OGH 3Ob133/04m

OGH3Ob133/04m21.7.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer, Dr. Zechner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elisabeth A*****, vertreten durch Dr. Andreas Reiner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Gabriele P*****, Hausfrau, 2.) mj. Pascal P*****, und 3.) Liu P*****, alle vertreten durch Dr. Alexander Kragora, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung der Ungültigkeit einer letztwilligen Verfügung (Streitwert 72.672 EUR), infolge Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 14. April 2004, GZ 6 Nc 11/04z-6, womit der Ablehnungsantrag der beklagten Parteien gegen den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Graz Dr. Heimo E***** als Vorsitzender des Senates 5 in dem zu AZ 5 R 151/03w des Oberlandesgerichts Graz anhängigen Berufungsverfahren zurückgewiesen wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird mit der Maßgabe bestätigt, dass der Ablehnungsantrag zurückgewiesen wird.

Die von der klagenden Partei eingebrachte "Stellungnahme zum Rekurs" wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Das Landesgericht Leoben wies mit Urteil vom 15. Mai 2003 das Haupt- und Eventualklagebegehren auf Feststellung der Unwirksamkeit bzw. Aufhebung einer letztwilligen Verfügung ab.

Gegen dieses Urteil erhob die Klägerin Berufung. Der 5. Senat des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht mit der Besetzung Vorsitzender Senatspräsident des Oberlandesgerichts Dr. E*****, beisitzende Richter Dr. R***** (Berichterstatterin) und Dr. K***** beraumte die Berufungsverhandlung für den 11. November 2003 an. Laut Verhandlungsprotokoll wurden von 10.50 Uhr bis 12.20 Uhr Vergleichsgespräche mit dem Zweck, dass die Parteien eine bestimmte Vereinbarung zustandebringen, geführt; hierauf vereinbarten die Parteien Ruhen des Verfahrens. Die Klägerin beantragte am 16. Februar 2004 die Fortsetzung des Berufungsverfahrens und Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Berufungsverhandlung.

Die Beklagten brachten am 15. März 2004 (Einlangen beim Berufungsgericht) den Antrag auf Ablehnung des Vorsitzenden des Berufungssenats Senatspräsident des Oberlandesgerichts Dr. E***** ein, den sie im Wesentlichen damit begründeten, der Vorsitzende des Berufungssenats habe in der Berufungsverhandlung am 11. November 2003 bestimmte (näher beschriebene) Äußerungen abgegeben bzw eine bestimmte Vorgangsweise eingehalten, die geeignet seien, das Vertrauen der Beklagten in seine Objektivität und Unbefangenheit zu erschüttern.

Der abgelehnte Richter äußerte sich zum Ablehnungsantrag dahin, er fühle sich nicht befangen und habe durch die ihm vorgeworfenen Äußerungen auch nicht den Anschein einer Befangenheit gesetzt. Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Oberlandesgericht Graz den Ablehnungsantrag ab, weil kein zureichender Grund vorliege, die Befangenheit des Vorsitzenden des Berufungssenats anzunehmen; insbesondere sei nicht erkennbar, weshalb er bei der von ihm mitgetragenen Senatsentscheidung durch unsachliche psychologische Motive beeinträchtigt sein sollte. Da der Ablehnungsantrag schon aus diesen Gründen abzuweisen sei, könne dahingestellt bleiben, ob er verspätet gestellt worden sei; die Beklagten hätten sich nach den inkriminierten Äußerungen des Vorsitzenden, die sie als Ablehnungsgrund geltend machten, noch in die Verhandlung eingelassen und Ruhen des Verfahrens vereinbart.

Der Rekurs der beklagten Parteien ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 21 Abs 2 JN kann eine Partei einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei demselben, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat. Diese gesetzliche Bestimmung ist ganz allgemein dahin zu verstehen, dass Ablehnungsgründe sofort nach ihrem Bekanntwerden und nicht erst in dem vom Ablehnungswerber nach prozesstaktischen Kriterien als richtig angesehenen Zeitpunkt vorzubringen sind. Vermieden soll nämlich eine Prozessverschleppung werden. Das Ablehnungsrecht ist verzichtbar und verschweigbar. Die zeitliche Begrenzung des Ablehnungsrechts steht auch im Einklang mit Art 6 Abs 1 EMRK (1 Ob 5/95, EvBl 1995/136 mwN). Die Beklagten stützen ihren gegen den Vorsitzenden des Berufungssenats gerichteten Ablehnungsantrag auf dessen Verhalten bei der Berufungsverhandlung, in der Vergleichsverhandlungen geführt wurden und schließlich Ruhen des Verfahrens vereinbart wurde. Die in dieser Berufungsverhandlung anwaltlich vertretenen Beklagten haben den Ablehnungsantrag nicht in dieser Berufungsverhandlung, sondern erst nach Fortsetzung des Verfahrens durch die Kläger und Anberaumung einer weiteren Berufungsverhandlung mit Schriftsatz gestellt. Die Beklagten haben ihr Ablehnungsrecht gemäß § 21 Abs 2 JN bereits verwirkt, weil sie sich in Kenntnis der von ihnen nun geltend gemachten Umstände, nämlich eines bestimmten Verhaltens des Vorsitzenden des Berufungssenats in die (weitere) Verhandlung vor dem Berufungssenat eingelassen haben. Nach der genannten Bestimmung ist jede Partei gezwungen, die Befangenheit sofort nach ihrem Bekanntwerden vorzubringen. Jede Einlassung in die Verhandlung oder Antragstellung nach Bekanntwerden des Befangenheitsgrunds bewirkt den Ausschluss von der Geltendmachung. Wird ein Befangenheitsgrund etwa in der mündlichen Verhandlung bekannt, so hat die Partei in dieser sofort den Ablehnungsantrag zu stellen. Sie darf sich bei sonstigem Verlust des Ablehnungsrechts auch auf keine gerichtlichen Vergleichsgespräche einlassen (Ballon in Fasching2 I § 21 JN Rz 1; SZ 42/146).

Wie sich aus § 204 Abs 1 ZPO, wonach das Gericht "bei der mündlichen Verhandlung in jeder Lage der Sache auf Antrag oder von Amts wegen eine gütliche Beilegung des Rechtsstreites oder die Herbeiführung eines Vergleiches über einzelne Streitpunkte versuchen" kann, klar ergibt, finden auch die Vergleichsgespräche im Rahmen der Verhandlung statt. Da die Beklagten die Geltendmachung der nun von ihnen behaupteten Ablehnungsgründe in der Verhandlung unterlassen haben, ist ihr Ablehnungsantrag gemäß § 21 Abs 2 ZPO zurückzuweisen, ohne dass auf dessen - im angefochtenen Beschluss eingehend und begründet verneinte - Berechtigung eingegangen werden kann.

Die Einbringung einer Stellungnahme der anderen Partei ist im Gesetz nicht vorgesehen, weshalb sie zurückzuweisen ist.

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