OGH 5Ob118/04w

OGH5Ob118/04w29.10.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Josef N*****, vertreten durch Mag. László Szabó, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die Antragsgegnerin I*****, vertreten durch Dr. Josef Klaunzer und Dr. Alfons Klaunzer, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen § 37 Abs 1 Z 2 und 8 MRG, über den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 20. Februar 2004, GZ 4 R 60/04h-7, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 20. November 2003, GZ 11 Msch 4/03m-3, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Das Haus M***** wurde von der T***** errichtet und in seiner Gesamtheit an den Antragsgegner vermietet.

Am 27. 3. 2001 schlossen die Streitteile einen Vertrag, der mit "Betreutes Wohnen, Vertrag Wohnen mit Betreuungsmöglichkeit - Einpersonenwohnung" überschrieben ist. In der Präambel ist festgehalten, dass im Stadtteil W***** 50 Wohnungen mit Betreuungsmöglichkeit für Senioren zur Verfügung stünden. Dieses Angebot habe das Ziel, jenen Senioren, die aufgrund von diversen Umständen ein unterschiedliches Maß an Betreuung benötigten, diese Unterstützung im Alltag nach der Lebenssituation des Betreffenden zur Verfügung zu stellen. Der Senior solle für alle Entscheidungen über die eigene Lebensführung selbst verantwortlich sein, jedoch würden ihm eine barrierefreie Wohnung und Leistungen angeboten, die er in Anspruch nehmen könne. In diesem Vertrag räumte der Antragsgegner dem Antragsteller ab 1. Mai 2001 das entgeltliche Wohnrecht an einer bestimmten Wohnung in der Seniorenwohnanlage im Ausmaß von 40,21 m2 Wohnnutzfläche und 3,30 m2 Terrassenfläche, bestehend aus einer Nasszelle (Dusche, WC, Waschbecken), Wohn-/Schlafzimmer und Vorraum mit Kochnische, TV und Telefonanschluss ein. Das Wohnrecht sei höchstpersönlich und erlösche spätestens mit dem Ableben des Wohnungsberechtigten und auch in dem Fall, dass dieser auf Dauer in ein Wohn- oder Pflegeheim aufgenommen werde. Für die Überlassung der Wohnung war ein Gesamtbetrag von S 4.422 als Entgelt vereinbart, bestehend aus Benützungsentgelt, Rücklagen, Instandhaltung, Betriebskosten, Verwaltung, Heizung. Unter dem Punkt "soziale Betreuung" verpflichtete sich der Antragsgegner zur Vermittlung von ärztlicher Hilfe und geschultem Pflegepersonal bei dringendem Bedarf während 24 Stunden und von diversen Terminen bei Hausbesuchen von Ärzten, Pflegepersonal, Therapeuten, Fußpflegern, Frisör, Taxifahrten etc; zur Organisation diverser Dienstleistungen wie zB Einkaufsservive, Apothekenservice, chemische Reinigung, Wäscheservice, Zeitungszustelldienste; nach Maßgabe der Möglichkeiten zur Erbringung von Betreuungsleistungen und zur kompetenten Beratung und Vermittlung durch eine qualifizierte Fachkraft im Rahmen von regelmäßigen Sprechstunden durch Unterstützung und individuelle Beratung des Wohnungsberechtigten in lebenspraktischen und gesundheitlichen Fragen (Hilfe zur Selbsthilfe durch Stärkung der eigenen Möglichkeiten; zur Information zu Fragen im Umgang mit Behörden und sonstigen Institutionen im Raum; zur Information zu sozialen Diensten und deren Angebote; auf Wunsch des Wohnungsberechtigten zu einer technisch unterstützten Nachschau (wenn in der Wohnung länger als 24 Stunden kein Lebenszeichen registriert wird); zur Installation eines speziellen Telefons mit Anschluss an ein Callcenter für ärztliche Notfälle; zur Förderung des Gemeinschaftslebens in der Wohnanlage durch gesellige Angebote (auch nach Vereinbarung un- oder entgeltlich) und zur Durchführung von Hausversammlungen. Für diese Leistungen wurde ein monatliches Betreuungspauschale in der Höhe von S 1.133 vereinbart. Als Zusatzleistungen wurden vom Antragsgegner gegen gesondertes Entgelt angeboten, neben der Möglichkeit der Essenszubereitung in der eigenen Küche die Organisation des Bezuges von "Essen auf Rädern" zu den gültigen Liefer- und Leistungsbedingungen, die Vermittlung von Arbeitskräften zur Reinigung der Wohnung, die Vermittlung des Hauswartes zur Durchführung privater Dienstleistungen für kleinere Reparaturen gegen Entgelt, die Vermittlung von Servicediensten für die Durchführung von individuellen Besorgungen sowie Begleitpersonen für Arztbesuche und Behördenwege und von Pflegeleistungen, die von einem vom Wohnungsberechtigten namhaft gemachten Dienstleister erbracht und dem Wohnungsberechtigten direkt verrechnet würden. Der Vertrag wurde auf unbestimmte Zeit abgeschlossen.

