OGH 6Ob189/04v

OGH6Ob189/04v25.11.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bülent Ö*****, vertreten durch Mag. Franz Galla Tramposch & Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Gültekin K*****, und 2. Bülent K*****, beide vertreten durch Dr. Carl Benkhofer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 19. Mai 2004, GZ 40 R 117/04h-20, womit über die Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 19. Jänner 2004, GZ 43 C 196/03y-9, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil des Berufungsgerichts wird aufgehoben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung der beklagten Parteien aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger war Mieter einer Veranstaltungshalle und verschiedener Räumlichkeiten samt einem Lager. Das Objekt sollte insbesondere für die Veranstaltung von Hochzeiten genützt werden. Der Kläger suchte Unterbestandnehmer und traf mit den Beklagten im September 2002 eine Vereinbarung über die Nutzung des Objekts. Der Kläger stützte seine am 31. 1. 2003 beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien zu 43 C 47/03m eingebrachte Räumungsklage auf den nachteiligen Gebrauch des Bestandobjektes durch die Beklagten und auf Mietzinsrückstand.

Mit der hier zur beurteilenden Klage vom 3. 4. 2003 begehrt der Kläger die Räumung des Bestandobjekts wegen titelloser Benützung durch die Beklagten im Wesentlichen mit der Begründung, dass der befristete Unterbestandvertrag am 28. 2. 2003 durch Zeitablauf beendet worden sei. Die Beklagten hätten von der ihnen eingeräumten Verlängerungsoption keinen Gebrauch gemacht.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Es liege Streitanhängigkeit vor. Der Kläger habe den Beklagten zugesagt, die angemieteten Räume bis zum Abbruch des Hauses zum Zwecke der Durchführung von Veranstaltungen benützen zu können. Die Beklagten hätten umfangreiche Investitionen durchgeführt und eine Kaution erlegt.

Das Erstgericht gab dem Räumungsbegehren statt. Von seinen umfangreichen Feststellungen ist nur hervorzuheben, dass die Parteien eine auf drei Monate befristete Gebrauchsüberlassung vereinbart hätten. Eine Zusage des Klägers an die Beklagten, das Objekt bis zum Abriss des Hauses durch den Liegenschaftseigentümer benützen zu können, sei nicht erfolgt. Die vereinbarte Verlängerungsoption hätte zur Voraussetzung gehabt, dass die Beklagten ihre Verpflichtungen, insbesondere zur Bezahlung der vereinbarten Miete, erfüllten. Dies sei nicht geschehen. In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt dahin, dass eine auf drei Monate befristete Nutzungsvereinbarung getroffen worden sei, die nicht verlängert worden sei. Aus dem Umstand, dass der Kläger bereits ein Nutzungsentgelt eingeklagt habe, gehe hervor, dass er von der Verlängerungsoption keinen Gebrauch gemacht habe.

Das Berufungsgericht verwarf die Berufung der Beklagten wegen Nichtigkeit des Verfahrens aus dem Grund der Streitanhängigkeit, gab der Berufung im Übrigen aber Folge und wies das Klagebegehren aus rechtlichen Erwägungen ab. Es bedürfe keines Eingehens auf die (umfangreiche) Beweisrüge und die Mängelrüge der Beklagten. Schon nach dem Klagevorbringen könne das Unterbestandverhältnis aufgrund der Bestimmung des § 569 ZPO nicht durch Zeitablauf beendet worden sein. Nach dieser Gesetzesstelle käme es nämlich zu einer stillschweigenden Verlängerung, wenn weder binnen 14 Tagen nach Ablauf der Bestandzeit vom Bestandgeber eine Klage auf Zurückstellung noch vom Bestandnehmer auf Zurücknahme des Bestandgegenstandes erhoben worden sei. Diese 14-tägige Frist sei mit der vorliegenden Räumungsklage nicht eingehalten worden.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfragen nicht zulässig sei.

Mit seiner außerordentlichen Revision beantragt der Kläger die Abänderung dahin, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde.

Der Oberste Gerichtshof hat dem Beklagten die Erstattung einer Revisionsbeantwortung freigestellt. Eine solche wurde aber nicht eingebracht.

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes zulässig und im Sinne einer Aufhebung zur Ergänzung des Berufungsverfahrens auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

§ 569 ZPO normiert folgende gesetzliche Vermutung über die stillschweigende Erneuerung des Bestandvertrags:

Bestandverträge, welche durch den Ablauf der Zeit erlöschen, ohne dass es behufs Auflösung des Vertrages oder Verhinderung seiner stillschweigenden Erneuerung einer Aufkündigung bedarf, sind dadurch, dass der Bestandnehmer fortfährt, den Bestandgegenstand zu gebrauchen oder zu benützen, und der Bestandgeber es dabei bewenden lässt, nur dann als stillschweigend erneuert anzusehen, wenn binnen 14 Tagen nach Ablauf der Bestandzeit, oder bei Verträgen, welche ursprünglich auf kürzere Zeit als auf einen Monat geschlossen wurden, binnen einer der Hälfte der ursprünglich bedungenen Zeit gleichkommenden Frist nach Ablauf des Vertrages weder von dem Bestandgeber eine Klage auf Zurückstellung, noch von dem Bestandnehmer auf Zurücknahme des Bestandgegenstandes erhoben wird.

Zu dieser gesetzlichen Vermutung vertritt der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung folgende Grundsätze:

1. Die Rechtsvermutung des § 569 ZPO muss nach der oberstgerichtlichen Rechtsprechung nicht ausschließlich durch Klage widerlegt werden. Die Widerlegung der Vermutung einer stillschweigenden Fortsetzung kann auch außergerichtlich (RIS-Justiz RS0032945) durch "jeden Vorgang" erfolgen, aus dem der Wille hervorgeht, das Bestandverhältnis nicht fortsetzen zu wollen (Frauenberger in Rechberger ZPO2 Rz 1 zu § 569; RS0020764).

2. Die Willensäußerung kann auch vor dem Endtermin erfolgen, muss aber zu diesem in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang stehen (RS0032952; 6 Ob 643/94: 6 Wochen vor dem Endtermin).

Die Entscheidung des Berufungsgerichts steht mit diesen Grundsätzen nicht im Einklang:

Der Revisionswerber beruft sich zu Recht auf seine Klageführung zu 43 C 47/03m. Die Klage wurde vier Wochen vor dem vereinbarten Endtermin für die Beendigung des Unterbestandvertrages erhoben. Seine Rechtsansicht, dass aus dieser Klage deutlich hervorgeht, dass der Kläger das Mietverhältnis nicht fortsetzen wolle, ist zutreffend. Auch wenn sich der Kläger nicht ausdrücklich auf die Widerlegung der Gesetzesvermutung berufen hat, hat er doch einen entsprechenden Sachverhalt (über die Klageführung im Vorprozess) vorgetragen, aus dem der fehlende Fortsetzungswille des Klägers geradezu zwingend hervorgeht.

Das Berufungsgericht wird daher im zweiten Rechtsgang über die Berufung der Beklagten neuerlich unter Behandlung der Beweis- und Mängelrügen zu entscheiden haben.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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