OGH 10Ob58/04h

OGH10Ob58/04h9.11.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hubert T*****, geboren am *****, vertreten durch Dr. Klaus Gstrein und Dr. Ulrich Gstrein, Rechtsanwälte in Imst, gegen die beklagte Partei Annemarie H*****, geboren am *****, vertreten durch Dr. Christian Pichler, Rechtsanwalt in Reutte, wegen Einverleibung eines Vorkaufsrechtes (Streitinteresse EUR 30.000,--), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 13. Juli 2004, GZ 3 R 104/04z-23, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 25. März 2004, GZ 5 Cg 177/02m-19, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Mit dem am 30. 6./11. 7. 1986 in Form eines Notariatsaktes abgeschlossenen Übergabsvertrag auf den Todesfall übergab der Vater der Streitteile seinen gesamten Liegenschaftsbesitz der Beklagten. In Punkt V c) dieses Vertrages räumte die Beklagte als Übernehmerin ihrem Bruder (dem Kläger) an den Übergabsliegenschaften ein grundbücherlich sicherzustellendes Vorkaufsrecht ein. Bei Ausübung dieses Vorkaufsrechtes durch den Kläger besteht Anspruch auf Übertragung der Übergabsliegenschaften zum halben Schätzwert zum Zeitpunkt der Ausübung des Vorkaufsrechtes, wobei der Schätzwert von einem allgemein gerichtlich beeideten Bausachverständigen zu ermitteln ist. In Punkt IX des Vertrages stimmten die Vertragsteile einverständlich zu, dass nach dem Ableben des Übergebers unter anderem das Vorkaufsrecht im Sinne und Umfang des Punktes V c) dieses Notariatsaktes zu Gunsten des Klägers grundbücherlich einverleibt werde. Dieser Notariatsakt wurde vom Vater der Streitteile, dessen Gattin, der Beklagten und deren Bruder Erich unterfertigt, nicht jedoch vom Kläger.

Mit einem weiteren, vor einem anderen Notar abgeschlossenen Notariatsakt vom 13. 4. 2000 übertrug der Vater der Streitteile seinen gesamten Liegenschaftsbesitz im Wege der Schenkung an die Beklagte, die diese Schenkung annahm. Es wurde unter anderem auch vereinbart, dass die Geschenknehmerin mit heutigem Tag in den rechtlichen Besitz und Genuss der Schenkungsliegenschaften eintritt und von da an auch Gefahr, Lasten und Vorteile trägt. Der Schenkungsvertrag vom 13. 4. 2000 war über Initiative des Vaters der Streitteile zustandegekommen. Wenngleich es Absicht der Beklagten im Zusammenhang mit dem Schenkungsvertrag vom 13. 4. 2000 war, dass die Einräumung eines grundbücherlich sicherzustellenden Vorkaufsrechtes zu Gunsten des Klägers im Sinne des Punktes V c) des Übergabsvertrages vom 30. 6./11. 7. 1986 hinfällig sein sollte, ist nicht feststellbar, dass dies auch dem Willen und der Absicht des mittlerweile verstorbenen Vaters der Streitteile entsprach. Die Beklagte erhielt im Frühjahr 2000 sämtliche Schlüssel zu den im Schenkungsvertrag genannten Liegenschaften; sie zahlte ab dieser Zeit auch die Steuern und Abgaben für diese Liegenschaften. Mit der am 12. 8. 2002 eingebrachten Klage begehrte der Kläger unter Berufung auf Punkt V c) des notariellen Übergabsvertrages auf den Todesfall vom 30. 6./11. 7. 1986 die Verurteilung der Beklagten zur Einwilligung in die Einverleibung seines Vorkaufsrechtes an den nunmehr der Beklagten gehörenden Liegenschaften. Durch den Schenkungsvertrag vom 13. 4. 2000 sei das dem Kläger im Notariatsakt vom 30. 6./11. 7. 1986 eingeräumte Vorkaufsrecht nicht aufgehoben worden.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens im Wesentlichen mit der Begründung, dass die Verfügungen und Vereinbarungen im Notariatsakt vom 30. 6./11. 7. 1986, soweit sie den Kläger begünstigten, durch den nachfolgenden Notariatsakt vom 13. 4. 2000 überholt und gegenstandslos geworden seien.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im zweiten Rechtsgang statt. Es beurteilte den eingangs wiedergegebenen (wesentlichen) Sachverhalt rechtlich dahin, dass ein übereinstimmender Parteiwille der Beklagten und des mittlerweile verstorbenen Vaters der Streitteile zur Aufhebung des zu Gunsten des Klägers vormalig vereinbarten Vorkaufsrechtes nicht erwiesen sei, weshalb das Klagebegehren berechtigt sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten keine Folge. Es beurteilte den Sachverhalt rechtlich dahin, dass mit dem Schenkungsvertrag vom 13. 4. 2000 insoweit eine Novation eingetreten sei, als der Rechtsgrund für die Übergabe auf den Todesfall in eine sofort wirksame Übergabe der Liegenschaftsanteile unter Lebenden, um der Beklagten die sofortige Verfügungsmacht über die Liegenschaften einzuräumen, abgeändert worden sei. Mit dieser Novation sei nicht notwendigerweise das Erlöschen der im Übergabsvertrag auf den Todesfall enthaltenen Gegenleistungen der Beklagten verbunden gewesen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Absicht der Vertragsteile darauf gerichtet gewesen wäre, wobei diese Absicht nicht ausdrücklich erklärt werden müsse, sondern auch aus den Umständen hervorleuchten könne (§ 863 ABGB). Dass nach dem Willen des Geschenkgebers das dem Kläger im Übergabsvertrag vom 30. 6./11. 7. 1986 eingeräumte Vorkaufsrecht durch die vorzeitige Übertragung der Liegenschaften im Schenkungswege hinfällig sein sollte, sei nicht feststellbar und könne auch aus den Umständen (nämlich dem Zweck der vorzeitigen Übertragung des Eigentumes an der Liegenschaft) nicht abgeleitet werden. Im Zweifel sei daher zu vermuten, dass durch den Abschluss des Schenkungsvertrages sich an der Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger ein grundbücherlich sicherzustellendes Vorkaufsrecht an den Übergabsliegenschaften im Sinne des Punktes V c) des Übergabsvertrages vom 30. 6./11. 7. 1986 einzuräumen, nichts geändert habe, zumal der aufrechte Bestand dieser Verpflichtung mit dem Schenkungsvertrag durchaus vereinbar sei.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000,-- übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil es sich bei den vom Berufungsgericht zu beurteilenden Rechtsfragen des Entstehens des dem Kläger im Übergabsvertrag auf den Todesfall aus dem Jahr 1986 eingeräumten Vorkaufsrechtes, der Möglichkeit des Widerrufes dieses Rechtes und des Weiterbestandes des Vorkaufsrechtes ungeachtet der Novation durch den Schenkungsvertrag aus dem Jahr 2000 um erhebliche Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO handle.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Revisionsgründe der Nichtigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unzulässig, weil eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu beurteilen ist.