Zuletzt betrug der Mietzins EUR 321, die Betreuungspauschale EUR 74,86.

Der Antragsteller begehrt, dem Antragsgegner aufzutragen, "1. eine funktionsfähige Duschgelegenheit, deren Wasserabfluss ordnungsgemäß funktioniert, in der vom Antragsteller angemieteten Wohnung herzustellen; 2. beim Waschbecken im Badezimmer einen ordnungsgemäßen Siphon, der einer gewöhnlichen Wartung durch den Mieter ohne notwendige Intervention eines Professionisten erfordert und die ohne Eingriff in die Wand des Bestandobjektes sowie einen Überlauf am Waschbecken herzustellen; 3. festzustellen, dass der von der Antragsgegnerin begehrte und eingehobene Mietzins (inklusive Betreuungspauschale) überhöht ist und ihr die Rückzahlung der zu Unrecht seit 1. 5. 2001 eingehobenen Mehrbeträge aufzutragen". Der Abfluss der Brausefläche in seinem Badezimmer sei falsch ausgeführt, da das Wasser nicht restlos ablaufen könne. Es rinne bei normalem Gebrauch der Dusche über die Brausefläche hinaus auf den Parkettboden des Wohnzimmers, was dort massive Beschädigungen auslöse. Weiters sei der beim Waschbeckenablauf eingebaute Siphon auch bei gewöhnlichem Gebrauch ständig verstopft, was periodische, nur durch eine Fachfirma ausführbare Wartungsarbeiten notwendig mache. Es fehle auch ein Überlauf, sodass für den Fall einer Verstopfung die Gefahr der Überschwemmung des gesamten Wohnzimmers und damit ernster Schäden des Hauses gegeben sei. Im Übrigen verweigere die Antragsgegnerin die Kostentragung für die notwendigen Wartungsarbeiten am Siphon. Es handle sich insgesamt um technische und nur durch Umbauarbeiten behebbare Mängel; es bestehe keine dem zeitgemäßen Standard entsprechende Badegelegenheit im Sinne des MRG. Der Mietzins sei daher seit Beginn des Bestandverhältnisses überhöht. Der zwischen den Parteien abgeschlossene Vertrag unterliege dem MRG. Die zugesagte Betreuungsleistung sei nicht geeignet, dem Gesamtvertrag den Charakter eines Mietverhältnisses zu nehmen, zumal es sich im wesentlichen nur um Vermittlungstätigkeiten handle.

