OGH 8Ob81/04a

OGH8Ob81/04a24.9.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer, Dr. Hopf und Dr. Kuras und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Gabor ***** K*****, vertreten durch Mag. Magda Svoboda-Mascher, Rechtsanwältin in Wien, als Verfahrenshelferin, wider die Antragsgegnerin Stefania ***** K*****, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse gemäß §§ 81 ff EheG, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 29. April 2004, GZ 48 R 50/03p-34, womit über Rekurs des Antragstellers der Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 10. September 2003, GZ 5 F 140/01g-28, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Streitteile gingen 1981 eine Lebensgemeinschaft ein. Am 8. 3. 1986 wurde die gemeinsame Tochter Julia geboren.

Die Antragsgegnerin mietete die Wohnung top 22 in ***** Wien, R***** 10, ab 1. 2. 1982. Sie renovierte und sanierte die Wohnung mittels eines von ihr aufgenommenen Wohnbauverbesserungsdarlehens in nicht mehr feststellbarer Höhe und eines Betrages von 320.000 S (23.255,31 EUR), welchen der Antragsteller durch Auflösung einer Pensionsvorsorge flüssig machte. 1987 und 1988 mietete die Antragsgegnerin zusätzlich das Dachgeschoss und baute es aus. Den Ausbau finanzierte die Antragsgegnerin durch eine Kreditaufnahme über 1,000.000 S (72.672,83 EUR) und aus vorehelichen Ersparnissen von ca 700.000 S (50.870,98 EUR). Nicht feststellbar ist, dass der Antragsteller sich an der Finanzierung des Ausbaus beteiligte. Ebenfalls nicht feststellbar ist, inwieweit er selbst beim Ausbau mithalf.

Am 28. 12. 1991 schlossen die Streitteile die Ehe. Die Ehe wurde mit Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 28. 4. 2000 (rechtskräftig seit 3. 6. 2000) aus dem gleichteiligen Verschulden der Gatten geschieden.

Der Wert der Ehewohnung beträgt aufgrund eines vertraglich eingeräumten Weitergaberechtes 239.820,35 EUR.

Im Teilvergleich vom 6. 5. 2002 wurde vereinbart, dass die Hauptmietrechte an der bisherigen Ehewohnung dem Antragsteller in Hinkunft alleine zustehen. Die Antragsgegnerin verpflichtete sich, ab Rechtswirksamkeit des Teilvergleiches über Aufforderung des Antragstellers unverzüglich sämtliche Erklärungen abzugeben und Handlungen zu setzen, die für die Umschreibung des Hauptmietvertrages auf den Antragsgegner erforderlich seien. Ferner verpflichtete sich die Antragsgegnerin zur Räumung der Wohnung bis 30. 6. 2002. Sie behielt sich (d des Teilvergleiches) "die Berücksichtigung ihrer bislang geleisteten Mietzinszahlungen inklusive Betriebskosten, sowie Investionen in die Ehewohnung im weiteren Aufteilungsverfahren vor".

Soweit im Revisionsrekursverfahren noch wesentlich, begehrt der Antragsteller eine Ausgleichszahlung von 171.213,15 EUR. Er sei auf die Benützung der Ehewohnung top 22 angewiesen. Diese Ehewohnung unterliege der Aufteilung. Ihr Wert (239.820,35 EUR) sei der Aufteilungsmasse zur Gänze zuzurechnen.

Die Antragsgegnerin, die sich weder am Rekurs- noch am Revisionsrekursverfahren beteiligte, wendete in erster Instanz zur hier allein noch maßgeblichen Frage der Einbeziehung der Ehewohnung in die Aufteilungsmasse ein, dass sie die Wohnung vor der Eheschließung gemietet und Instandsetzungsaufwendungen von 2 Millionen S getragen habe. Der Antragsteller habe lediglich eine Zahlung von 300.000 S geleistet. Aufwendungen während einer vorehelichen Lebensgemeinschaft nach der Auflösung der Ehe gehörten nicht in die Aufteilungsmasse. Selbst wenn die Ehewohnung der Aufteilung unterliege, sei jedenfalls im Rahmen der Aufteilung jener Betrag zu berücksichtigen, den die Ehegatten im Zusammenhang mit der Wohnung jeweils geleistet hätten.

Das Erstgericht wies den im Revisionsrekursverfahren allein gegenständlichen Antrag des Antragstellers auf Leistung einer Ausgleichszahlung ab.

