OGH 14Os92/04

OGH14Os92/0410.8.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. August 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Philipp, Hon. Prof. Dr. Schroll und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Sengstschmid als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Mirza O***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig durch Einbruch und räuberisch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 129 Z 1, 130 vierter Fall, 131 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 6. April 2004, GZ 52 Hv 49/04z-24, sowie über seine Beschwerde gegen den gleichzeitig gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO verkündeten Beschluss nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Fabrizy, des Angeklagten und seiner Verteidigerin Mag. Kreuzberger zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus deren Anlass (§ 290 Abs 1 StPO) werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Beurteilung der den Schuldsprüchen 1. und 2. zugrunde liegenden Tat sowohl als das Verbrechen des gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1, 130 vierter Fall StGB als auch als das Verbrechen des räuberischen Diebstahls nach § 131 erster Fall StGB, demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung) und der zugleich nach § 494a Abs 1 Z 4 StPO verkündete Beschluss aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst

I. zu Recht erkannt:

Mirza O***** hat durch die im Schuldspruch 1. und 2. angeführte Tat das Verbrechen des gewerbsmäßig durch Einbruch und räuberisch verübten Diebstahls nach §§ 127, 129 Z 1, 130 vierter Fall, 131 erster Fall StGB begangen und wird hiefür nach dem zweiten Strafsatz des § 130 StGB zu einer Freiheitsstrafe von fünfzehn Monaten verurteilt.

Gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB wird die Vorhaft vom 6. März 2004, 10 Uhr 04, bis 10. August 2004, 11 Uhr 10, auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet;

II. beschlossen:

Gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO wird vom Widerruf der mit Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes Salzburg vom 19. Jänner 2004, GZ 41 Hv 11/04f-11, ausgesprochenen bedingten Nachsicht einer zweimonatigen Freiheitsstrafe abgesehen. Zugleich wird nach § 494a Abs 6 StPO die Probezeit auf fünf Jahre verlängert. Mit seiner Berufung und Beschwerde wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mirza O***** einerseits des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1, 130 vierter Fall StGB (1.) und andererseits des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach § 131 erster Fall StGB (2.) schuldig erkannt. Danach hat er am 6. März 2004 in Salzburg

1. Gerhard E***** mit dem Vorsatz, sich durch Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von Pkw-Einbrüchen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, nach Einschlagen der Seitenscheibe von dessen PKW ein Mobiltelefon unbekannten Wertes, somit eine fremde bewegliche Sache durch Einbruch in ein Transportmittel weggenommen;

2. bei dem zu Punkt 1. angeführten Einbruchsdiebstahl, auf frischer Tat betreten, den Gerhard E***** durch mehrere gegen ihn gerichtete Stichbewegungen mittels eines offenen Klappmessers mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben bedroht, um sich die weggenommene Sache zu erhalten.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu. Die in der Mängelrüge (Z 5) behauptete Unvollständigkeit der Begründung liegt nicht vor, setzte sich doch das Schöffengericht mit der als übergangen reklamierten leugnenden Einlassung des Beschwerdeführers eingehend auseinander (US 5 ff). Die als unbegründet bekämpfte Konstatierung von einschüchternden Stichbewegungen findet wiederum in der als glaubwürdig erachteten Aussage des Tatopfers ihre Deckung (US 7; vgl S 143 ff iVm S 23, 27 und 67).

In der Rechtsrüge (Z 9 lit a) begehrt der Beschwerdeführer unter Verweis auf die Aktenlage und seine Verantwortung urteilskonträre Feststellungen, womit er unsubstantiiert lediglich die Beweiswürdigung der Tatrichter bekämpft, ohne einen Nichtigkeitsgrund darzustellen.

Die teils unbegründete, teils nicht prozessordnungsgemäß ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Aus deren Anlass waren jedoch die von keiner der Prozessparteien gerügten, daher gemäß § 290 Abs 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmenden, sich zum Nachteil des Angeklagten auswirkenden Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 Z 10 und 11 StPO aufzugreifen:

Das Erstgericht beurteilte den in den Schuldsprüchen 1. und 2. dargestellten, ein einheitliches Tatgeschehen umfassenden Sachverhalt (anklagekonform) sowohl als das Verbrechen des gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1, 130 vierter Fall StGB als auch als der "Verbrechen des räuberischen Diebstahls nach § 131 erster Fall StGB", obgleich § 131 StGB lediglich eine (strafsatzändernde) Qualifikation des Diebstahls darstellt (vgl Kienapfel/Schmoller Studienbuch BT II § 131 Rz 1; Leukauf/Steininger Komm3 § 131 RN 1; 9 Os 77/86). Diese rechtsirrige Subsumtion (Z 10) wirkte sich zum Nachteil des Mirza O***** aus. Denn das erkennende Gericht stellte dem Angeklagten - erneut rechtsfehlerhaft iSd § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO (vgl Ratz, WK-StPO § 290 Rz 24) - das Zusammentreffen zweier Verbrechen als Erschwerungsgrund in Rechnung. Das Urteil ist aber darüber hinaus mit einem weiteren Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO behaftet, weil Mirza O***** als erschwerend die Tatbegehung während eines anhängigen Verfahrens zur Last gelegt wurde (US 8), obwohl im gegen ihn geführten Strafverfahren AZ 18 Ur 270/03a des Landesgerichtes Linz noch kein verurteilendes Erkenntnis vorliegt (US 3 iVm S 11). Abgesehen davon, dass die Tatbegehung während eines anhängigen Strafverfahrens nicht als eigener (besonderer) Erschwerungsgrund iSd § 33 Z 2 StGB, sondern allenfalls als Strafzumessungsaspekt nach § 32 Abs 2 StGB zu werten wäre (vgl Ebner in WK2 § 33 Rz 9), erlangt dieser Umstand bei der Strafbemessung nur dann Bedeutung, wenn das im Zeitpunkt der nunmehr abzuurteilenden Tat anhängig gewesene Strafverfahren mit einem rechtskräftigen Schuldspruch endete (vgl 15 Os 154/89). Denn in diesem Fall kommt dem bereits laufenden und in eine Verurteilung mündenden Verfahren eine Warnfunktion zu, deren fehlende Beachtung infolge neuerlicher Delinquenz von einer gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnenden oder gleichgültigen Einstellung zeugt. Indem das Erstgericht aber ohne rechtskräftigen Abschluss dieses Strafverfahrens eine Missachtung der Warnfunktion unterstellt, damit aber einen Schuldspruch im noch anhängigen Verfahren voraussetzt, verstößt es gegen die Unschuldsvermutung des Art 6 Abs 2 EMRK (vgl 13 Os 156/01; 14 Os 100/00).

