OGH 14Os96/04

OGH14Os96/0416.11.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. November 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Diewok als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Erkan Ö***** wegen der teils in der Entwicklungsstufe des Versuchs (§ 15 StGB) gebliebenen Verbrechen nach § 28 Abs 2 zweiter, dritter und vierter Fall, Abs 3 erster und zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, § 12 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 5. April 2004, GZ 062 Hv 140/03s-126, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Eisenmenger, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Bernhauser zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen (auch einen rechtskräftig gewordenen Freispruch enthaltenden) Urteil wurde Erkan Ö***** des teils vollendeten, teils versuchten Verbrechens (im Hinblick auf die kumulierend verwirklichten Delikte richtig: der Verbrechen; vgl Ratz in WK² Vorbem zu §§ 28 - 31 Rz 82; ders, WK-StPO § 281 Rz 574; 13 Os 19/04; 15 Os 6/95) nach § 28 Abs 2 zweiter, dritter und vierter Fall, Abs 3 erster und zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, §§ 15, 12 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien den bestehenden Vorschriften zuwider Heroin, somit ein Suchtgift in einer Menge, die das 25fache der Grenzmenge des § 28 Abs 6 SMG übersteigt, gewerbsmäßig und als Mitglied einer kriminellen Vereinigung ein- und ausgeführt, in Verkehr gesetzt, zur teils versuchten Ein- und Ausfuhr und zum Inverkehrsetzen beigetragen (richtig: bestimmt) bzw beizutragen (richtig: zu bestimmen) versucht, indem er

1. Anfang März 2003 eine Vertrauensperson der Polizei sowie Adnan K***** beauftragte, ca 7 kg Heroin mit einem Wirkstoffgehalt zwischen 55 und 60 % von der Türkei aus- und nach Österreich einzuführen, sowie in der Folge die genannte Vertrauensperson beauftragte, das Suchtgift in die Schweiz auszuführen, wo diese es am 15. März 2003 in Zürich an den in Österreich nicht verfolgten Kadir K***** übergab;

2. im März 2003 den in der Türkei abgesondert verfolgten und bereits verurteilten Demirhan Gü***** beauftragte, ca 15,5 kg Heroin (reiner Wirkstoffgehalt 5,65 kg) von der Türkei aus- und nach Österreich einzuführen, wobei es jedoch beim Versuch geblieben ist, weil der Genannte am 10. April 2003 bei der Ausreise aus der Türkei in Cesme festgenommen wurde;

3. im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Ramazan A***** als Mittäter

a. Mitte/Ende April 2003 einen Unbekannten beauftragte, etwa 400 Gramm Heroin nicht mehr feststellbarer Qualität von der Türkei aus- und nach Österreich einzuführen, und Ramazan A***** anschließend beauftragte, diese Suchtgiftmenge in Teilmengen zwischen 20 und 25 Gramm an "Osman" zu verkaufen;

b. am 1. Mai 2003 eine Vertrauensperson der Polizei beauftragte, 900 Gramm Heroin mit einem Reinsubstanzgehalt von 51 Gramm Heroin, 12,5 Gramm Acetylmorphin und 0,8 Gramm Morphin von der Türkei aus- und nach Österreich einzuführen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 3, 5 und 5a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht. Der Erledigung der Verfahrensrüge (Z 3) ist folgender Sachverhalt voranzustellen:

Ferudun G***** setzte die Polizei davon in Kenntnis, dass der Angeklagte mit dem Angebot an ihn herangetreten sei, zeitlich und mengenmäßig noch nicht bestimmte Suchtgifttransporte von der Türkei nach Österreich durchzuführen (S 7 ff/I). Die Polizei unterwies daraufhin G*****, sich zum Schein an diesem Geschäft interessiert zu zeigen; die Durchführung eines (Suchtgift-)Transports wurde ihm aber "strikt untersagt" (S 11/I). In weiteren Erhebungsberichten der Sicherheitsbehörde finden sich nachfolgend Hinweise darauf, dass G***** (als Vertrauensperson der Polizei im Einvernehmen mit der Sicherheitsbehörde) Kontakt mit dem Angeklagten aufnahm und sich bereit erklärte, Suchtgifttransporte tatsächlich durchzuführen. Die Staatsanwaltschaft Wien beantragte in diesem Zusammenhang am 13. Februar 2003 beim Untersuchungsrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, im Rechtshilfeweg bei den türkischen Behörden "die Genehmigung der Ausfuhr von etwa 10 kg Heroin durch Ferudun G***** aus der Türkei" zu erwirken (S 3c), und am 29. April 2003, im Rechtshilfeweg bei den türkischen Behörden "die Genehmigung der Ausfuhr von etwa 850 Gramm Heroin durch Ferudun G***** aus der Türkei und Einfuhr des Suchtgiftes in Österreich" zu erwirken (S 31). Mit Schreiben vom 14. Februar 2003 (ON 7) und vom 30. April 2004 (ON 13 in ON 89; vgl S 31 und S 97/I) ersuchte daraufhin der Untersuchungsrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien die türkischen Behörden um die Genehmigung von "kontrollierten Lieferungen" aus dem Hoheitsgebiet der Türkei unter Beteiligung einer Vertrauensperson der Polizei.

