OGH 14Os10/02

OGH14Os10/0228.5.2002

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Mai 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Reiter als Schriftführer, in der Strafsache gegen Johann S***** und Wolfgang T***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom 18. Oktober 2001, GZ 14 Hv 1.027/01a-18, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Seidl, der Angeklagten Johann S***** und Wolfgang T***** sowie ihrer Verteidiger Dr. Weinreich und Dr. Lukesch, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten werden verworfen. Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in Ansehung beider Angeklagten in der Unterlassung der Beurteilung der Tat auch als gewerbsmäßig schwerer Betrug und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache an das Erstgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung zurückverwiesen. Die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft werden mit ihren Berufungen auf diese Entscheidung verwiesen.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Johann S***** und Wolfgang T***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB, Wolfgang T***** als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB, schuldig erkannt. Die Qualifikation des § 302 Abs 2 zweiter Satz StGB wurde - abweichend von der Anklage (ON 10) - nicht angenommen. Darnach haben vom 6. Oktober 1998 bis 15. November 1999 in Ruprechtshofen

Johann S***** in wiederholten Angriffen als Beamter, nämlich als Klassifizierer des durch die A***** Austria zugelassenen Klassifizierungsdienstes "S*****" Servicestelle für Tierproduktion in Niederösterreich GmbH, mit dem Vorsatz, den Bund und Schlachtviehlieferanten in ihrem Recht auf ordnungsgemäße Feststellung von Gewicht und Qualität der Schlachtkörper zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung des Qualitätsklassengesetzes, BGBl 161/1967, Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem er beim Klassifizieren von Rinderhälften jeweils ein geringeres Gewicht und eine mindere Qualität bzw Handelsklasse feststellte, wobei durch die Tat ein 25.000 S, nicht jedoch 500.000 S übersteigender Schaden herbeigeführt wurde;

Wolfgang T***** zur Ausführung der unter Punkt A) beschriebenen strafbaren Handlung des Johann S***** durch gemeinsame Planung der falschen Qualitätsbewertung und vereinbarungsgemäße Vornahme von unrichtigen Wägedaten bewirkenden Manipulationen an den zur Klassifizierung verwendeten technischen Einrichtungen beigetragen. Dieses Urteil bekämpfen die beiden Angeklagten und die Staatsanwaltschaft mit Nichtigkeitsbeschwerden, die der Angeklagte Johann S***** auf die Gründe der Z 5, 9 lit a und 9 lit b, der Angeklagte Wolfgang T***** auf jenen der Z 5a und die Anklagebehörde auf jene der Z 7 und 10 des § 281 Abs 1 StPO stützen. Zur Nichtigkeitsbeschwerde

des Angeklagten Johann S*****:

Rechtliche Beurteilung

Weshalb dem Umstand, dass die Firma T***** & Söhne die Firma S***** mit Klassifizierungen beauftragt hat, und der Frage, ob bzw aus welchem Grund eine Verpflichtung zur Vornahme von Klassifizierungen bestand, entscheidende Bedeutung zukommen soll, wurde in der Mängelrüge (Z 5) nicht dargetan, weshalb dieses Beschwerdevorbringen einer sachlichen Überprüfung entzogen ist.

Mit dem Einwand, die erstgerichtliche Feststellung über das Wissen des Angeklagten um seine Subjektqualität als Beamter widerspreche seiner Verantwortung, wird vom Beschwerdeführer eine Aktenwidrigkeit im Sinne des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes nicht aufgezeigt. Ein derartiger Begründungsfehler liegt nämlich nur dann vor, wenn der eine entscheidende Tatsache betreffende Inhalt einer Aussage oder eines anderen Beweismittels im Urteil unrichtig wiedergegeben wird, nicht aber wenn - wie hier - die Beschwerde bloß behauptet, dass zwischen einer vom Gericht getroffenen Tatsachenfeststellung und einem Beweismittel ein Widerspruch bestehe (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 5 E 185). Daher kann aus der im Ersturteil nicht erörterten Aussage des Zeugen V***** eine Aktenwidrigkeit gleichfalls nicht abgeleitet werden (Mayerhofer aaO E 190 f). Im Übrigen hat dieser Zeuge auf die Frage, ob er vom Schlachthofbetreiber T***** geschädigt worden sei, bloß deponiert, dass er bei "Großviehern" nichts sagen könnte, während er die Überzeugung äußerte, bei der Lieferung von Kälbern übervorteilt worden zu sein (S 55/III).