Der Antragsgegner wandte ein, dass der Vertrag kein Mietverhältnis im Sinne des MRG sei, sodass der außerstreitige Rechtsweg für das Begehren unzulässig sei. Der Antragsteller habe ein Wohnrecht im Rahmen des Projektes "betreutes Wohnen", in welchem er auch verschiedene soziale Betreuungen genieße. Es sei ein Betreuungs- und Sicherheitsnetz bereitgestellt, die Wohnungen seien technisch für Notfälle ausgerüstet und es sei jederzeit eine Person erreichbar, die zu Hilfe kommen oder externe Hilfe organisieren könne. Die Wohnberechtigten seien ältere Leute, die gern ihre eigene Wohnung hätten und nicht in ein Heim wollten. Der Antragsteller mache im Übrigen keine Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten geltend. Die Ausführung der Dusche und des Waschbeckens habe er mangels Rüge beim Einzug genehmigt. Es lägen auch tatsächlich keine Mängel vor. Der Anspruch nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG sei nicht konkret ausgeführt.

Das Erstgericht wies das Begehren des Antragstellers "zurück bzw ab". Es gelangte in rechtlicher Hinsicht zu dem Ergebnis, dass der Ausnahmetatbestand nach § 1 Abs 2 Z 1 MRG gegeben sei, zumal die Gesamtanlage ein Heim für betagte Menschen im Sinne dieser Gesetzesbestimmung sei.

Das Rekursgericht änderte den angefochtenen Beschluss dahingehend ab, dass der Einwand des Antragsgegners, der außerstreitige Rechtsweg sei unzulässig, verworfen und dem Erstgericht die Entscheidung in der Sache selbst aufgetragen werde. Es bestehe die Vermutung für die Vollanwendung des MRG, die nur durch den Nachweis eines konkreten Ausnahmetatbestandes widerlegt werden könne. Tatsächlich werde aber dem Antragsteller im Wesentlichen ein Wohnraum gegen Entgelt zur Verfügung gestellt. Die Dienstleistungen im Rahmen der sozialen Betreuung seien im Kern Vermittlungstätigkeiten, der Aktivierung einer Nachschaufunktion bzw der Anschluss an ein Callcenter. Die Gewährung von Informationen zu Fragen im Umgang mit Behörden oder die Unterstützung und individuelle Beratung in lebenspraktischen und gesundheitlichen Fragen decke sich mit einem vielfach vorhandenen Beratungsanbot anderer Stellen. Damit sei aber der Aspekt der Zurverfügungstellung von Wohnraum durch die anderen Leistungen keinesfalls überwogen, woraus sich ergebe, dass der Mietvertrag zwischen den Parteien grundsätzlich dem MRG unterliege, weshalb die Einrede der Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtsweges des Antragsgegners zu verwerfen sei.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Qualifikation eines Vertrages, der neben der Zurverfügungstellung von Wohnraum auch soziale Betreuungsleistungen beinhalte, nicht vorliege.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Antragsgegners mit einem Abänderungsantrag, in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Antragsteller beantragt, dem Revisionsrekurs keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Vorweg ist darauf zu verweisen, dass die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben, dass auf den am 27. 3. 2001 abgeschlossenen Vertrag § 1 Abs 2 Z 1a MRG nF jedenfalls im Hinblick auf § 49d Abs 2 MRG idF Mietrechtsnovelle 2001 nicht anzuwenden ist. Die Frage, ob und unter welchen Umständen Seniorenheime der Bestimmung des § 1 Abs 2 Z 1a MRG zu unterstellen sind, stellt sich daher im vorliegenden Fall nicht.

Die behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt bereits deshalb nicht vor, da selbst das Vorhandensein eines Pflegebades und eines Gemeinschaftsraumes mit zusätzlicher Küche als Veranstaltungsraum mangels Änderung des vereinbarten Vertragsinhaltes nicht entscheidungsrelevant ist.