Bei den angeklagten Suchtgifttransporten unter Mitwirkung des Ferudun G***** bestand zwischen ihm und den Ermittlern der Sicherheitsbehörde ständiger Kontakt (vgl ON 6, 18, 19 und 21). Auf Grund dessen konnten nach der vom Schulspruch 1. erfassten Straftat der Abnehmer des Heroins in der Schweiz (S 243/I) und im Anschluss an die im Schuldspruch 3.b. inkriminierte Straftat die in Österreich als Empfänger vorgesehene Person nach vorheriger Sicherstellung des Suchtmittels bei einer nur mehr vorgetäuschten Übergabe verhaftet werden (S 99/I). Bei der im Schuldspruch 3.b. umschriebenen Schmuggelfahrt nahm überdies ein verdeckter Ermittler des Bundeskriminalamtes teil (S 93 ff/I).

Die Verfahrensrüge (Z 3) macht wörtlich geltend: "Keiner der drei Zeugen (Mitangeklagten) auf welche das Erstgericht den Schuldspruch des Angeklagten stützte, wurde über sein Entschlagungsrecht belehrt. Da diese Zeugen daher auch nicht auf ihr Recht, sich des Zeugnisses zu entschlagen, verzichtet haben, ist ihre Aussage nichtig. Es handelt sich dabei um die Aussagen der Zeugen Adnan K*****, Ferudun G***** und Ramazan A*****. Die Verwertung der Aussagen dieser drei Zeugen bilden daher den Nichtigkeitsgrund gemäß § 281 Abs 1 Ziffer 3 StPO".

Damit bezeichnet der Beschwerdeführer - im Gegensatz zu den Ausführungen im Gerichtstag - den Tatumstand, der den Nichtigkeitsgrund bilden soll, weder ausdrücklich noch durch deutliche Hinweisung (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO), weil er nicht angibt, aufgrund welcher gesetzlichen Bestimmung die Zeugen hätten belehrt werden müssen. Vertritt man die Ansicht, dass im Hinblick auf die - ohne Frage rechtswidrige, aber für sich allein keine Nichtigkeit bewirkende - Vorgangsweise von Polizei, Staatsanwaltschaft und Untersuchungsrichter bei der "kontrollierten Lieferung", welche rechtens nur den Aufschub des Einschreitens der Sicherheitsbehörden bzw ein einstweiliges Zurückstellen der von Amts wegen gebotenen Strafverfolgungsmaßnahme erlaubt (vgl insb § 23 SPG; nunmehr auch §§ 71 f EU-JZG), die drei genannten Zeugen nach § 152 Abs 1 Z 1 StPO hätten belehrt werden müssen, so ist dem Rechtsmittel zunächst entgegen zuhalten, dass die Zeugen Adnan K***** und Ramazan A***** ohnedies in der Hauptverhandlung nach dieser Bestimmung von ihrem Aussageverweigerungsrecht in Kenntnis gesetzt wurden und auf dieses verzichtet haben (vgl S 65 und S 139 jeweils III), sodass die Rüge insoweit ins Leere geht.

Betreffend Ferudun G***** ergab sich jedoch aus der dem Vorsitzenden zum Zeitpunkt der Vernehmung dieses Zeugen vorliegenden Aktenlage, insbesondere wegen der Genehmigung österreichischer und türkischer Behörden sowie der ständigen Zusammenarbeit mit der Polizei, kein vernünftiger (tatsächlicher) Zweifel daran, dass dieser nicht mit dem Vorsatz gehandelt hat, Suchtgift "entgegen den bestehenden Vorschriften" aus- und einzuführen, oder dass er zumindest einem Verbotsirrtum (§ 9 StGB) über die Grenzen seines Handelns im behördlichen Auftrag unterlag und er wegen fehlender Vorwerfbarkeit des Irrtums nicht schuldhaft gehandelt hat. Es bedurfte daher keiner Belehrung des Zeugen G***** nach § 152 Abs 1 Z 1 StPO. Die Verfahrensrüge hätte daher schon in der Beschwerdeschrift die Umstände deutlich und bestimmt bezeichnen müssen, welche eine Belehrung trotzdem erforderlich gemacht hätten und weshalb wegen deren Nichtbeachtung der Nichtigkeitsgrund vorliegt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 223). Da ein derartiges Vorbringen nicht erstattet wurde, verfehlt die Rüge ihr Ziel.

