OGH 7Ob228/04m

OGH7Ob228/04m20.10.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T*****, vertreten durch Dr. Paul Bauer, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Heinz Stöger, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 689.584,46 sA (Revisionsinteresse EUR 531.073,26), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 14. Juni 2004, GZ 1 R 71/04g-85, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionswerberin vermag einen tauglichen Grund dafür, ihre außerordentliche Revision zuzulassen, nicht aufzuzeigen. Als unstrittig vorauszuschicken ist, dass das Rechtsverhältnis zwischen der VN der Klägerin und der Beklagten nach deutschem Recht zu beurteilen ist und weiters, dass auf den vorliegenden Fall die Bestimmungen des BGB in der Fassung vor der Änderung durch das am 1. 1. 2002 in Kraft getretene Schuldrechtsmodernisierungsgesetz anzuwenden sind.

Ausgehend von dem ebenfalls unstrittigen Umstand, dass hinsichtlich des gegenständlichen Werks (Rohrelektrofilteranlage), das durch eine Explosion zerstört wurde, keine Abnahme stattfand, weist die Revisionswerberin zutreffend darauf hin, dass sich die Bestimmungen der §§ 633 ff BGB (Gewährleistung beim Werkvertrag) nicht anwenden lassen, da dies eine Abnahme des Werks voraussetzte (Palandt61 Vorb v § 633 Rz 17 mwN). Dies hat das Berufungsgericht aber ohnehin erkannt und seinen Zuspruch auf § 325 BGB (aF) gestützt, der folgenden Wortlaut hat:

Vom Schuldner zu vertretendes Unmöglichwerden.

Wird die aus einem gegenseitigen Vertrag dem einen Teil obliegende Leistung infolge eines Umstandes, den er zu vertreten hat, unmöglich, so kann der andere Teil Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangen oder von dem Vertrage zurücktreten. Bei teilweiser Unmöglichkeit ist er, wenn die teilweise Erfüllung des Vertrages für ihn kein Interesse hat, berechtigt, Schadenersatz wegen Nichterfüllung der ganzen Verbindlichkeit nach Maßgabe des § 280 Abs 2 zu verlangen oder von dem ganzen Vertrage zurückzutreten. ...

Der Einwand der Revisionswerberin, ihre Werkleistung sei gar nicht unmöglich geworden, weshalb § 325 BGB nicht herangezogen werden könne, verfängt allerdings im Ergebnis nicht: Es mag zwar zutreffen, dass ungeachtet der völligen Zerstörung des Werks im vorliegenden Fall von einer Unmöglichkeit der Werkleistung nicht gesprochen werden kann. Das Manko, dass das BGB lediglich Vorschriften über Unmöglichkeit und Verzug enthält und alle anderen denkbaren Arten von Leistungsstörungen, für die die Bezeichnung positive Vertragsverletzung geprägt wurde, nicht ausdrücklich regelt, wird aber dadurch ausgeglichen, dass der Grundsatz entwickelt wurde, dass der Schuldner für positive Vertragsverletzung ebenso einzustehen habe, wie für Unmöglichkeit und Verzug. Dieser Grundsatz hat sich im deutschen Recht allgemein durchgesetzt und bildet einen gesicherten Bestandteil des deutschen Schuldrechts (Heinrichs in Palandt61 § 276 Rz 104 mwN). Dieser seit vielen Jahrzehnten in stRsp angewandte Grundsatz über die Haftung für positive Vertragsverletzung stellt Gewohnheitsrecht dar und wurde inzwischen ohnehin im Schuldrechtsmodernisierungsgesetz kodifiziert (vgl Heinrichs aaO Rz 105). Unter den Begriff der positiven Vertragsverletzung fallen alle Pflichtverletzungen im Rahmen eines bestehenden Schuldverhältnisses, die weder Unmöglichkeit noch Verzug herbeiführen und deren Folgen nicht von den gesetzlichen Gewährleistungsvorschriften erfasst werden (BGH NJW 78, 260 uva). Als Haupttypen der positiven Vertragsverletzung lassen sich die Schlechtleistung einerseits und die Verletzung von Nebenpflichten andererseits unterscheiden (Heinrichs aaO Rz 108). Unter letztere fällt auch die Verletzung von Aufklärungspflichten (Heinrichs aaO Rz 119), wie sie der Beklagten im vorliegenden Fall vorzuwerfen ist. Die vom Schuldner zu vertretende positive Vertragsverletzung begründet für den anderen Teil einen Schadenersatzanspruch, der sich auf alle unmittelbaren und mittelbaren Nachteile des schädigenden Verhaltens erstreckt und auch Prozesskosten erfasst und nur Folgeschäden, die außerhalb des Schutzzwecks der verletzten Vertragspflicht liegen, ausnimmt (Heinrichs aaO Rz 123 mwN).

Da diese vom deutschen Höchstgericht in ständiger Rechtsprechung vertretenen Grundsätze daher exakt zu dem vom Berufungsgericht erzielten Ergebnis führen, liegt die von der Revisionswerberin behauptete erhebliche Fehlbeurteilung, die einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte, im Zusammenhang mit der Frage des Schadensersatzes nicht vor.

Betreffend die Frage einer Mitversicherung ist das Berufungsgericht der gesicherten oberstgerichtlichen Judikatur gefolgt, wonach eine Feuerversicherung eine Sachwertversicherung darstellt, bei der grundsätzlich das Eigentümerinteresse als versichert anzusehen ist. Bei der Sachwertversicherung ist es dem Versicherer regelmäßig gleichgültig, wessen Interesse versichert sein soll. In einem derartigen Fall ist die Versicherung als für fremde Rechnung genommen anzusehen, falls der Wille des Versicherungsnehmers darauf gerichtet ist (RIS-Justiz RS0080806). Der Abschluss einer Versicherung für fremde Rechnung setzt also voraus, dass die Absicht des Versicherungsnehmers auf eine solche Versicherung gerichtet war und dass der Versicherer diese Absicht aus den Umständen erkennen konnte (RIS-Justiz RS0080895).

Das Berufungsgericht ist nun davon ausgegangen, dass ein entsprechendes Vorbringen der Vereinbarung einer Mitversicherung in Bezug auf die Beklagte bzw dass der Wille der VN der Klägerin darauf gerichtet gewesen wäre, auch das Interesse der Beklagten mitzuversichern, von dieser gar nicht erstattet wurde, weshalb sich deren Vorbringen, mitversichert gewesen zu sein, als unschlüssig und nicht nachvollziehbar darstelle.

Die Revisionswerberin meint hingegen, ihr Vorbringen in Richtung einer Mitversicherung sei ohnehin ausreichend und schlüssig gewesen. Entgegen ihrer Ansicht vermag sie aber auch damit eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO bzw einen tauglichen Zulassungsgrund nicht aufzuzeigen: Nach ständiger oberstgerichtlicher Judikatur stellt nämlich die Frage, wie ein bestimmtes Parteivorbringen zu verstehen ist - ebenso wie etwa die Fragen, ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist und ob das Vorbringen soweit spezifiziert ist, dass es als Anspruchsgrundlage hinreicht oder die Frage der Auslegung einzelner Klagsbehauptungen auf ihre Behauptungstauglichkeit in Bezug auf den geltend gemachten Anspruch - eine Frage des Einzelfalls dar, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt (RIS-Justiz RS0042828 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen; vgl insb 7 Ob 360/98m; 7 Ob 254/00d; vgl auch RIS-Justiz RS0044273 [T 49, 50 und 52]). Gegenteiliges gilt im Interesse der Wahrung der Rechtssicherheit nur dann, wenn die Auslegung des Parteivorbringens mit seinem Wortlaut unvereinbar wäre (vgl 1 Ob 83/99h; 7 Ob 254/00d; 7 Ob 322/00d; 10 Ob 66/00d; 9 Ob 21/00d; 7 Ob 146/01y; 7 Ob 117/02k ua) oder gegen die Denkgesetze verstieße (5 Ob 136/01p; 7 Ob 117/02k). Davon kann im vorliegenden Fall keine Rede sein. Die Beklagte hat im erstinstanzlichen Verfahren lediglich von einer "indirekten" Mitversicherung gesprochen und ein Vorbringen in Richtung einer Versicherung auf fremde Rechnung im Sinne des § 74 VersVG keineswegs erstattet, sodass ihre diesbezüglichen Ausführungen in der Revision gegen das Neuerungsverbot verstoßen und unbeachtlich sind.

Nicht recht verständlich ist die Behauptung in der ao Revision, wonach der Hinweis auf eine vorläufige Deckung eine Mitversicherung indiziere. Auch die Behauptung, aus dem "gesamten Polizzenakt", Beilage ./W, ergebe sich ein Hinweis auf die behauptete Mitversicherung, ist keineswegs zwingend, wenn man sich vor Augen hält, dass nach den erstgerichtlichen Feststellungen bzw dem unstrittigen Sachverhalt ja auch das Interesse diverser mitversicherter Firmen (R***** GesmbH, R***** E***** und R***** R*****, Inhaberin jeweils Loni M***** - s Seite 8 f des Ersturteils) versichert wurde. Unter diesem Aspekt sind die Passagen "Betriebsversicherung mit Wertanpassung - eigenes und fremdes Gut" sowie "fremdes Gut gilt mitversichert, sofern der Versicherungsnehmer dies im Leistungsfall auch wünscht" in der Beilage ./W auf diese Firmen und keinesfalls auf die beklagte Partei zu beziehen. Auch bezüglich der Frage der Mitversicherung wird daher von der Revisionswerberin keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt.

Schließlich wirft auch die Rechtsrüge keine erhebliche Rechtsfrage auf:

Soweit die Revisionswerberin moniert, das Berufungsgericht habe ihrem Vorbringen zu Unrecht keinen Mitverschuldenseinwand entnommen, ist neuerlich darauf hinzuweisen, dass die Auslegung von Parteienvorbringen einzelfallbezogen und daher, falls dem Berufungsgericht - wie hier - keine erhebliche Fehlbeurteilung unterläuft, nicht revisibel ist.

Dies gilt auch hinsichtlich der Frage des Vorliegens bzw der möglichen Vernachlässigbarkeit eines Mitverschuldens der VN (Kodek in Rechberger, ZPO² Rz 5 zu § 502 mwN; 1 Ob 633/95 uva). Auch diesbezüglich liegt eine Fehlbeurteilung, die aus Gründen der Rechtssicherheit vom Obersten Gerichtshof korrigiert werden müsste, nicht vor: Dass das Fehlverhalten der VN, die im Rahmen ihrer Aufklärungspflicht als Besteller die Beklagte darauf hinweisen hätte müssen, dass die von ihr zur Verfügung gestellten Unterlagen nur ein Teil des in ihren Händen befindlichen Gutachtens des TÜV-Bayern seien, gegenüber den mehrfachen Pflichtverletzungen der Beklagten in den Hintergrund tritt, ist jedenfalls vertretbar.

Auch die Fragen der Erkennbarkeit der Unvollständigkeit des Prüfberichts und in diesem Zusammenhang eine Erkundigungspflicht der Beklagten sowie ein Beratungsbedarf der VN hängen von den ganz spezifischen Umständen des vorliegenden Einzelfalls ab und stellen wegen dieser Einzelfallbezogenheit keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO dar.

Insgesamt vermag die Revisionswerberin demnach keinen tauglichen Grund für die Zulassung ihres außerordentlichen Rechtsmittels darzutun.

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