OGH 10Ob52/03z

OGH10Ob52/03z12.10.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Neumayr sowie Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Margrit F*****, vertreten durch Mag. DDr. Ingeborg Guhswald, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Gerlinde V*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Bernt, Rechtsanwalt in Wien, wegen Herausgabe der Hälfte eines Nachlasses (Streitwert 18.068,63 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 3. Juni 2003, GZ 34 R 116/03s-19, mit dem das Urteil des Bezirksgerichtes Hietzing vom 23. Dezember 2002, GZ 9 C 1187/02i-15, bestätigt wurde, in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag der Beklagten auf Zuspruch der Revisionsbeantwortungskosten wird abgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch der Vorinstanz hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO ab.

Die Streitteile sind Schwestern. Beide sind deutsche Staatsbürger und leben in Deutschland. Der Beklagten wurde vom Bezirksgericht Hietzing mit Beschluss vom 2. 8. 1994 der Nachlass ihres Onkels väterlicherseits Karl W***** auf Grund des Gesetzes rechtskräftig eingeantwortet. Der Erblasser war österreichischer Staatsbürger, verwitwet, kinderlos, wohnte in Wien und hinterließ nur in Österreich gelegenes bewegliches und unbewegliches Vermögen. In der Verlassenschaftssache nach diesem protokollierte der zum Gerichtskommissär bestellte österreichische Notar am 3. 6. 1994 in Wien in gleichzeitiger Anwesenheit der Beklagten und ihres Vaters Richard W***** - der einzige Bruder des Erblassers - Folgendes:

"Der erbl. Bruder Richard W***** erklärt hiemit vorbehaltslos und unwiderrruflich, sich seines Erbrechtes am gegenständlichen Nachlasse seines Bruders Karl W***** zu Gunsten seiner Tochter Gerlinde V***** zu entschlagen. Die erbl. Nichte Gerlinde V***** gibt nunmehr auf Grund vorstehender Erbsentschlagung und des Gesetzes zum ganzen Nachlass die bedingte Erbserklärung ab, beantragt deren Annahme zu Gericht und Anerkennung ihres Alleinerbrechtes auf Grund der Aktenlage." Das Protokoll wurde vom Gerichtskommissär, von der Beklagten und ihrem Vater unterfertigt.

Der Vater der Streitteile war deutscher Staatsbürger und lebte in Deutschland mit der Mutter der Streitteile im Güterstand der Gütergemeinschaft mit gemeinsamer Verwaltung des Gesamtguts. Mit Ehe- und Erbvertrag vom 7. 7. 1970 erklärten die Eltern der Streitteile das im Ehevertrag vom 23. 5. 1953 bezeichnete Vorbehaltsgut ausdrücklich zu Gesamtgut, sodass ab sofort das gesamte vorhandene und den Ehegatten künftig zufallende Vermögen Gesamtgut sein sollte, und setzten sich gegenseitig zum unbeschränkten Alleinerben ein. Der Vater der Streitteile verstarb am 7. 5. 1996, die Mutter am 31. 7. 2001.