Auch die Mängelrüge (Z 5) versagt.

Das Erstgericht hat die Feststellungen zum Faktum 2. auf die Aussage des in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen Adnan K***** gestützt. Dass die Polizei nach den Angaben des Zeugen Bezirksinspektor M***** keine weiteren Beweise für eine Beteiligung des Angeklagten an dieser Tat finden konnte, bedurfte ebenso keiner Erörterung im Urteil wie die Tatsache, dass Adnan K*****, als er bei der Polizei zu den Suchtgifttransaktionen als Verdächtiger vernommen wurde (S 427/I ff), hiezu keine Angaben machte. Er wurde nämlich - offensichtlich mangels Kenntnis von dieser Tat im Zeitpunkt der Vernehmung - dazu nicht befragt und war auch nicht verpflichtet, von sich aus darüber Angaben zu machen.

Zu den Schuldsprüchen 3.a und b wendet die Beschwerde ein, der Zeuge Ferudun G***** habe durch seine Aussage in der Hauptverhandlung am 15. Jänner 2004 den Angeklagten insofern entlastet, als er angab, dieser habe mit den diesbezüglichen Suchtgifttransporten nichts zu tun gehabt; diese Depositionen seien aber im Urteil mit Stillschweigen übergangen worden.

Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass sich aus der angeführten Aussage - im gebotenen Zusammenhang gelesen - eindeutig ergibt, dass der Auftrag zu den Suchtgifttransporten vom Angeklagten kam und zunächst an Ramazan A***** gerichtet war. Dieser gab den Auftrag zum Suchtgifttransport an Ferudun G***** weiter, teilte jedoch dessen Namen dem Beschwerdeführer nicht mit, sodass dieser von den genauen Umständen des Transportes keine Kenntnis hatte bzw haben konnte (vgl S 307/II). Da somit diese Zeugenaussage jener des Belastungszeugen nicht widerspricht, bedurfte sie im Hinblick auf die gebotene gedrängte Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) keiner gesonderten Erörterung im Urteil.

Ein Begründungsmangel liegt daher nicht vor.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) wiederholt im Wesentlichen lediglich die Argumente der Mängelrüge und versucht damit sowie durch spekulative Überlegungen die Aussagen der Zeugen Adnan K*****, Ferudun G***** und Ramazan A***** als unglaubwürdig hinzustellen. Solcherart vermag sie aber keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu erzeugen. Die Ausführungen stellen vielmehr den Versuch dar, die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes unzulässig nach Art einer Schuldberufung zu bekämpfen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über Erkan Ö***** unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 26. September 2003, GZ 093 Hv 27/02z-7, nach § 28 Abs 4 SMG eine (Zusatz-)Freiheitsstrafe von 10 Jahren.

Bei der Strafzumessung wertete es als erschwerend die exorbitant große Suchtgiftmenge und die Tatwiederholungen, als mildernd hingegen das teilweise Geständnis zum Faktum 1. und die überwiegende Sicherstellung des Suchtgiftes.

Wie die Berufung zutreffend aufzeigt, wäre zusätzlich als mildernd die Tatsache zu werten gewesen, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist. Dem gegenüber hat das Erstgericht jedoch den besonderen Erschwerungsgrund des § 33 Z 4 StGB übersehen; hat doch der Angeklagten nach den Feststellungen teilweise als Anstifter gehandelt.

Entgegen dem Rechtsmittel kommt der Menge des Suchtgiftes sehr wohl erschwerendes Gewicht zu, weil die für die Verwirklichung der Qualifikation des § 28 Abs 4 Z 3 SMG geforderte Menge um ein Vielfaches überschritten wurde und von ihr ein sehr hohes Gefährdungspotenzial ausging.

Auch unter Berücksichtigung der korrigierten Strafzumessungsgründe entspricht nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes die verhängte Zusatzfreiheitsstrafe dem gravierenden Schuld- und dem bedeutenden Unrechtsgehalt der Taten. Für eine Herabsetzung besteht daher kein Grund, sodass auch der Berufung ein Erfolg zu versagen war. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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