Ob die Gewichtsveränderungen durch Eingabe eines überhöhten Taragewichtes (für den Fleischerhaken) oder durch andere Manipulation an der Viehwaage oder dem damit verbundenen PC herbeigeführt wurden, ist nicht entscheidend, ergibt sich doch aus dem Vergleich der in den Erfassungsprotokollen enthaltenen Schlachtungswarmge- wichten mit den in den (die gleichen Tiere betreffenden) Lieferscheinen der Firma T***** angeführten (höheren) Liefergewichten, dass die Viehlieferanten beim Wiegevorgang über das wahre Gewicht der verkauften Tiere getäuscht wurden.

Aus diesen Gewichtsangaben konnte bezüglich der an die Firmen A***** (B*****) und die S***** GmbH (S*****) gelieferten Tiere auch das Gesamtausmaß der durch die im Urteil beschriebenen Manipulationen bewirkten Gewichtsdifferenz mängelfrei errechnet werden (US 11, 16 iVm AS 11/II).

Da der Beschwerdeführer selbst (zu Recht) darauf hinweist, dass das Erstgericht von Wissentlichkeit im Sinne des § 302 StGB ausgegangen ist, ist der folgende Vorwurf, das Urteil lasse nicht erkennen, "welche Feststellungen zur subjektiven Tatseite getroffen werden sollten", nicht nachvollziehbar.

Im Übrigen haben die Tatrichter dieses subjektive Tatbestandsmerkmal (§ 5 Abs 3 StGB) unter Hinweis auf die vom Angeklagten zugestandenen Kenntnisse von seinen gesetzlichen Pflichten (US 16 f; AS 41 f iVm AS 64/III) zureichend begründet.

Da der Tatbestand des § 302 Abs 1 StGB weder einen Bereicherungsvorsatz noch die Absicht, sich ein unberechtigtes Einkommen zu verschaffen (US 11) voraussetzt, können die gegen diese Urteilsannahmen gerichteten Beschwerdeeinwände auf sich beruhen. Entgegen der in der Rechtsrüge (Z 9 lit a) vertretenen Auffassung hat das Erstgericht die Tätigkeit des Angeklagten zutreffend als die eines Beamten nach § 74 Z 4 StGB (hier zweiter Fall als sonst mit Aufgaben der Bundesverwaltung Betrauter) eingestuft (13 Os 87/98). Nach den wesentlichen Feststellungen war er als Klassifizierer der S***** tätig, die von der AMA (einer auf Grund des Bundesgesetzes Nr 376/1992 [AMA-Gesetz 1992] errichteten Marktordnungsstelle) als für die Durchführung der Klassifizierung (nach dem Qualitätsklassengesetz BGBl 161/1997) geeigneter Klassifizierungsdienst zugelassen war. Gemäß § 25a Abs 1 des Qualitätsklassengesetzes kann für dort näher bezeichnete Erzeugnisse, die von Schlachtbetrieben in Verkehr gebracht werden (darunter insbesondere Fleisch von Rindern und Schweinen), mit Verordnung bestimmt werden, dass die Einstufung und Kennzeichnung solcher Erzeugnisse nach den Bestimmungen des betreffenden Bundesgesetzes (und hiezu ergangener Verordnungen) ausschließlich durch Angehörige von durch die AMA zugelassenen Klassifizierungsdiensten (Klassifizierern) zu erfolgen hat. Durch eine entsprechende Verordnung ermächtigt, hat die AMA von dieser Befugnis Gebrauch gemacht. Die Aufgabe des von der S***** gestellten Klassifizierungspersonals und damit auch des Angeklagten Johann S***** bestand in der dem § 25a Qualitätsklassengesetz sowie den betreffenden Verordnungen des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft über Qualitätsklassen für Rinderschlachtkörper (Verordnung BGBl 195/1994 idF BGBl Nr II 420/1997) und den Richtlinien der AMA für die Durchführung der Klassifizierung entsprechenden Einstufung in Qualitätsklassen und Kennzeichnung landwirtschaftlicher Erzeugnisse (Feststellung von Qualität und Gewicht von Rinderschlachtkörpern), damit diese unter den entsprechenden Qualitätsklassenbezeichnungen in Verkehr gesetzt werden durften. Hierüber war vom jeweiligen Klassifizierer auch ein Protokoll zu führen und damit Qualität und Gewicht der Erzeugnisse zu beurkunden. Der Klassifizierer war demgemäß in den Normenvollzug im Bereich der Hoheitsverwaltung einbezogen.

