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 16 Abs 4 AußStrG und § 15 Abs 1 FBG).

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