Das Erstgericht wies das auf Abtretung der Hälfte des Nachlasses Karl W*****s gerichtete, am 5. 7. 2002 erhobene Klagebegehren ab. Es liege ein formgültiger, unentgeltlicher Erbverzicht im Sinn des § 1278 ABGB des Vaters der Streitteile zu Gunsten der Beklagten vor. Dieser Erbverzicht sei trotz der bestehenden allgemeinen Gütergemeinschaft, in der der Vater der Streitteile gelebt habe, wirksam gewesen, weil gemäß § 1455 Nr 1 BGB jeder Ehegatte ohne Mitwirkung des anderen Ehegatten eine ihm angefallene Erbschaft annehmen oder ausschlagen könne.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die unentgeltliche Entschlagung des Vaters der Streitteile zu Gunsten der Beklagten, der die Erbschaft bei einer Entschlagung des Vaters nicht zur Gänze zugefallen wäre, sei als Erbschaftsschenkung anzusehen. Die für diesen Vertrag notwendige Form der Beurkundung durch ein gerichtliches Protokoll (§ 1278 Abs 2 ABGB) sei eingehalten worden, stehe doch das Protokoll des Gerichtskommissärs dem gerichtlichen Protokoll gleich. Gemäß § 8 IPRG genüge die Einhaltung dieser Formvorschrift, weil der Vertrag in Österreich abgeschlossen worden sei. Gemäß § 1455 BGB könne jeder Ehegatte ohne Mitwirkung des anderen Ehegatten eine ihm angefallene Erbschaft annehmen oder ausschlagen. Hingegen sei gemäß § 1366 BGB ein Vertrag, den ein Ehegatte ohne die erforderliche Einwilligung des anderen Ehegatten abschließe, wirksam, wenn dieser ihn genehmige. Sterbe der vertragschließende Ehegatte, bleibe das Zustimmungserfordernis bestehen. Sterbe der zustimmungsberechtigte Ehegatte, so werde der Vertrag ex nunc wirksam, weil die §§ 1365 ff BGB nicht die Erben des anderen Ehegatten schützten. Da die Mutter der Streitteile am 31. 7. 2001 verstorben sei, erweise sich der Einwand der Klägerin, der Erbschaftsschenkungsvertrag sei unwirksam, jedenfalls als nicht berechtigt.

Ist ausländisches Recht anzuwenden, so kann das Fehlen einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs für sich allein die Zulässigkeit der Revision nach § 502 Abs 1 ZPO nicht begründen. Gemäß § 3 IPRG ist fremdes Recht wie in seinem ursprünglichen Geltungsbereich anzuwenden. Die Revision nach § 502 Abs 1 ZPO kann zwar auch bei Maßgeblichkeit eines fremden Rechts zulässig sein, wenn durch eine Abweichung der inländischen Gerichte von gefestigter fremder Rechtsprechung und Lehre die Rechtssicherheit gefährdet wird. Der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kommt allerdings nicht die Aufgabe zu, die Einheitlichkeit oder gar die Fortentwicklung fremden Rechts in seinem ursprünglichen Geltungsbereich zu gewährleisten, weil ihm insoweit nicht die dem § 502 Abs 1 ZPO zugrundegelegte Leitfunktion zukommt (EvBl 1985/172 = IPRE 2/8 uva zu RIS-Justiz RS0042940 und RS0042948 ersichtliche Entscheidungen). Wird eine Rechtsfrage über die Auslegung einer ausländischen Norm, die bisher noch keinen Entscheidungsniederschlag in ihrem ursprünglichen Geltungsbereich gefunden hat, zum ersten Mal an den Obersten Gerichtshof herangetragen, so ist es nicht Aufgabe dieses Höchstgerichts, einen Beitrag zur Auslegung ausländischen Rechts zu liefern (7 Ob 283/98p ua; vgl Kodek in Rechberger², ZPO § 502 Rz 3).

Die Revisionswerberin bekämpft nicht die rechtliche Würdigung der Vorinstanzen, dass eine formgültige Erbschaftsschenkung vorliegt (in diesem Sinn SZ 30/64).

