OGH 13Os53/04

OGH13Os53/0414.7.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Juli 2004 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll und Dr. Kirchbacher als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Felbab als Schriftführerin in der Strafsache gegen Karl K***** sen. und weitere Angeklagte wegen der Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Karl K***** sen., Karl K***** jun. und Markus G***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 6. November 2003, GZ 12 Hv 99/03g-23, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Staatsanwalt Dr. Nordmeyer, der Angeklagten Karl K***** sen. und Markus G***** sowie der Verteidiger Dr. Ruhri und Mag. Dieter zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die Angeklagten Karl K***** sen., Karl K***** jun. und Markus G***** des Verbrechens (wegen Faktenmehrheit richtig: der Verbrechen) des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB, die beiden Erstgenannten als Beteiligte nach § 12 dritter Fall StGB, schuldig erkannt. Danach haben in Straden, Bezirk Radkersburg

I. Markus G***** von 2. Mai bis 27. Juni 2001 in wiederholten Angriffen als Beamter, nämlich als Klassifizierer des durch die Agrarmarkt Austria zugelassenen EUROP-Klassifizierungsdienstes mit dem Vorsatz, den Bund und die Schlachtviehlieferanten in ihrem Recht auf ordnungsgemäße Feststellung des Gewichtes von Schlachtkörpern zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung des Qualitätsklassengesetzes, BGBl 161/1969 (richtig: 161/1967), Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich missbraucht, dass er beim Abwiegen von Rinderhälften im Fleischhauerbetrieb K***** Gesellschaft m.b.H. nicht anwesend war, deren Gewicht von einem ihm von Karl K***** jun. übergebenen Handzettel unkontrolliert übernahm und in sein Klassifizierungsprotokoll eintrug, ohne dieses selbst zu prüfen;

II. Karl K***** sen. und Karl K***** jun. vorsätzlich zur Ausführung der zu Punkt I. beschriebenen strafbaren Handlung des Markus G***** beigetragen, indem sie diese Vorgangsweise mit diesem gemeinsam planten und Gewichtsangaben der geschlachteten Rinder anfertigten und dem Markus G***** übergaben.

Dieses Urteil bekämpfen die Angeklagten Karl K***** sen. und Karl K***** jun. mit (gemeinsam ausgeführter) auf Z 9 lit a, der Angeklagte Markus G***** mit auf Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützter Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Markus G*****:

Die Verfahrensrüge (Z 4) bekämpft die Abweisung des Beweisantrages auf Vernehmung des Zeugen Hannes L***** und namentlich nicht genannter, vor dem Drittangeklagten bei der K***** Gesellschaft m. b.H. tätig gewesener Klassifizierer, indes zu unrecht. Das vorgebrachte Beweisthema, auch die anderen Klassifizierer seien bei der Verwiegung der Rinder nicht persönlich anwesend gewesen und hätten die in den Handzetteln enthaltenen Gewichtsangaben in das Klassifizierungsprotokoll ungeprüft übernommen, ist von vornherein ungeeignet, ein für die Schuld- oder Subsumtionsfrage bedeutsames Ergebnis zu erbringen. Dass nämlich für die übertragene Klassifizierungsaufgabe die persönliche Anwesenheit oder sonst eine effektive Kontrolle unabdingbar war, war dem Beschwerdeführer bewusst (US 9); es kann daher dahingestellt bleiben, ob auch früher tätig gewesene Klassifizierer in gleicher Weise (pflichtwidrig) handelten. Die vom beantragten Zeugen Hannes L***** erst nachträglich (am 5. Juli 2001) auf Grund der gegenständlichen Vorfälle zum Zweck der Hintanhaltung derartiger Manipulationen erlassene Dienstanweisung lässt just nicht den Schluss zu, dass die davor geübte Praxis zulässig war oder die Zustimmung des EUROP-Klassifizierungsdienstes hatte. In diesem Sinne ist die aufgestellte Beschwerdebehauptung geradezu sinnwidrig.

Das als Unvollständigkeit (Z 5), der Sache nach und in weiterer Folge auch nominell unter der Z 9 lit a gerügte Fehlen von Feststellungen dahingehend, dass der EUROP-Klassifizierungsdienst die gegenständliche Kontrolltätigkeit nur auf Grund eines von der K***** Gesellschaft m.b.H. mit ihm "im Rahmen der Privatautonomie" abgeschlossenen Vertrages, somit ohne gesetzliche Verpflichtung, wahrgenommen habe, betrifft nichts für die rechtliche Beurteilung Entscheidendes. Denn es war Aufgabe des Beschwerdeführers, als - wenngleich freiwillig im Sinne eines, wenn auch nicht ausdrücklich so bezeichneten (Werk-)vertrages (US 6 f) beigezogener, so doch an strenge rechtliche Vorgaben gebundener, externer - Klassifizierer in Entsprechung der Bestimmung des § 25a Qualitätsklassengesetz (BGBl 161/1967 in der damals geltenden Fassung) bzw der Verordnung des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft über Qualitätsklassen für Rinderschlachtkörper (BGBl 195/1994 idF BGBl Nr II 420/1997) die Einhaltung der gesetzlichen Qualitätskriterien im Schlachthof der K***** Gesellschaft m.b.H für Kunden und Lieferanten zu garantieren, letzteren insbesondere Sicherheit in Bezug auf die Richtigkeit des als Grundlage der Bezahlung im Klassifizierungsprotokoll eingetragenen Schlachtgewichtes zu geben. Solcherart hatte er, wie das Erstgericht unter Bezugnahme auf gesicherte Rechtsprechung (14 Os 10/02; 13 Os 87/98) zutreffend ausführte, als Beamter nach § 74 Abs 1 Z 4 (hier zweiter Fall: als sonst mit Aufgaben der Bundesverwaltung Betrauter) StGB in Vollziehung der Gesetze tätig zu werden.