Die Beklagte macht als wesentlichen Mangel bzw Nichtigkeit des Berufungsverfahrens geltend, dass das Berufungsgericht die Parteien in seinem im ersten Rechtsgang ergangenen Aufhebungsbeschluss mit der Rechtsansicht überrascht habe, das gegenständliche Vorkaufsrecht wäre durch den Vertrag vom 13. 4. 2000 nicht berührt worden, sofern nicht eine gegenteilige Parteiabsicht erweislich sei.

Dazu ist zunächst zu bemerken, dass es sich bei der von der Beklagten geltend gemachten Verletzung des Überraschungsverbotes um eine nach den Umständen des Einzelfalles zu lösende Frage handelt (vgl 10 Ob 35/01x mwN). Das Erörterungsgebot des § 182a ZPO verfolgt den Zweck, die Parteien vor "Überraschungsentscheidungen" der Gerichte zu schützen, wie dies in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes für Rechtsmittelentscheidungen ganz allgemein schon vor der Normierung des § 182a ZPO verlangt wurde (vgl dazu SZ 70/199). Von einer die Parteien mit neuen rechtlichen Gesichtspunkten überraschenden Entscheidung des Berufungsgerichtes in seinem Aufhebungsbeschluss (ON 18) kann hier aber keine Rede sein. Es trifft zwar zu, dass die Beklagte nach Zustellung des Aufhebungsbeschlusses des Berufungsgerichtes keine Gelegenheit mehr hatte, ein weiteres Vorbringen zu erstatten bzw die Einvernahme weiterer Zeugen zu beantragen, da das Erstgericht im zweiten Rechtsgang keine mündliche Verhandlung mehr durchführte und sein im zweiten Rechtsgang gefälltes Urteil den Parteien gemeinsam mit dem Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichtes zustellte. Es hat aber bereits das Berufungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass der Kläger bereits im ersten Rechtsgang ausdrücklich vorgebracht hat, dass seitens des Vaters der Streitteile zu keiner Zeit, insbesondere auch nicht im Zeitpunkt des Abschlusses des Schenkungsvertrages, beabsichtigt gewesen sei, das dem Kläger eingeräumte Vorkaufsrecht rückgängig zu machen. Die Beklagte hatte somit Gelegenheit, zu diesem Vorbringen des Klägers Stellung zu nehmen, und sie hat diesbezüglich auch eingewendet, dass es sich der Vater der Streitteile nach seiner Übersiedlung in das Altenwohnheim anders überlegt und ihr die auf den Todesfall zugedachten Liegenschaften bereits zu Lebzeiten ohne belastende Aufträge und Bedingungen übertragen habe. Von einer die Beklagte überraschenden Rechtsansicht des Berufungsgerichtes kann daher nicht die Rede sein.