Das mit mehreren Nichtigkeitsgründen behaftete Urteil war daher im verkündeten Umfang aufzuheben und in der Sache selbst mit einem Schuldspruch wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig durch Einbruch und räuberisch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 129 Z 1, 130 vierter Fall, 131 erster Fall StGB vorzugehen.

Bei der dadurch erforderlich gewordenen Strafneubemessung nach § 130 zweiter Strafsatz StGB wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend eine einschlägige Vorstrafe, den raschen Rückfall und die mehrfache Qualifikation des Diebstahls zum Verbrechen, als mildernd hingegen das teilweise Geständnis und die Sicherstellung der Diebesbeute.

Trotz des bestehenden Mangels am notwendigen Lebensunterhalt war dem sieben Monate vor der Tat aus Georgien nach Österreich geflüchteten, hier erfolglos asylsuchenden Angeklagten, der im Tatzeitpunkt keine Unterkunft zur Verfügung hatte, dem keine (legalen) Erwerbsquellen offenstanden und der sich aus dem Verkaufserlös des gestohlenen Handys Essen kaufen wollte (US 3 und 6; S 31 ff, 125 und 129 ff), keine drückende Notlage iSd § 34 Abs 1 Z 10 StGB zuzubilligen, zumal ihm aufgrund der zur Last liegenden kriminellen Tendenz (§ 130 vierter Fall StGB) eine schon in der einschlägigen Vorstrafe (wegen eines gewerbsmäßig begangenen Ladendiebstahls) dokumentierte und mit der im Gesetz genannten Arbeitsscheu vergleichbare asoziale Grundeinstellung zur Last zu legen ist (vgl Ebner in WK2 § 34 Rz 24). Dessen ungeachtet waren aber die objektiv schlechten Lebensumstände bei der Vorwerfbarkeit der Tat entsprechend zu berücksichtigen. Trotz des Wegfalls zweier vom Erstgericht rechtsirrig angenommener Erschwerungsgründe fehlt es angesichts der verbleibenden, sich zum Nachteil des Mirza O***** auswirkenden Strafbemessungsumstände schon an einem Überwiegen der Milderungsgründe, sodass - entgegen dem Berufungsvorbringen - eine außerordentliche Strafmilderung nach § 41 Abs 1 und Abs 3 StGB ausschied.

Unter gebührender Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung (§ 32 StGB), insbesondere der im Vergleich zur Vortat deutlich gewordenen Steigerung der kriminellen Energie, entsprach eine Freiheitsstrafe von 15 Monaten dem Unrechtsgehalt der Tat und der tat- und täterbezogenen Schuld.

Mit Blick auf die einschlägige Vorstrafe, den raschen Rückfall und das durch Gewalteinsatz und Verwendung einer Waffe gekennzeichnete, im Vergleich zur ersten Verurteilung erhöhte kriminelle Potenzial des Angeklagten kam eine bedingte Nachsicht selbst eines Teils der Strafe nach § 43a Abs 3 StGB aus spezialpräventiven Gründen nicht mehr in Frage.

Wegen des nunmehr spürbaren mehrmonatigen Haftübels war es allerdings nicht geboten, zusätzlich zur verhängten Strafe auch noch die mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 19. Jänner 2004 gewährte bedingte Strafnachsicht zu widerrufen und die dort verhängte Freiheitsstrafe von zwei Monaten zu vollziehen (§ 53 Abs 1 StGB, § 494a Abs 1 Z 2 StPO). Wegen der neuerlichen einschlägigen Delinquenz war aber gemäß § 494a Abs 6 StPO die Probezeit in diesem Verfahren auf fünf Jahre zu verlängern.

Die Untersuchungshaft war nach § 38 Abs 1 Z 1 StGB auf die verhängte Freiheitsstrafe anzurechnen.

Mit seiner Berufung und Beschwerde war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO. Anzumerken bleibt, dass im Urteil (wie vorliegend richtig geschehen) nur die allgemeine Kostenersatzpflicht auszusprechen ist. Ob die Pauschalkosten einbringlich oder uneinbringlich sind, ist einem gesonderten Beschluss nach Rechtskraft des Urteils vorzubehalten (vgl Foregger/Bachner-Foregger StPO15 Anm zu § 389).

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