Fällt ein Rechtsverhältnis in den Geltungsbereich des § 1 Abs 1 MRG, so besteht eine Vermutung für die Anwendbarkeit des MRG, die nur durch den Nachweis eines konkreten Ausnahmetatbestandes (§ 1 Abs 2 bis 4 MRG) widerlegt werden kann (RIS-Justiz RS0069235). Dementsprechend ist nach den konkreten Umständen des jeweils zur Beurteilung anstehenden Falles zu entscheiden, ob der Bestandgegenstand als Heim im Sinne der Ausnahmebestimmung des § 1 Abs 2 Z 1 MRG zu beurteilen ist (5 Ob 77/01m, 5 Ob 312/98p). Danach fallen Mietgegenstände, die im Rahmen des Betriebes eines hiefür besonders eingerichteten Heimes für betagte Menschen vermietet werden, nicht in den Anwendungsbereich des MRG. Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass das maßgebliche Kriterium der Heimunterbringung der Mangel eigener Wirtschaft und Haushaltung ist (5 Ob 312/98p).

Der vorliegende Vertrag ist dadurch gekennzeichnet, dass er zwar mit Senioren abgeschlossen wird, aber mit solchen, die eben noch ihre Wirtschaft und den Haushalt selbst führen und nur bei Bedarf entsprechende Unterstützung vor Ort vermittelt erhalten sollen. Die Eigenverantwortung des Bewohners für sein Wirtschaften und seine Haushaltsführung soll aber gerade schon nach dem Vertragstext bestehen bleiben, was mit dem vom Obersten Gerichtshof geforderten maßgeblichen Kriterium für die Heimunterbringung, nämlich Mangel eigenen Wirtschaftens und eigener Haushaltung im Widerspruch steht.

Das Gesetz fordert für die Verwirklichung des Ausnahmetatbestandes die Unterbringung in einem hiefür besonders eingerichteten Heim für betagte Menschen. Schon nach dem Gesetzestext müssen also besondere Gemeinschaftseinrichtungen vorhanden sein. Diese müssen geeignet sein den gemeinsamen Bedarf der Bewohner zu decken (wie etwa Gemeinschaftsküche bzw gemeinsame Essensversorgung, Essensräume, Reinigung etc.). Daran fehlt es hier. Ein nicht näher spezifiziertes "Pflegebad" und ein Gemeinschaftsraum decken nicht nur keinen nennenswerten gemeinsamen Bedarf ab, sondern beziehen sich auch nicht auf den Ersatz der Haushaltsführung und Betreuung.

Der Vermieter verpflichtet sich nicht dazu, bei Bedarf für die Mieter die Haushaltsführung und ihr Wirtschaften selbst zu übernehmen. Er verpflichtet sich lediglich dazu, entsprechende Unterstützung vor Ort zu vermitteln. Das Vermitteln von Leistungen ist aber der selbst übernommenen Verpflichtung zur Erbringung von Leistungen schon deshalb nicht gleichzuhalten, da im ersten Fall nur die Auswahl einer geeigneten Person für die Durchführung der Arbeiten geschuldet wird, im zweiten Fall aber die ordnungsgemäße Erbringung der Leistungen selbst. Werden die Pflegeleistungen nur vermittelt, so muss der Vermieter auch erst im Falle eines konkreten Auftrages des Bewohners tätig werden. Ist er aber zur Erbringung von Pflegeleistungen selbst verpflichtet, bedarf es keines weiteren Tätigwerden des Bewohners und der Vermieter übernimmt die Verantwortung der Erbringung der Leistungen bei Bedarf. Alle im Vertrag angebotenen Leistungen des Vermieters ersetzen weder das Wirtschaften und Haushalten noch stellen sie eine umfassende Betreuung dar.

Auch wenn im Einzelfall geprüft werden muss, wann die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Ausnahmetatbestand nach § 1 Abs 2 Z 1 bis 4 MRG erfüllt sind, so muss doch - um allfälligen Missbrauch hintanzuhalten - das Vorliegen dieses Ausnahmetatbestandes zum Schutz der Mieter streng geprüft werden. Der vorliegende Vertrag erfüllt den Ausnahmetatbestand nach § 1 Abs 2 Z 1 MRG nicht.

Es war daher dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu verwehren.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte