OGH 11Os103/04

OGH11Os103/0419.10.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Oktober 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Klenk als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Michael S***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom 29. Juni 2004, GZ 20 Hv 40/04b-38, sowie die Beschwerde des Angeklagten gegen eine Entscheidung gemäß § 494a Abs 1 Z 4, Abs 4 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil - das auch in Rechtskraft erwachsene Freisprüche von weiteren einschlägigen Tatvorwürfen enthält (das Freisprechen von der juristischen Kategorie ist unangebracht - Fabrizy StPO9 § 259 Rz 16) - wurde Michael S***** des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB (I) und des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1, Abs 2 erster Fall StGB (II) schuldig erkannt.

Danach hat er (zusammengefasst)

I. in Melk und anderen Orten zwischen 12. Dezember 2000 und Oktober 2003 in zahlreichen Angriffen - bei denen mehrmals ein Schaden von 2.000 EUR überschritten wurde - mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, im Ersturteil namentlich angeführte Personen durch Vortäuschung seiner Zahlungsfähigkeit und -willigkeit, mithin durch Täuschung über Tatsachen, zu Handlungen, nämlich zur Lieferung von Waren oder Erbringung von Dienstleistungen, verleitet, wobei er die wertqualifizierten Betrugshandlungen in der Absicht beging, sich durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und der dadurch bewirkte Gesamtschaden 40.000 EUR übersteigend mindestens 57.000 EUR betrug (1 bis 9);

II. als (geschäftsführender - US 13) Gesellschafter der S***** & Co OEG die ihm mithin durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über das Vermögen der genannten Gesellschaft zu verfügen und diese zu verpflichten, wissentlich missbraucht, indem er an das Unternehmen abzuführende Gelder zweier im Ersturteil namentlich angeführter Kunden für sich vereinnahmte und dadurch der Gesellschaft einen 2.000 EUR übersteigenden Vermögensnachteil zufügte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 9 lit a, Z 10 erhobene Nichtigkeitsbeschwerde muss erfolglos bleiben.

Denn bei Ausführung materiell-rechtlicher Nichtigkeitsgründe muss unter Heranziehung der Gesamtheit der Urteilsfeststellungen ein Vergleich mit dem darauf angewendeten Gesetz vorgenommen und auf dieser Grundlage der Einwand entwickelt werden, dass dem Erstgericht bei Beurteilung dieses Urteilssachverhaltes ein Rechtsirrtum unterlaufen sei (Mayerhofer StPO5 § 281 Z 9a E 5, Z 10 E 7b, 9). Die Nichtbeachtung dieses aus dem Gesetz (§§ 285 Abs 1 Satz 2, 285a Z 2, 285d Abs 1 StPO) abzuleitenden Anfechtungsrahmens nimmt dem Rechtsmittel den Anspruch auf kontradiktorische Verhandlung darüber

und meritorisches Eingehen darauf (11 Os 2/03 = JBl 2003, 884; 13 Os

151/03 = RZ 2004, 139 = JBl 2004, 531).

Die unter Berufung auf Z 9 lit a verwendete Argumentation, der für eine Verurteilung wegen (gewerbsmäßigen - insoweit der Sache nach Z 10) Betruges erforderliche Vorsatz des Angeklagten "scheide aus", weil der Genannte die Nichtbezahlung durch eigene Schuldner als Grund für seine "Zahlungstockung" nicht vorhersehen konnte, lässt die entgegenstehenden erstgerichtlichen Konstatierungen außer Acht, wonach der seit Jahren hochverschuldete Beschwerdeführer seinen überaus aufwendigen Lebensstil über zahlreiche zielgerichtet getäuschte Gläubiger finanzierte (US 24 f, 41).

Die Untreuefakten sucht der Nichtigkeitswerber aus Z 9 lit a mit eigenständiger Umdeutung eines als "Verrechnung" titulierten Verzeichnisses angeblich ihm gegenüber bestehender Verbindlichkeiten, das er anlässlich der Trennung der Gesellschafter der S***** & Co OEG errichtete, zu bekämpfen, übergeht dabei aber die dazu getroffenen tatrichterlichen Feststellungen, die dieser Urkunde schon inhaltlich keinen Wert beimessen (US 26, 29, 31 f, 45 f). Überdies wird nicht dargetan, wie die "Verrechnung" im Frühjahr 2003 Einfluss auf den wissentlichen Befugnismissbrauch im Herbst 2002 - als von einer Beendigung des eben erst begonnenen Gesellschaftsverhältnisses keine Rede war (US 12, 13) - entfalten hätte sollen.

Die Ausführungen zu Z 10 beschränken sich auf die ohne jegliche Ableitung aus dem Gesetz aufgestellte Behauptung, der (90 %ige) Gesellschafteranteil des Angeklagten an der OEG verlange eine (ebenfalls 90 %ige) Reduktion des Untreueschadens, und entziehen sich somit inhaltlicher Replik.

Mit Blick auf § 290 Abs 1 StPO sei der Vollständigkeit halber daran erinnert, dass ein Machthaber prinzipiell größtmöglichen spezifischen Vorteil für seinen Machtgeber zu erzielen hat (SSt 41/58; 10 Os 61/77, 12 Os 156/83 für die hier aktuellen Fallkonstellationen der missbräuchlichen Verfügung von Arbeitskräften und Geldern) und es sich beim Vermögen einer Personengesellschaft um - für die Gesellschafter sohin fremdes - Sondervermögen handelt (SSt 51/28 für die Gesellschaft bürgerlichen Rechtes; SSt 51/46 für die offene Handelsgesellschaft, unter Abstützung auf §§ 124, 128 HGB und Art 7 Nr 9, 10 4. EV-HGB - zur (im Firmenbuch eingetragenen, US 13) offenen Erwerbsgesellschaft gilt unter Bezug auf § 4 Abs 1 EEG dasselbe; anders bei einer "Ein-Personen-Gesellschaft mit beschränkter Haftung", SSt 53/45, 14 Os 107/99).

Das zwar unter Z 10 erstattete, der Sache nach hingegen Z 11 erster Fall (zuletzt etwa 12 Os 62/03) ansprechende Vorbringen, die Strafrahmenbildung hätte im Gegenstand gemäß § 31 StGB auf ein Urteil vom 12. September 2003 Bedacht nehmen müssen, klammert die (dem Rechtsmittelstandpunkt einer Zweifelhaftigkeit entgegen) eindeutige erstgerichtliche Feststellung US 16 aus, wonach die im Vortäuschen eines redlichen Bestellers bestehende Delinquenz des Angeklagten bis Oktober 2003 andauerte. Der Hinweis auf den Zweifelsgrundsatz erweist die Beschwerde einmal mehr als nicht den Vorgaben der Strafprozessordnung entsprechend ausgeführt.

Sie war daher bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (§§ 285a Z 2, 285d Abs 1 Z 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Gerichtshofes zweiter Instanz für die Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO) und die Beschwerde gegen die - unrichtigerweise, aber auswirkungslos nicht in Beschlussform (§ 494a Abs 4 Satz 1 StPO) ergangene - Entscheidung über den Widerruf bedingter Strafnachsichten (§ 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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