Unbestrittenermaßen ist auf die Gütergemeinschaft mit gemeinsamer Verwaltung des Gesamtguts, in der der Vater mit der Mutter der Streitteile lebte, deutsches Recht anzuwenden. Verfügt bei gemeinschaftlicher Verwaltung des Gesamtguts durch Ehegatten ein Ehegatte ohne die erforderliche Einwilligung des anderen Ehegatten über das Gesamtgut, so gelten die Vorschriften des § 1366 Abs 1, 3, 4 und des § 1367 BGB entsprechend (§ 1453 Abs 1 BGB). Nach § 1366 Abs 1 BGB ist ein Vertrag, den ein Ehegatte ohne die erforderliche Einwilligung des anderen Ehegatten schließt, wirksam, wenn dieser ihn genehmigt. Wird die Genehmigung verweigert, so ist der Vertrag unwirksam (§ 1366 Abs 4 BGB). Bei der gemeinschaftlichen Verwaltung müssen - von den Ausnahmefällen der §§ 1454 - 1456 BGB abgesehen, beide Ehegatten bei Rechtsgeschäften zusammenwirken; jeder Ehegatte kann sich ohne Zustimmung des anderen persönlich verpflichten, jedoch ohne Wirkung für das Gesamtgut (Finke in BGB-RGRK12, § 1453 Rz 1). Zweiseitige Verfügungsgeschäfte sind bis zu ihrer Genehmigung schwebend unwirksam (Finke aaO § 1427 Rz 2). Die Revisionswerberin steht auf dem Standpunkt, die Erbschaftsschenkung hätte der Zustimmung der Mutter der Streitteile, die Alleinerben nach ihrem Ehemann gewesen sei, und nach deren Tod ihrer Erben - der Streitteile - bedurft. Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass mit dem Tod des zustimmungsberechtigten Ehegatten der Vertrag ex nunc wirksam geworden sei, weil die §§ 1365 ff BGB nicht die Erben des anderen Ehegatten schützten, sei unrichtig. Auf die Frage, ob die Ansicht des Berufungsgerichts zutreffend ist oder nicht (s dazu Finke aaO § 1427 Rz 5; Thiele in Staudinger 13, BGB § 1453 Rz 14), müsste erst eingegangen werden, wenn die Erbschaftsschenkung der Zustimmung der Mutter der Streitteile bedurft hätte. Das Erstgericht hat diese Frage unter Bezugnahme auf § 1455 Nr 1 BGB verneint. Dem ist das Berufungsgericht nicht ausdrücklich entgegengetreten, sondern es hat auf Grund seiner Rechtsansicht ausgeführt, der Einwand der Klägerin, der Erbschaftsschenkungsvertrag sei unwirksam, sei jedenfalls nicht berechtigt, weil die Mutter der Streitteile verstorben sei.

Gemäß § 1455 Nr 1 BGB kann - bei gemeinschaftlicher Verwaltung des Gesamtguts durch die Ehegatten - jeder Ehegatte ohne Mitwirkung des anderen Ehegatten eine ihm angefallene Erbschaft annehmen oder ausschlagen. Diese Bestimmung entspricht dem für die Alleinverwaltung des Gesamtguts durch einen Ehegatten geltenden § 1432 Abs 1 erster Satz BGB. Dem nicht verwaltenden und dem mitverwaltenden Ehegatten werden vermögensrechtlich relevante Entscheidungen vorbehalten. Es handelt sich um Rechtsgeschäfte, die teils eine starke persönliche Komponente haben, vor allem aber das Gesamtgut nicht schmälern, weil sie erst künftig (endgültig) anfallenden Vermögenserwerb ausschließen (Thiele in Staudinger aaO § 1432 BGB Rz 1 mit Hinweis auf Mot IV 362, 243 und RGZ 54, 289, 293; vgl Gaul in Soergel 12, BGB § 1432 Rz 1 und 2).

Da der Onkel der Streitteile - der Erblasser - im Zeitpunkt seines Todes österreichischer Staatsbürger war, ist gemäß § 28 Abs 1 IPRG österreichisches Recht das maßgebliche Erbstatut. Ebenso ist der Erbschaftserwerb nach österreichischem Recht zu beurteilen, weil die Verlassenschaftsabhandlung in Österreich durchgeführt wurde (§ 28 Abs 2 IPRG). Auch nach deutschem internationalen Erbrecht wäre österreichisches Recht das maßgebliche Erbstatut (Art 25 Abs 1 EGBGB), das auch über die mit dem Erwerb der Erbschaft zusammenhängenden Fragen entscheidet (Heldrich in Palandt 63, BGB Art 25 EGBGB Rz 10). Anders als nach § 1922 BGB wird der Erbe nach österreichischem Recht nicht mit dem Tod des Erblassers automatisch Eigentümer des Nachlasses. Erst mit der Einantwortung durch das Verlassenschaftsgericht (§ 797 ABGB) erlangt der Erbe Eigentum und Besitz an den Nachlassgegenständen (SZ 22/99; EvBl 1963/103: NZ 1981, 109; Welser in Rummel³, ABGB §§ 797, 798 Rz 5). Einzuanworten ist auch dem Erbschaftskäufer oder Erbschaftsgeschenknehmer, der an die Stelle des Erben tritt und im Verlassenschaftsverfahren auch die Erbserklärung abzugeben hat, wenn sie der Veräußerer noch nicht abgegeben hat (SZ 30/64; EvBl 1964/361; Welser aaO §§ 1278-1281 Rz 5 und 6 mwN).