Zur subjektiven Tatseite des Angeklagten G***** hat das Erstgericht - auf der Grundlage der Verantwortung des Beschwerdeführers (S 293, 286, 39/jeweils II) - festgestellt, dass er die seine Beamteneigenschaft begründenden Umstände zumindest in der laienhaften Parallelwertung (US 20) erkannt hat. Die in Missachtung dieser Konstatierungen einen Mangel an Feststellungen behauptende Rechtsrüge erweist sich daher - auch soweit sie ohne nähere Begründung die Frage der (angesichts des hier allein maßgeblichen funktionalen Beamtenbegriffs irrelevanten) Angelobung des Beschwerdeführers aufwirft - als nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Wie eine erst nach den Tathandlungen erlassene Dienstanweisung einen nicht spezifizierten "direkten oder indirekten Verbotsirrtum" des Beschwerdeführers bewirken konnte, vermag die Rechtsrüge nicht darzutun.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Karl K***** sen. und Karl K***** jun.:

Die in deren Rechtsrüge (Z 9 lit a) aufgestellte Behauptung mangelnder Feststellungen zum Wissen der Beschwerdeführer um das Vorliegen der Tatbestandselemente "Beamter" und "Vornahme von Amtsgeschäften in Vollziehung der Gesetze" beim unmittelbaren Täter übergeht die dazu getroffenen (und ausreichenden) Urteilskonstatierungen (US 13, 20 f) und verfehlt demnach eine prozessförmige Darstellung.

Sofern die Beschwerde in diesem Zusammenhang meint, für die beiden Angeklagten K***** sei angesichts der privatrechtlich vereinbarten Kontrollunterwerfung ein Tätigwerden des Angeklagten G***** im Bereich der Hoheitsverwaltung nicht erkennbar gewesen, stellt sie unzulässig die getroffenen Feststellungen des Urteils in Frage. Das im Rahmen der Rechtsrüge erstattete, der Sache nach einen Begründungsmangel iSd Z 5 des § 281 Abs 1 StPO relevierende Vorbringen, wonach zwischen der Darstellung der Beitragshandlung in Punkt II. des Urteilsspruches ("indem sie diese Vorgehensweise mit diesem [gemeint: Markus G*****] gemeinsam planten") und der Feststellung, der Drittangeklagte habe lediglich eine von den Beschwerdeführern mit anderen Kontrollorganen bereits vereinbarte Praxis übernommen, bestehe ein Widerspruch, ist nicht schlüssig. Auch die Fortführung einer (gesetzwidrigen) Vereinbarung kann nämlich Gegenstand der gemeinsamen Planung der Beitragstäter auf der einen und des unmittelbaren Täters auf der anderen Seite sein, die im Übrigen nicht die einzige von den Tatrichtern festgestellte Beitragshandlung darstellt.

Die weiteren Beschwerdeausführungen bekämpfen (nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung) die vom Erstgericht aus der Vorverlegung der Schlachtzeiten gezogenen Schlussfolgerungen und ignorieren solcherart die (mit nachvollziehbarer Begründung getroffenen) Urteilskonstatierungen über die Gründe der Beschwerdeführer für dieses, die weiteren festgestellten Beitragshandlungen erst ermöglichendes Vorgehen. Die Rechtsrüge ist somit auch in diesem Punkt nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt.

Die zur Gänze unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerden waren daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte nach § 302 Abs 1 StGB über die Angeklagten Freiheitsstrafen von 8 Monaten (Karl K***** sen.), 10 Monaten (Karl K***** jun.) bzw 8 Monaten (Markus G*****), welche es bei allen drei Angeklagten gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung jeweiliger Probezeiten von 3 Jahren bedingt nachsah. Dabei wertete es als erschwerend bei Karl K***** sen. zahlreiche auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Vormerkungen wegen Verwaltungsstrafen, bei Karl K***** jun. drei auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende gerichtliche und bei allen drei Angeklagten die Schädigung der Viehlieferanten an ihrem Vermögen; bei den Angeklagten K***** wurde jeweils als mildernd kein Umstand gewertet, bei Markus G***** der bisherige ordentliche Lebenswandel. Mit ihren Berufungen begehren die Angeklagten die Herabsetzung ihrer Freiheitsstrafen, indes zu Unrecht.

Entgegen den Berufungen hat das Schöffengericht die Strafbemessungsgründe im Wesentlichen zutreffend erfasst. Insbesondere ist Karl K***** sen. zu entgegnen, dass die bloß gerichtliche Unbescholtenheit nicht mildernd ist, und Karl K***** jun., dass die vorliegenden Straftaten, welchen Malversationen im Zusammenhang mit Lebensmitteln zu Grunde liegen, auf der gleichen schädlichen Neigung beruhen wie seine Verurteilungen nach dem LMG und dem FleischuntersuchungsG.

Weswegen Markus G***** die Vielzahl der Angriffe bloß aus Unbesonnenheit oder aus Schuldausschließungs- oder Rechtfertigunsgründen nahekommenden Umständen begangen haben soll bzw aus einem Rechtsirrtum ist ebenso unerfindlich wie die urteilskonträren Behauptungen des Unterbleibens eines Schadens eines bloßen Tatversuchs oder eines reumütigen Geständnisses. Die seit der Verübung der Taten verstrichene Zeit ist zu relativieren. Da die Strafbemessungsgründe auch zutreffend gewichtet wurden, waren die (bedingt nachgesehenen) Strafen einer Herabsetzung nicht zugänglich.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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