OGH 13Os156/01

OGH13Os156/0130.1.2002

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. Jänner 2002 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Lehr als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Hasan A***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen anlässlich der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 24. April 2001, GZ 23 Vr 3494/00-60, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tiegs, des Verteidigers Dr. Singer sowie des Angeklagten Hasan A***** zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Gemäß § 290 Abs 1 StPO wird das angefochtene Urteil, welches im Übrigen unberührt bleibt, in der Subsumtion der zu III genannten Taten nach § 211 Abs 2 StGB - und demnach auch im Strafausspruch (mit Ausnahme der Vorhaftanrechnung) - aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt:

Für die ihm weiterhin zur Last liegenden strafbaren Handlungen wird Hasan A***** nach § 201 Abs 2 StGB in Anwendung des § 28 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer Berufung auf die Strafneubemessung verwiesen.

Text

Gründe:

Hasan A***** wurde mehrerer, zu 2) und 3) als Versuch nach § 15 StGB begangener, Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB (I), zweier (s die zur Verdeutlichung des Erkenntnisses [§ 260 Abs 1 Z 1 StPO] herangezogenen Entscheidungsgründe, US 9) Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 (aF) StGB (II), in Tateinheit mit I/1, 3 und 4 - einmal demnach als Versuch nach § 15 StGB - begangener Vergehen der Blutschande nach § 211 Abs 1 und Abs 2 StGB (III) und in Tateinheit mit II begangener zweier Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (IV) schuldig erkannt.

Danach hat er

I. außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB seine Tochter Emina A***** mit Gewalt oder durch Entziehung der persönlichen Freiheit zur Duldung des Beischlafs - zu 2) einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung - genötigt (1 und 4) oder zu nötigen versucht (2 und 3), und zwar

1) im September 1995 im Raum P***** bei G*****, indem er "die Autotür seines PKW" verriegelte, sein Opfer "trotz Gegenwehr auszog" (nämlich, den Entscheidungsgründen zufolge "die Unterhose herunterriss" [US 6]), mit Körperkraft fixierte, ihre Beine spreizte und mit seinem Penis in ihre Scheide eindrang);

2) im Mai oder Juni 1996 auf der Autobahn G*****-Gl*****, indem er sie während der Fahrt an den Haaren packte, ihr Gesicht gegen seinen Penis drückte und sie aufforderte, einen Oralverkehr vorzunehmen;

3) im September 1997 in Gr*****, indem er sie - tatmehrheitlich ("etwa" drei mal [US 7]) - "trotz Gegenwehr" auszog (den Entscheidungsgründen zufolge "sich auf sie kniete und ihre Schultern festhielt, damit sie nicht weglaufen könne" [US 7]);

4) im September 1997 in Gr*****, indem er "sie auszog und nach Überwindung der Gegenwehr" (nämlich, "indem er sie mit seinem Körpergewicht fixiert hielt"; US 8) an ihr den Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss vollzog;

II. im Frühjahr 1996 im Caritasheim in G***** die am 2. Oktober 1987 geborene, mithin unmündige Nermina H***** auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht missbraucht, "indem er sie an den Oberschenkeln und im Scheidenbereich über der Kleidung berührte und streichelte und in einem Fall ihre Strumpf- und Unterhose auszog und einen Finger in ihre Scheide steckte" (den Entscheidungsgründen [US 9] zufolge:

"zwischen den Oberschenkeln und im Bereich der Scheide unter der Strumpfhose streichelte" und tags darauf deren Strumpfhose und Unterhose auszog, erneut "ihre Scheide streichelte und einen Finger in die Scheide steckte");

III. mit seiner Tochter Emina A***** durch die zu I/1 und 4 genannten Taten den Beischlaf vollzogen und durch die zu I/3 genannte zu vollziehen versucht;

IV. die seiner Aufsicht unterstehende minderjährige Nermina H***** unter Ausnützung dieser Stellung (s die zur Verdeutlichung herangezogenen Entscheidungsgründe, US 9) durch die zu II genannten Taten zur Unzucht missbraucht.

Rechtliche Beurteilung

Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten wurde von ihm nach Übersendung der Akten an den Obersten Gerichtshof (§ 285 Abs 5 StPO) zurückgezogen.

Aus deren Anlass (§ 290 Abs 1 StPO; Mayerhofer StPO4 § 290 E 23) war jedoch (worauf auch die Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme zu der damals noch offenen Nchtigkeitsbeschwerde ausdrücklich hingewiesen hat) die rechtsirrige Subsumtion der zu III genannten Taten als (qualifizierte) Blutschande nach § 211 Abs 2 (deren rechtsrichtige Annahme übrigens zufolge Spezialität diejenige nach § 211 Abs 1 StGB verdrängt; Foregger/Fabrizy7 § 211 Rz 4) - ohne förmlichen Freispruch - aufzuheben, weil die Anwendung von Gewalt keine Verführung darstellt (zuletzt: EvBl 2001/160). Dazu kommt, dass die Tatrichter dem Angeklagten ohne gesetzlichen Schuldnachweis (hier durch ein ausländisches Gericht) und damit gegen Art 6 Abs 2 MRK den Milderungsgrund nach § 34 Abs 1 Z 2 StGB mit Blick auf eine (angeblich) begangene "Auslandsstraftat eines Ausländers" (US 15) verweigert haben (§ 281 Abs 1 Z 11 StPO: 14 Os 100/00). Bei der damit notwendigen Strafneubemessung - worauf die Strafberufung der Staatsanwaltschaft zu verweisen war - fiel die Vielzahl, teils real-, teils ideel konkurrierender strafbarer Handlungen erschwerend ins Gewicht, wogegen dem Angeklagten die Tatsache, dass ein Teil davon beim Versuch geblieben ist und sein bis 1995 ordentlicher Lebenswandel mildernd zustatten kam. Zudem liegen die Taten bereits einige Jahre zurück, und er hat sich seither wohl verhalten, sodass eine Freiheitsstrafe von drei Jahren tatschuld- und täterpersönlichkeitsgerecht erscheint. Teilbedingte Nachsicht nach § 43a Abs 3 StGB scheidet angesichts der im Erschwerungsgrund zum Ausdruck kommenden Häufigkeit gravierender, teils auch gewaltsamer Sexualdelinquenz gegenüber Abhängigen unter dem Aspekt der Rechtsbewährung aus.

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