Es ging - von keiner der Parteien im Rekurs- und Revisionsrekursverfahren bestritten - von folgenden der Aufteilung unterliegenden Vermögenswerten aus:

½ Sommerhaus in Balatonszemes

Ady Endre utca 40 39.437,17 EUR

Verkaufserlös der Wohnung

Budapest, Vigadó tér 3/1/II/1 177.385,27 EUR

Verkaufserlös der Wohnung

H-Budapest V., Vamhaz körut 16/II/10 16.525,50 EUR

Kreditrückzahlungen für Wohnung

1140 Wien, Hüttelbergstraße 25/2/13 98.711,22 EUR

Kreditrückzahlungen für Wohnung

Hallein, Schöndorferplatz 4 53.970,81 EUR

Rechtlich vertrat das Erstgericht zusammengefasst die Auffassung, dass gemäß § 82 Abs 2 EheG die Ehewohnung, die ein Ehegatte in die Ehe eingebracht oder von Todes wegen erworben oder die ihm ein Dritter geschenkt habe, in die Aufteilung (nur) dann einzubeziehen sei, wenn der andere Ehegatte auf ihre Weiterbenützung zur Sicherung seines Lebensbedürfnisses angewiesen sei oder wenn ein gemeinsames Kind an ihrer Weiterbenützung einen berücksichtigungswürdigen Bedarf habe. § 82 Abs 2 EheG komme nur dann zur Anwendung, wenn vitale Fragen der Existenz auf dem Spiel stünden, also etwa eine länger dauernde Obdachlosigkeit drohe. Solche Existenzbedürfnisse stünden dann nicht auf dem Spiel, wenn sich der weichende Partner eine andere Wohnmöglichkeit - zB mit Hilfe der Ausgleichszahlung - beschaffen könne. Dem Antragsgegner sei die Ehewohnung bereits durch Teilvergleich zugekommen. Mangels Anwendbarkeit des § 82 Abs 2 EheG müsse sich der Antragsteller den gesamten Wert der Ehewohnung anrechnen lassen.

Der Aufteilung selbst unterliege ein kapitalisierter Betrag von 386.029,96 EUR. Aufgrund der Gleichwertigkeit der Beiträge der Parteien gebühre dem Antragsteller die Hälfte, somit 193.014,98 EUR. 21.801,85 EUR habe der Antragsteller bereits erhalten. Unter Berücksichtigung des Wertes der ihm ebenfalls zugekommenen Ehewohnung von 239.820,35 EUR ergebe sich, dass dem Antragsteller keine Ausgleichszahlung mehr gebühre.

Das Rekursgericht gab dem dagegen vom Antragsteller erhobenen Rekurs nicht Folge. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil die Judikatur des Obersten Gerichtshofes zur Frage der wertmäßigen Berücksichtigung einer ausnahmsweise erfolgten Einbeziehung lediglich von einem Ehegatten eingebrachter Sachen im Rahmen der Aufteilung nicht einheitlich sei.

Ohne sich mit der - gegenteiligen - Auffassung des Erstgerichtes auseinanderzusetzen, bejahte das Rekursgericht ohne nähere Begründung die Anwendbarkeit des § 82 Abs 2 EheG. § 82 Abs 2 EheG enthalte allerdings keine ausdrückliche Regelung, wie der Umstand, dass die Ehewohnung von einem Ehegatten stamme und nur ausnahmsweise in die Aufteilung einbezogen werde, bei der Aufteilungsentscheidung wertmäßig zu berücksichtigen sei. Einerseits werde die Ansicht vertreten, dass dieser Umstand bei der Abwägung des Umfanges der Beiträge der Ehegatten im Rahmen der Billigkeitsentscheidung des § 83 EheG zu berücksichtigen sei (9 Ob 29/00f; 6 Ob 162/99p). Andererseits habe der Oberste Gerichtshof auch die Ansicht vertreten, dass die angemessene Berücksichtigung des Einsatzes von nicht der Aufteilung unterliegenden Mittel zur Schaffung des Aufteilungsvermögens in der Form zu erfolgen habe, dass ihr Anteil an der für den Vermögenserwerb verwendeten Summe vorweg vom maßgeblichen Aufteilungswert abgezogen werde. In diesem Fall sei ein der Aufteilung ausnahmsweise unterliegender Vermögenswert (insbesondere die Ehewohnung), der ausschließlich von einem Ehegatten in die Wohnung eingebracht worden sei, nicht zum Aufteilungsvermögen hinzuzurechnen, sondern lediglich als bereits empfangene Leistung auf den Aufteilungsanspruch des anderen Ehegatten anzurechnen. Das bedeute, dass der andere Ehegatte den eingebrachten Wert in einem solchen Fall zum Verkehrswert abzulösen habe. Im angefochtenen Beschluss sei das Erstgericht offensichtlich dieser Judikatur gefolgt, die auch vom Rekursgericht gebilligt werde.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen vom Antragsteller erhobene Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 16 Abs 3 AußStG) Zulassungsausspruch des Rekursgerichtes nicht zulässig: Auf die Lösung der vom Rekursgericht und vom Revisionsrekurswerber als erheblich bezeichnete Rechtsfrage kommt es nämlich hier nicht an:

Entgegen der im Revisionsrekurs vertretenen Auffassung kann keine Rede davon sein, dass bereits das Erstgericht davon ausgegangen sei, dass die Ehewohnung jedenfalls der Aufteilung unterliege. Das Erstgericht hat vielmehr ganz ausdrücklich die Anwendbarkeit des § 82 Abs 2 EheG verneint. Die auf Seite 24 der erstgerichtlichen Beschlussausfertigung aufscheinende, tatsächlich etwas unglückliche Formulierung "Die Ehewohnung ... unterliegt infolge des Teilvergleichs... jedenfalls der Aufteilung" ist - wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der erstgerichtlichen Rechtsausführungen ergibt - lediglich so zu verstehen, dass der dem Antragsteller durch den Teilvergleich direkt zugekommene Wert der Ehewohnung insoweit zu berücksichtigen sei, als er sich auf seinen Aufteilungsanspruch diesen Wert anrechnen lassen müsse. Im Übrigen hat das Erstgericht zutreffend und im Einklang mit der Lehre und Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes erkannt, dass unabhängig von der behaupteten völligen Vermögenslosigkeit des Antragstellers und der in diesem Zusammenhang behaupteten Feststellungsmängel die Voraussetzungen des § 82 Abs 2 EheG nicht vorliegen: Weder ist hier strittig, dass die Ehewohnung von der Antragstellerin eingebracht wurde noch, dass während der aufrechten ehelichen Lebensgemeinschaft keine erhebliche Wertsteigerung der Ehewohnung bewirkt wurde (siehe dazu RIS-Justiz RS0057681; zuletzt 2 Ob 314/01t). Grundsätzlich könnte die Ehewohnung daher nur dann in die Aufteilungsmasse fallen, wenn der andere Ehegatte auf die Weiterbenützung der Ehewohnung zur Sicherung seiner Lebensbedürfnisse angewiesen ist. Das Vorliegen der Voraussetzungen des zweiten Tatbestandes des § 82 Abs 2 EheG (berücksichtigungswürdiger Bedarf eines gemeinsamen Kindes an der Weiterbenutzung) wurde hier nie behauptet. Nach der Rechtsprechung ist ein strenger Maßstab anzulegen: Die eingebrachte Ehewohnung ist demnach nur in die Aufteilung einzubeziehen, wenn deren Weiterbenützung durch den anderen Teil für diesen eine Existenzfrage bildet (siehe die Nachweise bei Stabentheiner in Rummel³ § 82 EheG Rz 14; ferner SZ 54/79; SZ 56/193; 3 Ob 264/98i; 9 Ob 4/04k). Die bereits der Rechtsprechung vor Inkrafttreten des EheRÄG 1999 zugrunde liegende Auffassung wurde nunmehr in § 82 Abs 2 EheG idF des EheRÄG 1999 eindeutig zum Ausdruck gebracht (siehe dazu 3 Ob 264/98i; ferner Hopf/Stabentheiner, Das Eherechts-Änderungsgesetz 1999 Teil II ÖJZ 1999, 861, 870 f). Eine Existenzfrage bildet die Weiterbenützung der Ehewohnung durch den anderen Teil unter anderem dann nicht, wenn der zunächst auf die Weiterbenützung angewiesene Teil durch die Leistung einer Ausgleichszahlung des anderen Teils in die Lage versetzt wird, sich ohne unbillige Einschränkung der Wohnqualität eine Ersatzwohnmöglichkeit zu schaffen (siehe dazu 3 Ob 264/98i; 9 Ob 4/04k). Von diesem Fall ist hier - wie das Erstgericht zutreffend erkannte - auszugehen: Durch den Teilvergleich erhielt der Antragsteller eine Ausgleichsleistung von 239.820,35 EUR. Diese Leistung verschafft ihm - zum Unterschied von einem Ausgleich in Geld - sogar eine unmittelbare Möglichkeit, sein behauptetes dringendes Wohnbedürfnis zu befriedigen. Damit verbleibt aber für die Anwendbarkeit des § 82 Abs 2 EheG kein Raum, wobei überdies zu berücksichtigen ist, dass dem Antragsteller unstrittig bereits 21.801,85 EUR an Ausgleichszahlung zugeflossen ist.

Da aus den dargelegten Gründen von der Richtigkeit der Auffassung des Erstgerichtes auszugehen ist, dass die von der Antragsgegnerin eingebrachte Ehewohnung nicht in die Aufteilungsmasse einzubeziehen ist, erübrigt sich ein Eingehen auf die vom Rekursgericht als erheblich bezeichnete Frage, ob im Fall der Anwendbarkeit des § 82 Abs 2 EheG die Ehewohnung bei Ermittlung des Aufteilungsvermögens wertmäßig zu berücksichtigen ist.

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