In ihren Ausführungen zur Rechtsrüge bekämpft die Beklagte ausschließlich die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, dass das gegenständliche Vorkaufsrecht des Klägers durch den Schenkungsvertrag vom 13. 4. 2000 nicht berührt worden sei. Selbst wenn eine gegenteilige Absicht des Geschenkgebers nicht mehr feststellbar sei, führe eine Auslegung der vorliegenden Urkunden nach deren Wortsinn und Ziel eindeutig zum Ergebnis, dass das streitgegenständliche Vorkaufsrecht durch den Schenkungsvertrag vom 13. 4. 2000 zum Erlöschen gebracht worden sei.

Fragen der Vertragsauslegung kommt in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu, sofern keine auffallende Fehlbeurteilung, also eine krasse Verkennung der Auslegungsgrundsätze vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden muss. Ob eine andere als die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung ebenfalls vertretbar wäre, ist zufolge ihrer Einzelfallbezogenheit keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 ZPO (RIS-Justiz RS0112106, RS0042779). Im Übrigen stehen die Rechtsausführungen des Berufungsgerichtes im Einklang mit gesicherter Judikatur des Obersten Gerichtshofes. Danach kommt ein Neuerungsvertrag im Sinne der §§ 1376 ff ABGB zustande, wenn nach dem Willen der vertragsschließenden Parteien das ursprüngliche Schuldverhältnis durch Änderung des Rechtsgrundes oder des Hauptgegenstandes durch ein neues ersetzt wird, in dem sie mit der Begründung des neuen die Aufhebung des alten verknüpfen (RIS-Justiz RS0032502). Eine Änderung des Rechtsgrundes liegt vor, wenn der Entstehungsgrund des Anspruches geändert wird. Eine derartige Änderung des Rechtsgrundes erfolgte im vorliegenden Fall durch den Schenkungsvertrag, der den Rechtsgrund einer Übergabe auf den Todesfall in eine sofort wirksame Übergabe der Liegenschaften (als Hauptgegenstand) an die Beklagte umwandelte (vgl EFSlg 84.509; SZ 67/217 = EvBl 1995/85 ua). Zur Novation gehört nach ständiger Rechtsprechung die Absicht der Parteien, durch die Konstituierung einer neuen Verbindlichkeit die alte zu tilgen (der animus novandi). Sonst bestehen beide Verträge nebeneinander. Diese Absicht muss zwar nicht ausdrücklich erklärt werden, sondern kann, da das Gesetz keine Beschränkung vorsieht, auch aus den Umständen hervorleuchten (§ 863 ABGB), doch wird sie im Zweifel nicht vermutet, sondern die alte Verbindlichkeit nicht für aufgelöst gehalten, solange sie mit der neuen noch wohl bestehen kann (EFSlg 84.509; SZ 67/217 = EvBl 1995/85 mwN ua; RIS-Justiz RS0032417). Der Wille der Parteien muss erweislich dahin gehen, dass auf das alte Schuldverhältnis nicht mehr zurückgegriffen werden soll. Unter dem animus novandi ist allerdings nichts anderes zu verstehen als der - in der Regel schon aus den beiderseitigen Erklärungen erkennbare - eindeutige Parteiwille, an die Stelle einer früheren Verbindlichkeit eine andere zu setzen (EFSlg 84.509; SZ 67/217 = EvBl 1995/85 mwN ua). Die Frage, ob die Parteien in dieser Weise übereingekommen sind, an die Stelle einer früheren Verbindlichkeit eine andere zu setzen, ist eine Frage des Einzelfalles (7 Ob 62/04z mwN).

Von diesen Grundsätzen ist auch das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung ausgegangen. Seine Rechtsansicht, der aufrechte Bestand der Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger ein grundbücherlich sicherzustellendes Vorkaufsrecht an den Übergabsliegenschaften im Sinne des Punktes V c) des Übergabsvertrages einzuräumen, sei mit dem Schenkungsvertrag durchaus vereinbar und eine gegenteilige Absicht des Geschenkgebers ergebe sich weder aus den Erklärungen im neuen Vertrag, in welchem auf den alten Vertrag in keiner Weise Bezug genommen werde, noch sei eine solche Absicht des Geschenkgebers feststellbar gewesen oder aus den sonstigen Umständen (nämlich dem Zweck der vorzeitigen Übertragung des Eigentumes an den Liegenschaften) ableitbar, weshalb im Zweifel von einem Fortbestand des Vorkaufsrechtes des Klägers auszugehen sei, stellt keine vom Obersten Gerichtshof im Einzelfall zu korrigierende Fehlbeurteilung dar und vermag daher die Zulässigkeit der Revision der Beklagten nicht zu begründen.

Auf Grund der dargelegten Erwägungen ist die Revision somit zurückzuweisen, da die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO abhängt. Die Kostenentscheidung gründet sich §§ 50, 40 ZPO. Der Kläger wies auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hin. Die Revisionsbeantwortung war daher einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht dienlich. Der Kläger hat somit deren Kosten selbst zu tragen.

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