Berücksichtigt man die den §§ 1432 Abs 1 Satz 1, 1455 Nr 1 BGB zugrundeliegende Wertung, wonach der im Güterstand der Gütergemeinschaft lebende Erbe allein entscheiden soll, ob eine ihm angefallene Erbschaft endgültig in das Gesamtgut fällt, so erscheint die Auffassung, der zum Erben berufene Ehegatte könne eine ihm angefallene, aber von ihm noch nicht erworbene Erbschaft - wie im vorliegenden Fall - ohne Zustimmung des anderen Ehegatten verschenken mit guten Gründen vertretbar, zumal eine gegenteilige Rechtsprechung zu dieser Frage in der Bundesrepublik Deutschland in den dem Revisionsgericht zugänglichen Unterlagen nicht dokumentiert ist und auch von der Revisionswerberin nicht aufgezeigt wird. Eine im Rahmen des § 502 Abs 1 ZPO aufzugreifende Fehlbeurteilung liegt in dieser Auffassung nicht.

In der Revision werden auch keine anderen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erheblichen, hier zu entscheidenden Rechtsfragen aufgezeigt. Die Revisionswerberin meint, in der Einantwortungsurkunde sei als Berufungsgrund der Beklagten nur das Gesetz genannt. Im vorliegenden Prozess dürfe sich die Beklagte daher nicht auf die Erbschaftsschenkung als Erwerbstitel berufen. Ausgehend von einer gesetzlichen Erbfolge sei ihr Begehren aber berechtigt. Dem ist nicht zu folgen. Dem in der Einanwortungsurkunde genannten Erben verschafft die Einantwortungsurkunde eine einer Anfechtung entzogene Rechtsstellung nicht, weil trotz der Einantwortung die Erbschaftsklage (§§ 823 f ABGB) gegen den Erbschaftsbesitzer angestellt werden kann (Weiß in Klang² III 1053). Für die Erbschaftsklage besteht keine Bindung an die Einantwortung (2 Ob 552/94 = NZ 1996, 244). Hinsichtlich des Erbrechts hat die Einantwortung keine Rechtskraftwirkung (Kralik, Das Erbrecht 325). Mit der Erbschaftsklage will der wahre Erbe unter Behauptung eines besseren oder gleichen Erbrechts vom eingeantworteten Scheinerben die gänzliche "Abtretung" der Erbschaft oder des seiner Berechtigung entsprechenden Teils (SZ 68/61 mwN). Bei einer Erbschaftsschenkung ist das Erbrecht zwischen Erbanfall und Einantwortung Gegenstand des Vertrags (SZ 68/61 für den Erbschaftskauf; Welser aaO §§ 1278-1281 Rz 1 und 8 mwN). Auch wenn der doppelgliedrige Berufungstatbestand (6 Ob 516/88) der Beklagten so nicht in der Einantwortungsurkunde angegeben wurde, wurde ihr der Nachlass zu Recht zur Gänze eingeantwortet, leitet sich doch ihr Erbrecht von dem unstreitig nach dem Gesetz berufenen Alleinerben ab. Den doppelgliedrigen Berufungstatbestand konnte sie gegen das mit der Erbschaftsklage geltendgemachte Herausgabebegehren der Klägerin mangels einer diesbezüglichen Bindungswirkung des Einwantwortungsbeschlusses einwenden (vgl JBl 1960, 492: Selbst der zu Unrecht Eingeantwortete braucht den Nachlass nicht herauszugeben, wenn er ihn auf Grund einer Treuhandvereinbarung des Erblassers mit dem Rechtsvorgänger (Transmitteten) des Klägers sofort wieder von diesem heraus verlangen könnte).

Die Revision der Klägerin ist demnach gemäß § 510 Abs 3 ZPO zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40, 50 Abs 1 ZPO. Da die Beklagte auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen und deren Zurückweisung beantrag hat, diente ihre Revisionsbeantwortung nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung.

Stichworte