Aufgrund der vorangeführten Verordnung des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft über Qualitätsklassen für Rinderschlachtkörper hatte dieses Klassifizierungsverfahren auch die Feststellung des Gewichtes und der Qualitätsklassen der Tiere zum Gegenstand, woraus sich nicht nur die funktionelle Beamteneigenschaft des Angeklagten sondern auch sein Handeln in Vollziehung der Gesetze ergibt (13 Os 87/98).

Soweit der Angeklagte unter Hinweis auf die - von den Tatrichtern als unglaubwürdig erachtete (US 12 ff) - Verantwortung des Angeklagten T***** und mit spekulativen Überlegungen andere (ihn entlastende) Feststellungen über die Ursache der sich aus den Urkunden ergebenden Gewichtsdifferenzen fordert, wendet er sich nur in unzulässiger Weise gegen die schöffengerichtliche Beweiswürdigung.

Darüber hinaus bestreitet die Rechtsrüge bloß objektive und subjektive Tatbestandsmerkmale betreffende Konstatierungen. Solcherart verfehlt sie den notwendigen Vergleich des im Urteil festgestellten Sachverhalts mit dem darauf angewendeten Gesetz und damit die prozessordnungsgemäße Darstellung des materiellen Nichtigkeitsgrundes.

Der geforderten Anwendung des § 42 StGB (Z 9 lit b) steht schon die bis zu fünf Jahren reichende Strafdrohung des § 302 Abs 1 StGB entgegen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Wolfgang T*****:

Mit seiner Tatsachenrüge (Z 5a) trachtet der Beschwerdeführer unter Wiederholung seiner Verantwortung, sowie mit spekulativen Überlegungen über die (fehlende) Sinnhaftigkeit der ihm angelasteten Vorgangsweise (der festgestellte Gewinn stehe in keinem Verhältnis zum Gesamtumsatz seines Unternehmens; im Hinblick auf die jederzeitige Überprüf- und Nachvollziehbarkeit seien die ihm angelasteten Malversationen nicht zielführend gewesen) und mit dem aktenwidrigen Hinweis auf das Fehlen jeglichen Motivs die Richtigkeit der tatrichterlichen Erwägungen in Frage zu stellen, indem er diesen bloß andere für ihn günstigere Würdigungsvarianten gegenüberstellt. Damit unternimmt er bloß einen zur Darlegung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes ungeeigneten Angriff auf die Lösung von Tatfragen nach Art einer im Rechtsmittelverfahren gegen kollegialgerichtliche Urteile gesetzlich nicht vorgesehenen Schuldberufung. Sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zu Grunde gelegten Tatsachen vermag er mit diesen Einwänden nicht zu erwecken.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

Die eine Verurteilung der beiden Angeklagten (auch) wegen des (in Tateinheit mit dem vom Schuldspruch umfassten Verbrechen des Amtsmissbrauches nach § 302 Abs 1 StGB begangenen) Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2, 148 zweiter Fall StGB anstrebende Subsumtionsrüge (Z 10) ist berechtigt.

Ist nämlich wie beim hier indizierten Zusammentreffen von gewerbsmäßig schwerem Betrug nach §§ 146, 147 Abs 1 Z l, Abs 2, 148 zweiter Fall StGB mit dem Grundtatbestand des § 302 Abs 1 StGB der Betrug mit strengerer Strafe bedroht, so besteht echte Konkurrenz (Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 146 Rz 178).

Die gebotene Prüfung der Tat in Richtung der §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2, 148 zweiter Fall StGB ist demnach rechtsirrig unterblieben und auf Grund des unvollständig gebliebenen Urteilssachverhaltes auch dem Obersten Gerichtshof nicht möglich. So fehlen insbesondere Feststellungen über die Benützung der falschen Beweismittel (inhaltlich falsche Erfassungsprotokolle, vgl AS 48/III) zur Täuschung der Viehlieferanten sowie darüber, ob die Angeklagten beabsichtigten, sich durch die Begehung schwerer Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Diese rechtsirrig unterlassenen Feststellungen erfordern insoweit die Verfahrenserneuerung in erster Instanz.

Eine Erörterung der Ausführung zum Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 7 StPO ist demnach entbehrlich (vgl im Übrigen Mayerhofer StPO4 § 281 Z 7 E 14).

Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Johann S***** und Wolfgang T***** waren somit zu verwerfen, der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hingegen Folge zu geben und spruchgemäß zu verfahren.

Mit ihren Berufungen waren die Staatsanwaltschaft und die Angeklagten auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.

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